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4 Thesen zur Zukunft des Brand Management

Oder genaugenommen: Vier Antithesen. Denn anstatt aktuelle Buzzwords zu repetieren, möchte ich gerne den absoluten Wahrheitsanspruch einiger von ihnen in Frage stellen. Denn wie im Leben liegt die Wahrheit auch in der Markenführung in der Mitte. 

These 1: Datengetriebenes Marketing wird nicht Ihre Marke treiben.

Mithilfe von Data driven Marketing können Sie heute genau die richtige Person zu genau dem Zeitpunkt ansprechen, zu dem sie ein Produkt kaufen möchte, das Sie anbieten – und das zu genau dem Preis, den die betreffende Person zu zahlen bereit ist. Das Problem ist aber: Die gleichen Daten stehen Ihren Mitbewerbern zur Verfügung. Wie sticht also Ihre Marke – oder auch nur Ihr Angebot – heraus? Datengetriebenes Marketing kann sehr effektiv den Verkauf fördern, aber die Differenzierung zum Wettbewerb fällt damit weg.

Was bedeutet das für die Zukunft der Markenführung? Ich glaube, Markenführung braucht in Zukunft einen ausbalancierten, anti-polaren Ansatz: Je mehr Marken datengetriebenes Marketing nutzen, um Marketing-Effizienz und Umsätze zu steigern, desto mehr müssen Sie zugleich in den Aufbau eines sehr klaren Marken-Images investieren, das sie über adäquate Kanäle und Maßnahmen transportieren.

These 2: Die best-geführten Unternehmen und Marken sind nicht kundenzentriert.

Das nächste Buzzword, das ich gerne in seinem Absolutsheitsanspruch hinterfragen will, ist "customer centricity". Pure Kundenorientierung führt erstens zum gleichen Problem, wie rein datengetriebenes Marketing: Es bleibt kein Platz für Differenzierung, denn Kundenbedürfnisse sind nicht markenspezifisch, sondern kategorie-generisch.

Hinzu kommt aber, dass Kunden das begehren, was sie kennen – in möglichst billiger und optimierter Form. Sie denken nicht über bereits Bestehendes hinaus und das bedeutet, dass sie keine Treiber von wahrer Innovation sein können.

Wenn Sie sich herausragende Unternehmen und Marken anschauen – insbesondere solche, die sehr stark differenzierte oder wirklich innovative Produkte und Marken hervorbringen – werden Sie feststellen, dass sie sich eher innen- als kundengeleitet sind.

So wäre Red Bull nie auf den Markt gekommen, wenn der Unternehmer den vernichtenden Ergebnissen der ersten Marktforschung geglaubt hätte. Apple denkt gar prinzipiell „different“ – und das ganz erfolgreich. Im Mission Statement des Unternehmens steht geschrieben: We believe in saying no to thousands of projects, so that we can really focus on the few that are truly important and meaningful to us.”

Und Henry Ford hat einmal gesagt, wenn er Kunden gefragt hätte, was sie wollten, hätten sie nach schnelleren Pferden verlangt.

Ich glaube, je dynamischer und komplexer die Märkte werden, desto mehr brauchen Unternehmen und Marken einen eigenen inneren Kompass – an den sie sich auch über die Zeit halten. Ganz nach den Worten von Robert Kaplan: “Führung bedeutet, zu entscheiden woran man glaubt und den Mut zu haben, dementsprechend zu handeln.“

These 3: Einen Purpose haben ist fein. Aber es geht nach wie vor um das Produkt.

Das nächste Buzzword ist „Purpose“. Für Marken sollen wir nicht mehr eine Value Proposition formulieren, sondern einen sinnstiftenden Purpose – also Zweck. Zuallererst, bitte glauben Sie mir: Das Formulieren eines Purpose wird ihrer Marke oder ihrem Unternehmen keinen solchen verleihen. Entweder sie haben wirklich einen – oder nicht. Wenn nicht, wird die Formulierung einer Hülse lediglich Kosten verursachen und recht viel Management-Attention in Anspruch nehmen. Sie wird aber keine Kraft entfalten und keinen Wandel treiben – weder im Unternehmen noch im Markenimage. Purpose-zentrierte Kommunikation und Unternehmensführung braucht Substanz.

