Warum eine schnelle PR-Karriere oft schädlich ist

Neue Technik, neue Methoden, neue Kanäle – und ein Mangel an Fachkräften: Für junge Talente eröffnen sich in der PR derzeit riesige Karrierechancen. Aber Vorsicht: Wer mit viel Tempo aufsteigt, kann auch schnell ausbrennen.

Das Karrieretempo von Nachwuchskräften in der PR hat erkennbar zugenommen. Zum einem durch den demographischen Wandel. Aber auch den technischen Fortschritt, der „altgediente Hasen“ verdrängt. Gut zu sehen an den Nominierten der Aktion #30u30 des „PR-Report“, die seit 2013 jährlich die kreativsten und talentiertesten jungen Köpfe der PR-Branche sucht. An ihr ist abzulesen: Die Karrieren setzen inzwischen früher ein – und führen schon in jungen Jahren steiler nach oben.

Youngster sind der schnellen Zunahme von Verantwortung oft nicht gewachsen

Wie der Nachwuchs tickt, ist nicht nur in der PR-Branche zum entscheidenden Faktor geworden. Fachkräftemangel und eine nachwachsende Generation, die so völlig andere Ansprüche an ihre Work-Life-Balance stellt als jede zuvor, machen Personalern zu schaffen und stellen Arbeitgeber vor ungeahnte Schwierigkeiten. Und nicht selten befördert eine Gemengelage aus höherer Spezialisierung, mehr Anforderungen an IT- und digitale Kompetenzen sowie dem Ausstieg alter Hasen der Branche die Karriere von Youngstern in rasantem Tempo – vielleicht sogar schneller als es gut für eine adäquate berufliche Entwicklung wäre.

Oft geht das gut, manchmal aber eben auch nicht. Die Gefahr: Die jungen Talente fangen neu in einem Unternehmen an und verlangen früh nach viel Verantwortung, ohne sich der damit verbundenen Anforderungen bewusst zu sein. Sie unterschätzen die Belastung, die mit Verantwortung einhergeht. Die Arbeitgeber übertragen jungen Arbeitskräften die geforderte Verantwortung, um sie nicht zu verlieren. Letztlich sind nicht alle Neuzugänge dem gewachsen, brennen schon nach kurzer Zeit aus und kündigen.

Das ist per se problematisch, aber gerade in der PR können sich daraus besonders unangenehme Zustände entwickeln:

  1. Kaum eine Abteilung hängt mehr an der Unternehmenskultur als die PR – soll sie diese doch nach draußen publik machen. Dies ist mit einer Organisation, die laufend von personellen Neustarts gekennzeichnet ist, nur schwer möglich.
  2. PR-Abteilungen sind von Natur aus komplex, die aktuelle Kanalvielfalt, die Folgen der Digitalisierung, KI sowie das Umfeld stellen immer höhere Anforderungen an das Ergebnis von Kommunikation. Diese Differenzierung der Arbeit ist schwer zu beherrschen und vor allem schwer zu orchestrieren. Etats und Budgets sind von Natur aus immer zu knapp, es ist viel Improvisation, Feingefühl und Support durch externe Dienstleister und Software nötig, um das Lastenheft täglich erfüllen zu können.
  3. Nicht zuletzt: Kommunikations-Profis sind rar und die Kolleginnen und Kollegen von Natur aus gut vernetzt. Schnelle Karrieren, die am Ende aber nicht reüssieren und in einem Unternehmen regelmäßig abrupt enden, sprechen sich schnell rum und beschädigen nicht nur eine konsistente Kommunikationsarbeit, sondern schlicht auch das Image des Arbeitgebers.

Nico Kunkel ist Experte für Talententwicklung in der PR-Branche. Seine Diagnose in der Mynewsdesk-Studie „PR und Kommunikation in Deutschland 2024“: „Durch soziale Medien sind Karrieren transparenter geworden, was Talente dazu verleitet, sich stärker als früher mit ihren Peers zu vergleichen. Talente wissen zudem, dass sie in der Branche gebraucht werden. Damit sind sie auf den ersten Blick in einer komfortablen Position, stehen jedoch oft auch unter dem Druck, einen möglichst guten Deal zu machen.“

Journalist Kunkel war zunächst als Chefredakteur der Fachzeitschrift „PR Report“ tätig und arbeitete redaktionell mit jungen Talenten aus der Branche. Im Jahr 2012 hat Kunkel die Nachwuchsinitiative #30u30 ins Leben gerufen – ursprünglich als Wettbewerb, aus dem inzwischen eine Community hervorgegangen ist, die in der Kommunikationsbranche junge Talente recherchiert, anspricht und sich für deren Förderung einsetzt.

