Blog-Eintrag -

Das Geschäft mit der Nachhaltigkeit

Luxusmarken bekommen ein Problem, wenn ihr Image von Sorglosigkeit und Perfektion angegriffen wird. Gerade Social Media tragen in den letzten Jahren stark dazu bei, dass Greenwashing oder unbedachter Umgang mit Ressourcen in der Herstellung öffentlich gemacht werden. Schon in ihrem eigenen Interesse müssen Luxusmarken also stark an ihren Produktionsbedingungen arbeiten!

Die neuen Werte

Ohnehin hat sich die Einstellung zu Konsum in unserer postkapitalistischen Gesellschaft stark geändert: Für eine ganze Generation von Konsumenten werden immaterielle Qualitäten wie Selbstbestimmung, Individualität, Zeit, Gesundheit und Wohlbefinden sowie Erlebnisse immer selbstverständlicher. Die Schlagworte der Stunde sind Mindfulness und Minimalismus. Produkte müssen diesem neuen Luxusverständnis entsprechen – der Fokus liegt auf dem Essentiellen, auf Einfachheit und der Verwendung wenig bearbeiteter Rohmaterialien.

In keinem Sektor wird das Thema Luxus traditionell so divers diskutiert wie in der Mode. Lange schloss der schnelllebige Trendkalender Gedanken an Nachhaltigkeit kategorisch aus.

Der steigende Anklang von Heritage Brands, die auf Craftsmenship setzen, belegt exemplarisch, dass authentische Produktion fernab des Massenmarkts auf breiten Zuspruch trifft. Auch im Prêt-à-porter-Segment ist dieser Trend spürbar: Tom Ford verzichtet im Sinne des Quiet Branding auf Logos, Maison Martin Margiela definiert sich über bekannte Design-Codes wie Raw Hems und die berühmten vier Heftstiche des Etiketts – mehr braucht es nicht. Customization, wie bei Levi’s Made & Crafted, schafft Unikate. Selbstverwirklichung und emotionale Bindung tragen ebenso zur Langlebigkeit des Produkts bei.

Der wohl bekannteste Verfechter dieser Strömung ist Vetements Demna Gvasalia: Er bezieht Stellung gegen den Saison-Markt und plädiert für Nachhaltigkeit im Luxussektor. Trotz vierstelliger Preise kommt die Botschaft an.

Tobias Phleps, CEO der Brand Experience Agency Brand Union Germany, beschäftigt sich schon lange mit dem Thema und hilft Marken bei der Positionierung im Luxussegment.

Herr Phleps, welchen Chancen und Herausforderungen stehen Marken auf dem Weg zur Nachhaltigkeit gegenüber?

Tobias Phleps: Luxus im Sinne der Exklusivität kleiner Auflagen und der Wertschätzung des Handwerks bietet eine besondere Chance, nachhaltig zu sein. Die Fertigung für den Massenmarkt ist die eigentliche Herausforderung für den nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen. Hierfür müssen Strategien entwickelt werden.

Konventionelles Luxusbranding hat seine Wirksamkeit also verspielt?

Tobias Phleps: Durch die Erweiterung des Portfolios von Luxusmarken mit Diffusion Lines, aber auch hochwertigen Fälschungen und Verleih-Services sind Logos heute kein Symbol für Wohlstand mehr. Under the Radar und Niche Brands stehen für Understatement und subtile Signale, z.B. Selfridges ‚No Noise Initiative‘ oder Bottega Veneta.

Voneinander abheben wollen sich diese Marken aber nichtsdestotrotz...

Tobias Phleps: Quiet Branding ist die neue Herausforderung für die Markenkommunikation. Es müssen neue Kennzeichen für Luxusgüter entwickelt werden. Wichtig ist es, den richtigen Ton und eine spitze Kommunikation für diese ‚Stille‘ zu finden, um durch das andauernde Rauschen der Kanäle und die marktschreierische Kommunikation vieler Luxusgüter zu dringen.

Less talk, more action?

Tobias Phleps: Exakt. Luxusgüter werden leiser und subtiler. In den gesättigten, westlichen Industrienationen reflektieren die neuen Codes der Luxuswelt ein Verständnis für das Verant-wortungsbewusstsein gegenüber Gesellschaft und Umwelt.

Nachhaltigkeit als elitäre Abgrenzung – ein Konflikt?

Tobias Phleps: Nachhaltige Güter werden von einer Elite zur Abgrenzung genutzt. Man ‚leistet’ sich die Nachhaltigkeitsoption, weil sie eben teurer und dadurch exklusiver ist als ihre Ressourcen ausbeutenden Alternativen. Dieses Verständnis durchdringt alle Aspekte des Lebens von Kleidung zu Lebensmitteln bis zu täglichen Gebrauchsgegenständen. Für unsere Kunden haben wir dieses Konzept vor Kurzem einmal praktisch umgesetzt: Gemeinsam mit einer Glaskünstlerin hat Brand Union Germany eine Wasserflasche entwickelt. Jede einzelne ist ein Unikat aus Handarbeit, als limitierte Auflage mit einer Seriennummer versehen und eine stilvolle nachhaltige Alternative zu konventionellen Flaschen.

Nachhaltige Produkte sind mittlerweile Statussymbol.

Tobias Phleps: Ein Konflikt, denn nachhaltiges Konsumverhalten muss allen zugänglich sein, um die Zukunft zu sichern. Dieser Konflikt lässt sich jedoch positiv umkehren, wenn Nachhaltigkeit als Statussymbol ‚gebrandet‘ wird und zunehmend Begehrlichkeiten weckt, z.B. Leogant Wasserfiltersysteme oder Muun Matratzen. Der Einsatz kommunikativer Codes aus der (neuen) Luxuswelt erhebt Nachhaltigkeit zum Statussymbol. Nachhaltigkeit wird zum erstrebenswerten und abgrenzenden Produktmerkmal für die Influencer. Sukzessive erreicht Nachhaltigkeit den Mainstream, wenn sie als Symbol des gesellschaftlichen Aufstiegs etabliert ist.

Nachhaltigkeit ist demnach kein Spielverderber mehr?

Tobias Phleps: Klischeehafte Widersprüche wie «Gesund kann nicht lecker sein», «Modisch ist nicht ökologisch» oder «Fahrspaß ist nicht umweltverträglich» werden aufgelöst. Ethisch verantwortungsvoller Genusskonsum geht einher mit ökologischen Hochtechnologien und fairem Umgang mit Lieferanten und Mitarbeitern.

Welche Märkte sind hierbei am spannendsten?

Tobias Phleps: Generell ist die Schweiz die Speerspitze der Luxusentwicklung. Sie hat das postmodernste, immateriellste Luxusverständnis, die Österreicher hingegen das ökologischste und die Deutschen das materiellste. Für große Teile der Welt – insbesondere die nicht gesättigten Märkte wie Asien – bleibt Protz und Prunk noch der Inbegriff von Luxus. Hier greifen für Marken nach wie vor dieselben Mechanismen. Diese Luxusattribute werden sich aber auf Dauer auch in den nicht gesättigten Märkten, wie beispielsweise China, kaum halten können. Die Oberschicht der aufstrebenden Märkte wird sich mittelfristig an den von den Industrienationen etablierten neuen Luxuskennzeichen orientieren, was in Hongkong z.B. bereits sichtbar ist – allein schon der globale Ressourcenmangel wird die Entwicklung forcieren.

Weitere Informationen und Projekte finden Sie unter:

www.brandunion.com/berlin

www.brandunion.com/hamburg

www.mynewsdesk.com/de/brand-union-germany

www.facebook.com/brandunion.germany 

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