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"Der Vertrieb wird definitiv an Bedeutung gewinnen" - Interview mit Alexander Lüring, Partner & Leiter des Kompetenzzentrums Chemie

Interview mit Alexander Lüring, Partner und Leiter des Kompetenzzentrums Chemie bei Homburg & Partner, über die aktuelle Lage in der chemischen Industrie, die digitale Transformation und die Zukunft des Vertriebs.

Aus dem aktuellen Chemical Monitor von Homburg & Partner geht hervor, dass die allgemeine Stimmungslage in der chemischen Industrie so gut ist wie zuletzt vor sechs Jahren. Woran liegt das?

Alexander Lüring: „Das derzeitige Stimmungshoch in der chemischen Industrie ist wenig überraschend. Eine stabile Auftragslage in Kombination mit günstigen Marktentwicklungen und positiven Wachstumsprognosen sorgen für einen optimistischen Ausblick. Trotzdem sind sich die befragten Führungskräfte der Chemieunternehmen sehr wohl bewusst, dass externe Faktoren die Geschäftsaussichten mittelfristig trüben könnten. Von vielen Gesprächen mit Managern in der chemischen Industrie habe ich jedoch den Eindruck, dass die Auftragsbücher voll sind und man gut beschäftigt ist. Dies hat ja auch die letzte Auflage unseres ChemieMonitors eindrucksvoll bestätigt.

Welche Themen beschäftigen derzeit die Chemieunternehmen mit Blick auf die eigenen Marketing- und Vertriebsaktivitäten?

Alexander Lüring: „Im Bereich Marketing & Vertrieb spielt das Innovationsmanagement eine wichtige Rolle für Chemieunternehmen. Neben der Einführung innovativer Technologien geht es dabei insbesondere um die Entwicklung neuer Produkte. Darüber hinaus ist die digitale Transformation mittlerweile das Thema der Branche. Die größte Herausforderung dabei ist allerdings die Definition des Themas und der Zuschnitt auf das eigene Unternehmen: Was bedeutet Digitalisierung für mein Unternehmen und welche Benefits kann ich daraus ziehen? Hier haben viele Unternehmen noch Schwierigkeiten. Aus diesem Grund wurden mittlerweile in fast allen Chemieunternehmen einzelne Einheiten ins Leben gerufen, die sich genau damit beschäftigen.“

Was wird konkret unter der digitalen Transformation verstanden?

Alexander Lüring: „Führungskräfte in der chemischen Industrie verbinden mit der digitalen Transformation hauptsächlich die Automatisierung der Produktion und Unternehmensprozesse. Darüber hinaus wird die Weiterentwicklung des Datenmanagements und der dazugehörigen Datenauswertung als wichtiger Eckpfeiler wahrgenommen. Auch Verbesserungen der E-Commerce-Plattformen und Online Touch Points sowie Optimierungen im Bereich der Kundenkommunikation zählen zu den Maßnahmen im Rahmen der digitalen Transformation. Das sind allerdings eher die operativen Tools, die ich oben schon angesprochen habe. Interessant ist jedoch die Frage, inwieweit die Möglichkeiten der Digitalisierung Chancen mit Blick auf neue Geschäftsmodelle eröffnen. Das wird sicherlich einer der spannendsten Punkte in der nächsten Zeit.“

Welchen Einfluss haben denn die Chancen der Digitalisierung auf den Vertrieb?

Alexander Lüring: „Der Vertrieb wird definitiv an Bedeutung gewinnen. Ich gehe dabei aktuell von zwei Effekten aus: Zum einen werden Vertriebsabteilungen in Zukunft verstärkt strategische Aufgaben übernehmen, da Prozesse zunehmend automatisiert über IT-Plattformen ablaufen werden. Digitale Tools werden zudem deutlich mehr Informationen an Vertriebsmitarbeiter liefern, was wiederum eine schnellere Entscheidungsfindung und höhere Individualisierungsgrade zur Folge hat. Informationen über Märkte und Kunden werden immer schneller verfügbar sein – in einer guten Qualität. Zum anderen steigen durch die Vielzahl der Informationen aber auch Anforderungen an die Interpretationen und den persönlichen Austausch. Das jetzt schon hohe Tempo wird sicherlich nicht abnehmen, daher ist es wichtig, schnell auf Kundenbedürfnisse eingehen und flexibel agieren zu können. Auch diesem Aspekt kommt den Vertriebsabteilungen eine hohe Bedeutung zu. Insbesondere im B2B-Umfeld spielt außerdem Vertrauen eine große Rolle. Die beiden Effekte führen dazu, dass sich das Anforderungsprofil an den Vertrieb ändern wird und Fähigkeiten wie strategisches Denken, Flexibilität und Kundenorientierung an Bedeutung gewinnen. Der Mensch wird insbesondere auch wegen der Digitalisierung im Zentrum der Aktivitäten bleiben.“

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