Blog-Eintrag -

Der Forschungsgipfel 2018: Über Open Science, den Brexit und Exzellenz

Europäische Innovationspolitik, Disruption versus Strategie und Vertrauen in die Forschung – die Wissenschaftsgemeinschaft steht vor großen nationalen und internationalen Herausforderungen. Um ihnen zu begegnen, braucht es vor allem eines: den offenen Dialog zwischen allen Beteiligten. Formate wie der Forschungsgipfel spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Der Forschungsgipfel brachte in der vergangenen Woche erneut die entscheidenden Akteure der deutschen und europäischen Forschungsgemeinschaft aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in Berlin zusammen. Als Mitglied des Stifterverbands hatten wir von Elsevier wieder die Möglichkeit, den Gipfel zu unterstützen und uns über aktuelle Themen des deutschen Forschungs- und Innovationssystems mit den anderen Teilnehmern auszutauschen. Hier meine drei wichtigsten Erkenntnisse:

Der Brexit wird die europäische Innovationspolitik zurückwerfen.

Der Wettbewerb mit innovationsstarken Nationen und auch die Problematik einer EU-übergreifenden Forschungspolitik und -förderung wird in den kommenden Jahren enormen Druck auf Europa bedeuten. Schon heute sind etwa die USA, Kanada und China für forschende Unternehmen wichtige Standorte. Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, berichtete etwa in seiner Keynote, dass Bayer viele der spannenden Projekte, an denen das Unternehmen gerade arbeitet, letztendlich in Nordamerika ausführen wird. Und das hat nichts damit zu tun, dass es in Deutschland nicht ausreichend kluge Köpfe gibt. Vielmehr ist es laut Baumann in den USA von den organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen einfacher, Ideen umzusetzen.

Auch wenn sich alle Sprecher beim Forschungsgipfel einig waren, dass die deutsche Wissenschaft in der Lage ist, die Welt zu verändern, haben Länder wie China und die USA doch Vorteile, die sie für forschende Unternehmen sehr attraktiv machen. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und der grundsätzlichen Einstellung gegenüber Innovation, ist die Skalierbarkeit hier ein wichtiger Faktor. Die vergleichsweise großen Märkte bieten mehr Potentiale für kommerzielle Unternehmen als die Europäische Union mit ihren 28 einzelnen Staaten und einzelnen Strategien für Forschung und Innovation. Denn letztendlich stehen der zweifellos vorhandenen, gesamteuropäischen Innovationsstrategie immer auch die einzelstaatlichen Interessen der Mitgliedsländer gegenüber. Trotz aller Harmonisierungsbestrebungen ist der europäische Binnenmarkt für Startups noch immer nicht ideal. Der Brexit wird auf diesem Feld die Bemühungen der Europäischen Union, eine europäische Startup-Kultur zu fördern, ein Stück zurückwerfen.

Ende letzten Jahres haben wir gemeinsam mit Ipsos MORI eine internationale Umfrage unter Forschern zum Thema Brexit durchgeführt. Wir wollten herausfinden, welchen Herausforderungen und Chancen Forscher in Anbetracht des anstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU gegenüberstehen. Die Umfrage kam zu dem Ergebnis, dass Forscher weltweit davon ausgehen, dass der Brexit einen negativen Einfluss auf den europäischen Forschungsraum haben wird. Gleichzeitig zeigten die Befragten großes Interesse daran, Strategien zu entwickeln, um die dynamische Wissenschaftsgemeinschaft innerhalb der EU auch nach dem Brexit sicherzustellen. Dieses Bestreben wurde auch unter den Gästen des diesjährigen Forschungsgipfels deutlich – ebenso wurde aber auch deutlich, dass wirkliche Konzepte hierfür noch fehlen. Formate wie der Forschungsgipfel, die nationale und internationale Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammenbringen, sind ein wichtiger Anfang, um den Dialog anzustoßen. Um informierte Entscheidungen treffen zu können, sind verlässliche Informationen außerdem unumgänglich. Um den Policy Dialog sachlich zu unterstützen, stellt Elsevier mit dem Brexit Resource Center kostenfrei Daten, Metriken und Informationen zu Verfügung, die die Auswirkungen des Brexit auf die weltweite Forschungscommunity beleuchten. Eines ist klar: Um im Wettbewerb mit den USA und China bestehen zu können, braucht Europa einen offenen und einheitlichen Forschungsbinnenmarkt.

