Pressemitteilung -

Verkehrsanwälte kritisieren zu hohe Strafen: „Die aktuelle Gesetzeslage erschwert die Aufklärung von Fahrerflucht“

Um die Fluchttendenz zu reduzieren, hat sich die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwaltverein) e.V. auf dem 56. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar dafür ausgesprochen, den Unfallflucht-Paragraphen mit seinen harten Folgen zu reformieren. Auch Verkehrsanwalt Christian Janeczek verzeichnet in seiner Kanzlei eine Zunahme der Fälle von Unfallflucht.[1] Im Interview nimmt er Stellung zur aktuellen Gesetzeslage sowie den Reformvorschlägen und gibt Tipps, wie sich betroffene Autofahrer verhalten sollten, um eine Strafe zu verringern oder gar abzuwenden.

Herr Janeczek, wie viele Fälle von Fahrerflucht gibt es in ihrer Kanzlei?

Das hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Früher hatten wir mehr mit Alkohol am Steuer zu tun, heute geht es bei den meisten Mandanten um Fahrerflucht. Im Jahr sind es heute etwa 100 Fälle – und die Tendenz ist weiter steigend. Personenschäden kommen aber nur sehr selten vor, meistens geht es um die typischen „Parkplatzrempler“.

Was sind die Ursachen für diese Zunahme?

Vieles spricht dafür, dass die größeren Autos mit dafür verantwortlich sind. Die Fahrer sind heute immer stärker abgeschottet und können oft weder sehen noch hören, dass sie einen anderen Wagen touchiert haben. Bestenfalls spüren sie es über die taktile Wahrnehmung. Hinzu kommt: Die Autos werden größer, die Parkplätze nicht. Auch die automatischen Einparkhilfen haben die Situation nicht verbessert, die Anzahl der Parkschäden ist seit ihrer Einführung sogar gestiegen.[2] Das kann zum Beispiel daran liegen, dass der Fahrer nicht wie vorgesehen darauf reagiert.

Was raten Sie aktuell Autofahrern, die einen parkenden Wagen beschädigt haben?

Das Gesetz verlangt, dass jeder Autofahrer, der einen anderen Wagen beschädigt hat, auf dessen Halter warten und ihm seine Personalien angeben muss. Wer dies nicht tut, begeht Fahrerflucht und wird entsprechend bestraft. Auch dann, wenn er sich im Rahmen der „tätigen Reue“ innerhalb der nächsten 24 Stunden nach dem Vorfall, freiwillig bei der Polizei oder dem Halter meldet. Leider greift das jedoch nur bei geringeren Schäden bis zu 1.300 Euro und auch nur bei Unfällen im ruhenden Verkehr. Aber selbst die tätige Reue bleibt nicht unbestraft. Das Gericht kann die Strafe zwar mildern oder ganz von einer Strafe absehen, 2 Punkte in Flensburg bleiben allerdings bestehen.

Wie lange muss man auf den Halter warten, um auf Nummer sicher zu gehen?

Das definiert das Gesetz leider nicht genau, es kommt auf den Einzelfall an. So wird auf dem Supermarktparkplatz eine längere Wartezeit gefordert, da es wahrscheinlich ist, dass der Halter zeitnah erscheint. Beschädigt man dagegen nachts die Leitplanke auf der Autobahn, genügt eine kurze Wartezeit, da höchstwahrscheinlich niemand von der Autobahnmeisterei vorbeikommen wird. Als Richtwert würde ich tagsüber eine Wartezeit von einer Stunde empfehlen. Erscheint in dieser Zeit niemand, muss der Unfallverursacher unverzüglich zur Polizei und den Vorfall melden. Eine Visitenkarte hinter den Scheibenwischer zu klemmen, reicht nicht aus. Man kann das tun, muss aber trotzdem zusätzlich zur Polizei.

Mit welchen Strafen muss man rechnen, wenn man das nicht befolgt?