Aber die gute Nachricht für alle Unternehmen, die mit ihren Erzeugnissen einfach nur Geld verdienen wollen – immerhin zum Zweck von Ernährung und Wohlstand – ist: Ein höherer Zweck ist nicht alles. Ein herausragendes Produkt oder Angebot ist wichtiger. Im Best Global Brands Ranking 2017 rangieren Apple, Google und Microsoft auf Position 1 bis 3, gefolgt von Coca Cola und Amazon auf Position 4 und 5. Purpose? Denken Sie auch mal an Apple-Werbung: Produkt auf weißem Fond. Kein höherer Sinn. Keine Emotionen. Warum? Weil das Produkt begehrenswert genug ist. Es braucht kein Sinn-drum-rum. Denken Sie an Werbung im Premiumsegment generell: Hier finden Sie lauter Anzeigen, die nach diesem Schema „Product-as-Hero“ aufgebaut sind. Und sie funktionieren, weil die Produkte begehrenswert sind.

Was bedeutet das für die Zukunft der Markenführung? Es bedeutet, dass – genau wie in der Vergangenheit und in der Gegenwart – das wichtigste Element Ihres Marketing-Mix Ihr Produkt, bzw. ihre Dienstleistung bleibt. Konzentrieren Sie sich in erster Linie darauf, diese zu optimieren. Und übrigens: Die Vision, ihr Angebot zu einem Objekt der Begierde zu machen, kann durchaus ein inspirierender Purpose sein.

These 4: Verbraucher sind nicht mündiger. Sie sind unmündiger.

Eine weitere zeitgenössische These ist, Verbraucher seien heute (anders als früher) "mündige Verbraucher“. Wir haben sogar aufgehört, sie „Verbraucher“ zu nennen. Wir nennen sie heute häufiger „Kunden“. Den das hat eher den Klang von Bewusstheit und Autonomie. Aber sind sie – oder wir – tatsächlich mündiger?

Mit Blick auf die Generation Y würde ich eindeutig "nein" sagen. Die GenY paart eine sehr unrealistische Erwartungshaltung mit einer ebensolchen Anspruchshaltung: Fast 50% von ihnen erwartet beispielsweise, dass sie später die Leitung eines Unternehmens innehaben werden. Als Arbeitgeber erheben sie den Anspruch, dass sich die Organisation – also das Ganze – flexibel auf ihre ganz individuellen Bedürfnisse einstellt.

Die GenY ist aber nur ein Symptom einer Gesellschaft, die zu verhätschelt scheint, um Realitäten ertragen zu können. Wir „wattieren“ die Welt. Wir finden immer nettere und nettere Begriffe für Dinge – sogar in weniger emotionalen Bereichen, wo man meinen würde, dass das nicht notwendig sei: So reißt man Häuser heute nicht mehr ab, sondern betreibt „Rückbau“.

Aber das Schönreden ist nicht alles, auch Leistungen versuchen wir „schöner“ zu bewerten. So können Mitarbeiter heute nicht mehr nur zu 100% die Erwartungen erfüllen, sondern zu 140%.

Was bedeutet das aber für die Markenführung? Nun, der Trend wird von heutigen Marken längst reflektiert. Denken Sie an die jungen – digitalen aber auch nicht digitalen – Marken mit den niedlichen knubbligen Logos und der kindlichen Typografie. Und schauen sie, wie auch sehr etablierte Marken aus (quasi) seriösen Branchen ihnen folgen: Die Deutsche Bank hat gerade einen Teen-Look angenommen. Und Merck wirkt wie ein Relauch der Flint Stones.

In die Zukunft geschaut haben Sie zwei Optionen: Entweder Sie kopieren diese neue Kindlichkeit und Leichtigkeit. Oder aber sie setzen auf den Gegentrend und werden richtig seriös – schließlich werden wir uns möglicherweise irgendwann wieder aus unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit befreien.

Was hier der richtige Weg ist, weiß ich natürlich nicht. Insbesondere wenn es um die Zukunft geht kann ich nur sokratisch sagen: Ich weiß, dass ich nichts weiß – und auch das weiß ich nicht ganz sicher.

Autorin
Julika Prenzel, Executive Strategy Director bei Superunion Germany in Berlin

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Als führende Agentur für Branding, Brand Experience und Design bietet Superunion Germany Creative Brand Transformation, Innovation Management und Brand Experience-Konzepte für Marken und Unternehmen. In Deutschland ist die Agenturgruppe in den Metropolen Berlin, Hamburg und München zu finden.

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