Innovation braucht Tiefe und Breite: Disruptive Innovation und „Deep“ Innovation.

In der globalen Innovationslandschaft ist Deutschland für seine inkrementalen Leistungen wohl bekannt: ob Windresistenz von Autos oder Effizienzsteigerung von Bohrmaschinen, die deutsche Industrie verbessert ihre Produkte und ist in vielen Bereichen auf dem Weltmarkt führend.

Aber: ist solche inkrementale Innovation im heutigen Zeitalter genug? Es ist der ewige Zwiespalt zwischen inkrementell und disruptiv, zwischen dem, was wir an deutscher Forschung achten und dem, um das wir hochinnovative Unternehmen wie zum Beispiel aus dem Silicon Valley beneiden. Doch woran liegt es, dass trotz Spitzenforschung der große, revolutionäre Sprung oft ausbleibt? Antworten auf diese Frage gab es auf dem Forschungsgipfel viele: von zu viel Regulierung über zu starre Bürokratie bis hin zum fehlenden Venture Capital. 

Eine solide Datenlage kann in dieser Diskussion einen entscheidenden Vorteil liefern. Mit unseren Analysen wie dem Report zum Forschungsstandort Amsterdam helfen wir, das Regionen sich wissenschaftlich gleichermaßen in die Breite wie auch in die Tiefe zu entwickeln. Die Daten zeigen Wachstumsräume und Potentiale für die Forschung auf und helfen dabei, regionale und nationale Besonderheiten in der Forschungsstruktur zu verstehen. Dispruptive Innovation kann sich nur an Orten entwickeln, an denen es gute Köpfe und funktionierende Wissens-Ökosysteme gibt.

Open Science stärkt Vertrauen in die Wissenschaft.

Ihre Eröffnungsrede begann die neue Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, mit den Worten: „Wir leben in einer spannenden Zeit. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist eine Zeit der Spannungen.“ Gemeint ist damit, dass unsere Welt vor großen Herausforderungen steht. Viele dieser Herausforderungen hängen unmittelbar oder mittelbar mit der Wissenschaft zusammen. Um den Wohlstand der Gesellschaft weiterhin zu sichern, kommen Forschung und Innovation eine zentrale Rolle zu. In Zeiten, in denen über künstliche Intelligenz, Big Data und Robotik diskutiert wird, muss die Wissenschaftsgemeinschaft Sorge dafür tragen, dass der Mensch und sein Bestreben nach Freiheit und Selbstverwirklichung im Mittelpunkt steht und die Gesellschaft den Anschluss zum technischen Fortschritt nicht verliert. Es liegt in der Verantwortung aller Akteure im Wissenschaftssystem, den Menschen zu zeigen, welche Vorteile Innovationen für jeden einzelnen haben, und Lösungen zu finden, damit sich niemand zurückgelassen fühlt. Open Science kann das Vertrauen der Gesellschaft in Wissenschaft und Forschung stärken. Auch Anja Karliczek betonte in ihrer Rede „eine offene Innovationskultur ermöglicht ganz neue – kreative – Wege der gemeinsamen Ideenfindung und neue Formen, sich Wissen anzueignen.“

Die Idee von Citizen Science ist nicht neu, aber noch nicht so verbreitet, wie sie sein sollte. Elsevier engagiert sich seit vielen Jahren in diesem Bereich – durch die Unterstützung von Projekten wie Science & People oder Pint of Science, die Interessierten einen einfachen Zugang zu Wissenschaft ermöglichen; durch unseren Blog Elsevier Connect, auf dem wir fast täglich Geschichten aus Wissenschaft und Forschung leicht verständlich aufbereiten; durch zahlreiche Open-Access-Journale, die jedermann einen Einblick in aktuelle Spitzenforschung erlauben; oder durch das SDG Resource Center, auf denen wir relevante Forschungsergebnisse zu den nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SGDs) der Vereinten Nationen öffentlich verfügbar machen. Open Science kann ein Grundstein der modernen Wissensgesellschaft werden. Forschung wird so kollaborativer, offener, transparenter, effektiver und effizienter – entscheidende Faktoren für Innovation. Menschen Vertrauen die Wissenschaft, die sie verstehen und für ihr eigenes Leben nutzen. 

Themen

  • Forschung

Kategorien

  • digitale innovationen
  • analytische reports zur forschungslandschaft
  • unternehmen

Zugehörige Meldungen