Pressemitteilung -

Gesundschreibung mit finanziellen Folgen

Berlin, 11. April 2018 – Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Krankschreibung) attestiert dem Betroffenen, dass er so krank ist, dass er seinen aktuellen beruflichen Aufgaben nicht nachkommen kann oder sich die Krankheit verschlimmern würde, wenn er weiterarbeiten würde. Arbeitnehmer, die ihrem Arbeitgeber eine Krankschreibung vorlegen, haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass dieser ihr Gehalt für bis zu sechs Wochen weiterzahlt. Damit der Lebensunterhalt und die laufenden Zahlungsverpflichtungen auch bei längerer Erkrankung weiter bestritten werden können, haben gesetzlich versicherte Arbeitnehmer, die länger als sechs Wochen krankgeschrieben sind, anschließend Anspruch auf Krankengeld. Die beabsichtigte Existenzsicherung fällt weg, wenn Versicherte trotz Krankschreibung durch den Arzt von ihrer Krankenkasse für arbeitsfähig erklärt werden. Allein im vergangenen Jahr haben sich etwa 1.500 Versicherte an die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) gewendet, die genau das erlebt haben. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800 011 77 22 informiert die UPD Betroffene über ihre Rechte.

Die Krankenkasse hat grundsätzlich das Recht, zu überprüfen, ob ein Versicherter arbeitsunfähig ist oder nicht. Mitunter ist sie sogar dazu verpflichtet. Etwa dann, wenn der Arbeitgeber des Versicherten an der Arbeitsunfähigkeit zweifelt und die Krankenkasse um eine entsprechende Prüfung bittet. Oder, wenn unabhängig von einem entsprechenden Antrag des Arbeitgebers Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten bestehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Versicherte auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig meldet oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit oft auf einen Montag oder Freitag fällt. Die Krankenkasse ist auch dann verpflichtet, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten zu überprüfen, wenn die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wurde, der auffallend oft krankschreibt (§ 275 Absatz 1a SGB V).

Liegt einer der genannten Fälle vor, beauftragt die Krankenkasse den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten. Der MDK ist der sozialmedizinische Beratungs- und Begutachtungsdienst der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen.

Kommen die MDK-Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Versicherte trotz Krankschreibung arbeitsfähig ist, und schließt sich die Krankenkasse dieser Beurteilung an, stellt sie die Zahlung des Krankengeldes ein.

Ferngutachten ohne Kontakt zum Patienten

Bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bzw. -unfähigkeit des Versicherten nach Aktenlage berücksichtigt der MDK grundsätzlich alle Unterlagen, die ihm von dessen Krankenkasse oder Arzt zur Verfügung gestellt werden. „Der behandelnde Arzt gibt oft nur den ICD-Code an, der die Arbeitsunfähigkeit begründet. Auf individuelle Besonderheiten im Krankheitsverlauf wie Komplikationen oder weitere Erkrankungen, die für die konkrete Dauer der Arbeitsunfähigkeit ebenfalls kausal sind, geht er aus Zeitmangel häufig nicht ein. Die vom MDK bewertete Aktenlage ist deshalb häufig weder vollständig noch tagesaktuell“, kritisiert Heike Morris, Juristische Leiterin bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Hinzu kommt: Eine körperliche Untersuchung oder ein Gespräch mit dem Versicherten findet nur in Ausnahmefällen statt. „Viele Versicherte wissen gar nicht, dass sie vom MDK begutachtet werden. Umso überraschter sind sie, wenn ihre Krankenkasse ihnen mitteilt, dass sie trotz Krankschreibung durch den Arzt arbeitsfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld haben“, so Morris.

Mut zum Widerspruch

Gegen den Einstellungsbescheid des Krankengeldes durch die Krankenkasse kann der Versicherte Widerspruch einlegen. Hierfür hat er einen Monat Zeit. Die Frist läuft ab dem Zeitpunkt, an dem er den Einstellungsbescheid erhält. Der Widerspruch muss schriftlich eingelegt werden – eine E-Mail reicht hierfür nicht aus. Rein formal ist der Widerspruch ohne Begründung zulässig und wirksam. Aussichtsreicher ist er, wenn er schlüssig begründet wird. Betroffene sollten dafür den behandelnden Arzt „ins Boot holen“ und von ihrem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch machen, indem sie das vollständige MDK-Gutachten anfordern bzw. ihren Arzt darum bitten.