„Spezialisierter, arbeitsteiliger und stärker schnittstellenorientiert arbeiten“

„Die Ansprüche an moderne Kommunikationsarbeit steigen, sie wird komplexer“, sagt Kunkel. „Damit ändert sich auch das Berufsbild von Kommunikationsprofis, die spezialisierter, arbeitsteiliger und stärker schnittstellenorientiert arbeiten. Es ist schlicht nicht ratsam, alles mit nur einem Berufsbild abzubilden.”

Es ist kein Wunder, dass sich viele der Befragten aus der Mynewsdesk-Studie von zahlreichen Verantwortlichkeiten und Veränderungen bei ihrer beruflichen Rolle zunächst überfordert fühlen. Ab und an kehren manche aus diesem Grund der Branche sogar den Rücken. Wie lässt sich das Arbeitsleben besser gestalten? Wie können wir Menschen dazu motivieren, in die PR- und Kommunikationsbranche einzusteigen und auch dort zu bleiben? Die Debatte ist eröffnet.

„Es liegt an Ihnen als Fachkraft, Ihre Rolle in die Hand zu nehmen. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, wo Sie Ihre beruflichen Schwerpunkte setzen und was Sie erreichen möchten, aber auch darüber, für welche Bereiche Sie nicht geeignet sind oder wo Sie sich nicht engagieren möchten“, sagt Experte Kunkel.

Arbeitgeber müssten ihrerseits offener werden für individuelle Karrieren. Viele Unternehmen hielten auch heute noch an der Vorstellung fest, dass die Berufslaufbahn ihrer Mitarbeitenden einem bestimmten Schema mit festgelegten Phasen folgen sollte. Kunkel findet: „Wenn Arbeitgeber Talente anziehen und an sich binden wollen, müssen sie sie verstehen, ihnen zuhören und sie dabei unterstützen, ihre beruflichen Schwerpunkte weiterzuentwickeln und ihre Karriere voranzutreiben. Gleichzeitig müssen sie darauf achten, den Neuzugängen nicht mehr Verantwortung zu übertragen, als diese stemmen können.”

Langeweile auch mal annehmen

Loredana Julia Schelper ist Senior Consultant bei der Agentur Hill + Knowlton Strategies – und eine der #30u30 Nachwuchstalente der deutschen Kommunikationsbranche des Jahres 2023. Sie findet: „Ein Top-Arbeitgeber muss … die Bedürfnisse und Ambitionen der Mitarbeitenden – besonders der jungen Talente – verstehen und erfüllen. Das steht und fällt mit qualifizierten, empathischen Führungskräften, die Möglichkeiten zur individuellen Entwicklung bieten und ein Umfeld, das auf Zusammenarbeit, Innovation und persönlichem Wachstum basiert.“ Ein guter Rat aus ihrem Berufsleben: „Langeweile anzunehmen. Was sich zunächst kontraproduktiv anhört, ermöglicht es mir stattdessen, mir Zeit zum Nachdenken und Kreativsein zu nehmen. Ich finde es wichtig, ab und zu meinen Gedanken die Freiheit zu geben, umherzuwandern und neue Perspektiven einzunehmen.“

Wohl am schädlichsten wäre wohl die Entwicklung, dass PR-Youngster nur deshalb Karriere machen, weil die erfahreneren Kollegen nach und nach die Segel streichen, weil der Job sie zu überfordern droht. Scheitert das junge Talent am Karrieresprung und seiner frühen Verantwortung, war es für ihn vielleicht noch eine coole Erfahrung. Der Arbeitsmarkt nimmt ihn aktuell dankbar wieder auf. Für den Arbeitgeber bleibt ein Vakuum zurück und viel Aufbauarbeit mit dem nächsten Kandidaten.

Ergo: Konzentration auf das Wesentliche, ein adäquates Budget sowie ein passendes Team sind für die PR-Arbeit alternativlos – praktische Software-Tools und die Vorteile Künstlicher Intelligenz können dabei maßgeblich helfen und unterstützen.