Blog-Eintrag -

Keep fooling them because they want to be fooled? Der Konsument ist selbst kein Treiber von Nachhaltigkeit.

Der Trend des nachhaltigen Konsums scheint unaufhaltsam. Die Betonung liegt dabei auf „scheint“. 

Denn wenn man gesamtheitlich hinschaut, ist das Konsumverhalten nicht nachhaltiger geworden. Vielmehr versuchen wir uns mit Nachhaltigkeitsgesten ein reines Gewissen zu kaufen. Wir eröffnen Konten bei Nachhaltigkeitsbanken, kaufen regionale Produkte (in globalisierten Supermärkten) und essen vegan, nur um kurz darauf Flüge von Berlin nach München für ein kurzes Wochenende in den Bergen zu buchen oder tonnenweise Avocados zu essen. 

Nachhaltiger Konsum ist am Ende reine Augenwischerei. Wenn Konsum nachhaltiger geworden wäre, bräuchten wir heute keine extra Tasche für elektronische Geräte, Kabel und Ladegeräte, um zu verreisen. Und in Deutschland würde die Anzahl der Automobile nicht weiter proportional stärker ansteigen, als die Bevölkerungszahl. 

Unter den faktischen Nachhaltigkeitstreibern rangiert Konsum wahrscheinlich ganz hinten. Unternehmen sind da vergleichsweise weiter vorn. Immerhin haben diese – auch wenn unter Druck – mittels neuer Technologien für vergleichsweise saubere Produktion und Produkte gesorgt. Dass heute wieder Lachse den Rhein hinauf schwimmen, ist ein Verdienst von Naturschützern, der Wissenschaft, der Politik und – ja, natürlich war die „öffentliche Meinung“ ein Treiber. Nicht aber ein faktisch nachhaltigerer Konsum. 

Die Wahrheit ist: Faktischer Konsum lässt sich nicht so leicht von Einstellungen und Meinungen beeinflussen – auch nicht von den eigenen. 

Das beweisen eindrucksvoll die Absatzzahlen des VW-Konzerns, der im Jahr 2016 nicht weniger, sondern mehr Automobile als je zuvor verkauft hat. Weltweit stieg der Absatz um 3,8% – im ökologisch bewussten West-Europa waren es +4%. Wir möchten daher die These aufstellen: Der Mensch ist sich der Bedeutung von Nachhaltigkeit bewusst, aber er handelt nicht nachhaltig bewusst. Er tut nur so.

Dass das so ist, wundert wenig, lautet doch ein alter Grundsatz der Volkswirtschaftslehre: „Der Mensch ist kein Homo Oeconomicus“. Will sagen: Der Mensch handelt nicht rational, haushaltet nicht gut. Weder, wenn es um das Haushalten mit Geld, noch wenn es um das Haushalten mit natürlichen Ressourcen geht. Bezeichnend ist, dass dieser volkswirtschaftliche Grundsatz an der Universität häufig mithilfe eines Beispiels veranschaulicht wird, das eher ökologisch, als ökonomisch ist: Ein See steht kurz davor zu kippen. Wann wird der Mensch entschieden eingreifen? Die richtige Antwort lautet: Erst dann, wenn es schon zu spät ist, also nach dem Zeitpunkt, an dem das Kippen des Sees hätte verhindert werden können. 

Kommt einem irgendwie bekannt vor. Rechnen uns doch Naturschützer und Klimaforscher schon länger vor, dass wir jetzt handeln müssen, weil es sonst zu spät ist. Was natürlich bedeutet, dass es jetzt bereits zu spät ist – aber Schwamm drüber. 

„Schwamm drüber“ ist unsere natürliche Primärstrategie, wenn etwas noch nicht konkret erlebbar wird. 

Ganz einfach, weil wir unmittelbare und individuelle Bedürfnisse viel stärker spüren, als perspektivische oder kollektive Bedürfnisse – und deshalb viel lieber befriedigen. Deshalb ist der Mensch nicht nur kein Homo Oeconomicus, sondern ebenso wenig ein Homo Oecologicus. Das einzige Problem – für den Konsumenten, um den es ja hier geht – ist, dass beim drüberwischen doch, wenn auch verschwommen, Realitäts-Rückstände zurückbleiben. 

Also haben wir als Konsumenten Zusatzstrategien entwickelt, um den inneren Konflikt zu entschärfen. 

Eine Zusatzstrategie ist das Patchwork-Consuming: Während die Zahl konsequent nachhaltiger Konsumenten sehr überschaubar ist, kauft der typische „bewusste“ Konsument einzelne nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Marken. Eine weitere Strategie ist der Konsum von Produkten mit einer Nachhaltigkeits-Aura: Eine Kiste Krombacher, die so bedruckt ist, dass sie wie eine alte Holzkiste aussieht, fühlt sich schon mal nachhaltiger an. Apropos Bier: Sind die hippen Microbreweries insgesamt nachhaltiger, als Großbrauereien? Oder sind sie nur eine Mode der übersatten Luxusgesellschaft auf der Suche nach neuen „Experiences“ mit Nachhaltigkeits-Appeal? Letztere Strategie kann auch durch faktisch nicht sonderlich nachhaltige Produkte bedient werden. Wenn etwa die Verpackung – noch besser aber auch die Herstellung – ursprünglich anmuten, wird Nachhaltigkeit unterstellt und „inspiriert“ konsumiert. 

Wenn der Konsument kein wesentlicher Treiber der Nachhaltigkeit sein kann, liegt die Verantwortung bei den Markeneignern. Als Entscheider können sie die Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger(er) Produkte effektiv vorantreiben und so nachhaltigen Konsum aktiv gestalten. Marken können das, weil sie Entscheidungen treffen, die das Unternehmen betreffen und nicht Einzelpersonen auf individueller Konsumebene. Das ist psychologisch machbar. 

Autoren
Tobias Phleps, CEO Superunion Germany
Julika Prenzel, Executive Strategy Director bei Superunion Germany in Berlin

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Als führende Agentur für Branding, Brand Experience und Design bietet Superunion Germany Creative Brand Transformation, Innovation Management und Brand Experience-Konzepte für Marken und Unternehmen. In Deutschland ist die Agenturgruppe in den Metropolen Berlin, Hamburg und München zu finden.

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