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Forum - das Wochenmagazin: "Die Digitalisierungslüge"

Holger Trocha über die "Die Digitalisierungslüge: 

Deutschland liegt abgeschlagen hinter Angola und Mexiko. Zumindest beim schnellen Internet. In vielen Regionen fehlt es an den nötigen Leitungen. Statt gleich auf Glasfasertechnik zu setzen, optimieren viele Anbieter – auch die Telekom – ihre Kupferkabel. Doch selbst das funktioniert nicht überall.

„Wir müssen beim Thema Digitalisierung und Glasfaserausbau endlich richtig Dampf machen." Diese Forderung wiederholen alle möglichen Politiker gebetsmühlenartig – nicht zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen mit Funktionären des DGB im Mai. Doch trotz Übereinstimmung über alle Parteigrenzen hinweg sieht die Realität in Deutschland ganz anders aus: Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind im Sommer 2018 gerade mal 750.000 Gebäude im Land direkt ans schnelle Glasfasernetz angeschlossen. Besonders schlimm ist die Lage auf dem Land. „Wir leben hier beim Thema Digitalisierung wie vor 20 Jahren", sagt IT-Unternehmer Jens Vögling aus dem hessische Rotenburg an der Fulda. „Ohne Glasfaser gibt es keine Digitalisierung! Und vom Ausbau der Telekom mit Glasfaser sind wie hier in etwa so weit entfernt wie ich es vom Mond bin." Ein Einzelfall? Zeit für eine Bestandsanalyse in Sachen „schnelles Internet" quer durch die Republik.

Katastrophale Lage

Ein Freitagnachmittag im Mai. Der Himmel in Berlin-Spandau ist blau, das Thermometer hat die 25-Grad-Marke geknackt. Krankenschwester Nicole Cerne (34) hat sich einen Tag Urlaub genommen, denn heute will die Deutsche Telekom endlich den seit Monaten versprochenen Internet- und Festnetzanschluss aufschalten. „Zuerst fand die Telekom unsere Hausnummer in ihrem System nicht, dann war kein Router fürs Glasfaserinternet verfügbar, dann war kein Mitarbeiter verfügbar. So ging es über Monate. Ich und mein Freund mussten übers Handy telefonieren, haben einen mobilen Internetrouter installiert." So wie Nicole Cerne geht es zu diesem Zeitpunkt gut 200 anderen Berlinern, die ihre neuen Wohnungen auf der Berliner Insel Eiswerder an der Havel bezogen haben. Cerne: „Viele Nachbarn wollten ihre alten Anschlüsse mitnehmen, bei keinem hat es funktioniert." „Es ist eine Katastrophe", findet auch Bauleiter Rudolf Schimmer. „Wir hatten die Telekom damit beauftragt, Glasfaser bis zum Gebäude zu verlegen. Jetzt kommen die damit einfach nicht mehr klar. Das kenne ich schon von anderen Baustellen."

In Nicole Cernes Wohnung klingelt an diesem Tag pünktlich um 16 Uhr der Telekomtechniker. „Was dann passiert ist, war schlichtweg eine bodenlose Frechheit", ärgert sich Cerne noch heute. „Der sagte mir, er sei ein freier Mitarbeiter und ein Kupferkabelmann und habe nie etwas anderes gelernt – Glasfaser könne er nicht anschließen." Cernes Anschluss bleibt stumm. Der Krankenschwester platzt vollends der Kragen: Noch am gleichen Tag kündigt sie ihren Vertrag und wechselt den Anbieter.

„Der Fall ist sehr bezeichnend", weiß Dennis Slobodian, Referent für die Kommunikation beim Uternehmen Deutsche Glasfaser. „Die Deutsche Telekom predigt Glaserfaser und optimiert oftmals bloß ihr bestehendes Kupfernetz auf der letzten Meile, um Geld zu sparen. Die bloße Optimierung alter Kupferkabel durch Vectoring ist aber keine langfristige Lösung der Breitbandfrage in Deutschland und bremst sogar den zukunftsfähigen reinen Glasfaserausbau. Das ist mit einer der Gründe, warum Deutschland aktuell in Sachen Breitbandversorgung mit zukunftssicherer Infrastruktur hinterherhinkt." Dass in Deutschland tatsächlich so etwas wie eine Breitband-Diaspora herrscht, zeigen mehrere Untersuchungen. Laut Statistica.com landet Deutschland beim Ländervergleich der schnellsten Internetzugänge gerade mal auf Platz 25. Das Netzwerk FTTH Council Europe (FTTH steht für „Fibre to the Home") kam im Auftrag der Europäischen Union zu einem noch schlimmeren Ergebnis: Ihm zufolge findet sich Deutschland auf einem der letzten Plätze wieder. Länder wie Mauritius, Angola, Mosambik, Uruguay, Russland und Mexiko stehen viel besser da. Laut den Forschern birgt das für die deutsche Industrie erhebliche Gefahren beim Wettbewerb. So könne zum Beispiel ein Maschinenbauer ohne superschnelle Datenleitung die Maschinen seiner Abnehmer nicht online warten. Das sei heutzutage eine Katastrophe....

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