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Liebe Familienunternehmen: Eure Marke benötigt keine Extra-Emotionalisierung.

Dieser Artikel erschien zunächst im Magazin WIR FAMILIENUNTERNEHMER des Vereins DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V. (Ausgabe 1–2018): Homepage der Familienunternehmer.


McDonald‘s – Ich liebe es, Edeka – Wir lieben Lebensmittel, Condor – Wir lieben Fliegen. 

Wir könnten diese Liste unendlich fortsetzen. In der Markenkommunikation werden Liebe und Leidenschaft, Emotionen und Empfindungen inflationär eingesetzt, um Konsumenten und Kunden an ein Unternehmen und seine Produkte zu binden. Leidenschaftlichkeit als wünschenswertes, positives Gefühl soll Nähe suggerieren und Vertrauen aufbauen. Die Berechnung dahinter ist insbesondere bei Konzernen eine zunehmend zu beobachtende Strategie. Gut zu erleben war das beispielsweise nach der Bankenkrise bei dem einen oder anderen Kreditinstitut. Sehr interessant ist auch, sich die Entwicklung von Claims in der Automobilbranche anzusehen. Renault warb als französisches Unternehmen weltweit mit dem Claim „créateur d’automobiles“. Das hieß soviel wie „Wir bauen Autos – alle anderen imitieren uns nur“ und bot ein starkes Leistungsversprechen, das zudem durch die Sprache mit der Tradition des Unternehmens verbunden war. Nach mehreren Zwischenschritten ist der Claim nun beim gegenstandslosen „Passion for Life“ angekommen.

Gerade für Familienunternehmen, die sich die Intensität und Penetranz in der Kommunikation bei heutiger Medienspreizung ohnehin kaum leisten können oder wollen, gibt es nachhaltigere Möglichkeiten, konstante Kundenbeziehungen aufzubauen.

These 1: Leidenschaft wird in der Markenkommunikation inflationär verwendet. Die zugrundeliegenden Emotionen scheinen zunehmend austauschbar: Es geht lediglich um Intensität. Dabei entsteht zwar eine Mobilisierung der Konsumenten, aber keine konstante Verbindung zwischen Unternehmen und Konsument. In der Folge ist auch die Marke schnell austauschbar.

Eine erfolgreiche Marke sollte über ein erlebbares, glaubwürdiges und beweisbares Alleinstellungsmerkmal verfügen, welches nur sekundär emotionalisiert. Erfolgreiche Familienunternehmen, die uns hier einfallen, sind Ritter Sport mit dem Markenversprechen „Quadratisch. Praktisch. Gut“ oder Persil mit „Da weiß man, was man hat“.

These 2: Das beworbene Produkt, der beworbene Service oder die Marke selbst scheinen in ihrem Bezug zur kommunizierten Emotion häufig arbiträr. Der zitierte Claim „Passion for Life“ ist in seiner Willkürlichkeit kaum zu übertreffen. In der Übersetzung wird dies noch deutlicher: „Leidenschaft für Leben“. Welches Unternehmen würde nicht zu Recht oder zu Unrecht sagen, dass sie Leben ganz gut finden? Dieser Claim ist beliebig zutreffend, da er keine Verbindung zum beworbenen Produkt herstellt – und deshalb nie unique.

These 3: Willkürliche leidenschaftliche Aufladung steht richtig guter Markenarbeit im Weg. Bilden Sie zeitlose, trendresistente und von der Kommunikationsform unabhängige Markenwerte, die in einem glaubwürdigen Claim den Markenkern kommunizieren. Klassische Werte sind ein guter Anfang.

Sehen wir uns zum Beispiel das Familienunternehmen Hipp an. Hipp positioniert seine Produkte und Services über den Claim „Für das Wertvollste im Leben“ sehr eindeutig. Und er stimmt einfach. Denn zumindest wir kennen niemanden, der sein Baby oder Kind nicht als das Wertvollste überhaupt empfindet. (Der klassische Wert wird übrigens deutsch kommuniziert.) Menschen, die keine Babys oder Kinder haben, brauchen auch selten Produkte von Hipp.

These 4: Der Verzicht auf das Aktivieren von Leidenschaft bedeutet keinen Verzicht auf emotionale Botschaften in der Kommunikation.

Bilder sagen ja bekanntermaßen mehr als tausend Worte. Ferner sind bei der Kommunikation Ihrer Markenwerte Farben, Gestaltungsformen, Schriften, gegebenenfalls Klänge oder Gerüche ganz wesentliche Elemente zur Kommunikation emotionaler Markenbotschaften. Wenn Sie sich denn überhaupt dazu entscheiden, klassische Markenwerte in einen positionierenden Claim als emotionale Markenbotschaft zu übersetzen, dann achten Sie auch hier auf Zeitlosigkeit. Bleiben Sie sich selbst treu, bleiben es Ihnen auch Ihre Kunden. Denken wir an das Familienunternehmen BMW: Den Claim „Freude am Fahren“ kennen Sie. Und diesen Claim können Sie auch nicht hinter Hipp, dm oder Teufel Lautsprecher schreiben. BMW hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem gewandelt und gerade jüngste Entwicklungen passen immer noch „unter“ die ursprüngliche Positionierung. Wir denken hier insbesondere an BMWi, die vollständig autarke Untermarke für Elektroautos von BMW. Legen Sie direkt zu Beginn mit der zeitlosen Entwicklung Ihrer Marke das Fundament, anstatt Unsummen in eine Kommunikation zu stecken, die dauernd modifiziert werden muss.

These 5: Leidenschaft alleine ist kein nachhaltiges Nutzerversprechen. Aus dem Markenkern sollte eine Markenmission abgeleitet werden: Welchen konkreten Nutzen zieht der Konsument aus meinen Produkten und Services und welches langfristige Versprechen gebe ich ihm mit meiner Marke? Fakten, die emotional inszeniert werden (aber nicht leidenschaftlich überfrachtet) zahlen hier erfahrungsgemäß auf eine vernunftgeleitete, langfristige und sich wiederholende Entscheidung ein.

Es ist gar nicht so schwer, ein glaubwürdiges Nutzerversprechen zu formulieren. Jeder Familienunternehmer, dem wir begegnet sind, hat es bereits im ersten Meeting unbewusst mehrfach getan. Es ist immer die Formulierung der DNA seiner Produkte oder seiner Dienstleistung. Es gibt also gar keinen Grund, sich in Leidenschaftlichkeit zu flüchten.

FAZIT: Leidenschaft als Kern der Markenkommunikation ist von so vielen Marken besetzt, dass gerade Familienunternehmen sich einen Gefallen tun, wenn sie im großen und austauschbaren Geschrei nicht mitmachen, sondern sich stattdessen auf eine nicht vom Trend geleitete Markenkommunikation konzentrieren. Übrigens: Die Kommunikation der Markenwerte muss nicht zwangsläufig über einen Claim gelöst werden. Volkswagen etwa ist inzwischen „claimlos“.

Autor

Tobias Phleps, CEO Superunion Germany

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Als führende Agentur für Branding, Brand Experience und Design bietet Superunion Germany Creative Brand Transformation, Innovation Management und Brand Experience-Konzepte für Marken und Unternehmen. In Deutschland ist die Agenturgruppe in den Metropolen Berlin, Hamburg und München zu finden.

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