Aktuell muss man in diesem Fall mit sehr harten Strafen rechnen – und das wie gesagt auch dann, wenn man sich schnell eines Besseren besinnt und doch noch meldet. Die Strafhöhe richtet sich vor allem nach dem Ausmaß des Schadens: Ab 1.300 Euro handelt es sich laut Gesetz um einen bedeutenden Schaden. Das hat in der Regel zur Folge, dass der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist von mindestens sechs Monaten verhängt wird. Ein Schaden von 1.300 Euro ist bei heutigen Autos schnell erreicht. Deswegen haben wir im Arbeitskreis III beim Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar eine Anhebung dieser Grenze diskutiert.

Was genau sind die Forderungen des Arbeitskreises?

Die Reformvorschläge betreffen zwei Punkte: Zum einen schlagen wir vor, die eben genannte Schadensgrenze auf 10.000 Euro anzuheben. Dann bekommt der Täter noch immer eine Geldstrafe und Fahrverbot von bis zu sechs Monaten, aber ihm droht zumindest kein Führerscheinentzug. Zum anderen wollen wir die „tätige Reue“ reformieren. Wir sind der Meinung: Wer flüchtet, dann aber doch zurückkehrt oder zur Polizei geht, sollte straflos bleiben. Nur so hat der Flüchtende eine Motivation sich zu stellen. Auf diese Weise können wir die Anzahl der Fahrerfluchten reduzieren und die Geschädigten bleiben nicht auf ihren Kosten sitzen – und das ist ja das eigentliche Ziel der Strafverfolgung.

Wie kann ein Verkehrsanwalt Betroffenen beim Vorwurf der Fahrerflucht helfen?

Am besten ist es, sich umgehend bei einem auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt zu melden. Häufig kommen Betroffene leider erst zu uns, wenn ihnen schon eine Anklage vorliegt und sie vielleicht sogar eine Aussage gegenüber der Polizei getroffen haben – dann ist das Kind oft schon in den Brunnen gefallen und es ist sehr viel schwerer, eine Strafe abzuwenden. Mein Rat lautet: Gegenüber der Polizei keinerlei Aussage machen und umgehend einen Anwalt einschalten. Dieser kann Akteneinsicht fordern und zum Beispiel oft beweisen, dass der Betroffene nicht zweifelsfrei als Fahrer zu identifizieren ist. In anderen Fällen lässt sich der Schaden nach unten rechnen und es gelingt, den Staatsanwalt davon zu überzeugen, das Verfahren einzustellen. Dabei gilt: Je früher man den Anwalt einschaltet, desto besser die Aussicht auf Straffreiheit oder zumindest nur eine geringe Strafe.

Zur Person: Christian Janeczek

Christian Janeczek ist als Rechtsanwalt in der Kanzle Roth & Partner in Dresden tätig. Seine Schwerpunkte sind Verkehrsrecht, Strafrecht und Verkehrsstrafrecht. Er ist Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (Infos unter www.verkehrsanwaelte.de) sowie Referent der Anwaltsakademie.

[1] Der rechtliche Fachbegriff lautet „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“

[2] Quelle: Analyse der HUK-COBURG (https://www.huk.de/presse/nachrichten/aktuelles/einparkhilfen.html)

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Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins wurde 1979 gegründet. Ihr gehören knapp 6.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an. Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt ihre Mitglieder in vielerlei Hinsicht: Sie bietet regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen an und informiert ihre Rechtsanwälte zum Beispiel über die neuesten Entwicklungen des Verkehrsrechts – zum Vorteil ihrer Mandanten. Seit mehr als 30 Jahren setzen sich die Verkehrsanwälte in den Gremien des Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar für die Rechte der Geschädigten ein und nehmen im Verkehrsrechtsauschuss des Deutschen Anwaltvereins zu allen wichtigen Gesetzesvorhaben Stellung. Die Homepage der Arbeitsgemeinschaft www.verkehrsanwaelte.de verdeutlicht die Vorteile des anwaltlichen Rats in Verkehrsrechtsfragen und ermöglicht potentiellen Mandanten eine schnelle und konkrete Anwaltssuche. Gerade Unfallgeschädigten bieten Verkehrsanwälte zahlreiche Möglichkeiten. Die Erfahrung zeigt: Diejenigen, die durch einen Verkehrsanwalt vertreten werden, erzielen regelmäßig einen deutlich höheren Schadenersatz als Geschädigte, die die Regulierung selbst in die Hand nehmen.

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