Übrigens: Der behandelnde Arzt wird vom MDK zwar über das Ergebnis der Begutachtung informiert. Die vollständigen Unterlagen werden auch ihm jedoch nur auf Nachfrage zur Verfügung gestellt. Stimmt er mit dem Ergebnis des MDK nicht überein, kann er dies schriftlich begründen und bei der Krankenkasse eine erneute Entscheidung auf der Basis eines Zweitgutachtens beantragen.

Folge des Widerspruchs – Krankengeld nur im Ausnahmefall mit einstweiliger Anordnung

Der Widerspruch gegen den Einstellungsbescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Die Krankenkassen stellen die Zahlung des Krankengeldes bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch deshalb in der Regel ein. Betroffenen, die das nicht hinnehmen wollen – oder können – bleibt nur der Weg vor das Sozialgericht. Dieses kann die Krankenkasse mit einer einstweiligen Anordnung dazu verpflichten, die Zahlung des Krankengeldes vorläufig wieder aufzunehmen. Die Hürden für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind allerdings sehr hoch. Nur in Ausnahmefällen ordnen die Gerichte die Zahlung des Krankengeldes als „ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsache“ an. Aussicht auf Erfolg hat diese Option überhaupt nur dann, wenn dem Versicherten keine anderen Einkünfte zur Verfügung stehen und er auf das Krankengeld angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Ein solcher Eilantrag ist zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens zulässig, auch schon während des laufenden Widerspruchs.

Wichtig: Um sicher zu stellen, dass die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes nach einem positiven Entscheid über den Widerspruch fortsetzt, sollte der Versicherte sich unbedingt lückenlos weiter krankschreiben lassen. Andernfalls besteht das Risiko, dass er zwar das Widerspruchsverfahren gewinnt, aber trotzdem kein Krankengeld mehr erhält.

Ihre Krankenkasse hat mitgeteilt, Ihnen kein Krankengeld mehr zu zahlen – obwohl ihrbehandelnder Arzt Sie krankgeschrieben hat? Das Team der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) informiert Sie darüber, welche Möglichkeiten Sie jetzt haben.
  • Wie kann ich mich gegen den Einstellungsbescheid der Krankenkasse wehren?
  • Ich will Widerspruch einlegen – worauf sollte ich achten?
  • Ohne Krankengeld gerate ich in eine finanzielle Notlage. Welche Möglichkeiten habe ich?

Sie erreichen die UPD kostenfrei unter der Telefonnummer 0800 011 77 22 (montags bis freitags von 8.00 bis 22.00 Uhr und samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr)

Weitere Informationen und Beratungsangebote: www.patientenberatung.de

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Über die Unabhängige Patientenberatung Deutschland, UPD

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Gut erreichbar, bürgernah, qualifiziert: Das Beratungsangebot der UPD

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Neben medizinischen Fachteams und Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen gehören auch Juristen und Sozialversicherungsfachangestellte zum UPD-Beraterteam.

Dem gesetzlichen Auftrag (§ 65b des Sozialgesetzbuchs V) entsprechend macht die Patientenberatung über die individuelle Beratung hinaus Politik und Entscheidungsträger auf Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen aufmerksam, unterbreitet Lösungsvorschläge aus Patientensicht und stärkt auf diese Weise die Patientenorientierung im Gesundheitswesen.

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Die telefonische Beratung der UPD steht über – aus allen Netzen, auch Mobilfunk – kostenlose Rufnummern auf Deutsch, Türkisch, Russisch und Arabisch zur Verfügung und ist wie folgt erreichbar: Beratung in deutscher Sprache, Rufnummer: 0800 011 77 22, Zeiten: montags bis freitags von 8.00 bis 22.00 Uhr und samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr.

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Die Adressen der 30 Vor-Ort-Beratungsstellen sowie eine Übersicht über die 100 Städte, in denen das Beratungsmobil Halt macht, stehen unter www.patientenberatung.de.

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Kontakt

Markus Hüttmann

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