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Netzneutralität in den USA - Kann die Kritik in Social Media einen Gesetzentwurf kippen?

Der Vorstoß der amerikanischen Kommunikationsbehörde FCC zur Neuregelung der Netzneutralität hat in den vergangenen Tagen für hohe Wellen in den sozialen Netzwerken gesorgt. Am 14. Dezember will der neue Chef der FCC, Ajit Pai, über den Entwurf mit dem Titel „Restoring Internet Freedom Order“ abstimmen lassen. Dahinter steckt auch eine grundsätzliche Frage der amerikanischen Politik in der Auseinandersetzung zwischen Republikanern und Demokraten. Fraglich ist nun, inwieweit die Diskussionen im Netz in den kommenden Tagen geeignet sein werden, dieses Thema zu beeinflussen.


Die Ausgangslage

Die Debatten um die Netzneutralität in den USA und auch in Europa sind nicht neu. Bereits seit mehreren Jahren wird hier darüber diskutiert, ob es den Internetprovidern gestattet ist, unterschiedliche Netzinhalte bevorzugt behandeln zu können. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass für bandbreitenintensive Seiten wie Youtube oder Mediatheken ein zusätzliches Entgelt nötig würde. Das könnte aber ebenso bedeuten, dass ein Anbieter die Nutzung seiner eigenen Inhalte gestatten und die Inhalte seiner Wettbewerber ausschließen könnte.

Bislang ist dies verboten, was zur Folge hat, dass Endkunden ihre Zugänge frei und ohne Einschränkungen nutzen können. Da jedoch die Inhalte, die im Internet abgerufen werden, kontinuierlich mehr Bandbreite benötigen und damit immer mehr Infrastruktur vorgehalten werden muss, wird von Seiten der Netzbetreiber immer wieder gefordert, diesen Mehrbedarf an Infrastruktur entsprechend auch in die Tarife einfließen lassen zu können. Die Kritiker sehen darin nichts anderes als eine Zensur und beharren auf der Freiheit des Internets.

Die Reaktionen

Bereits seit längerem hat sich dagegen auch ein zentraler Protest gebildet. Auf der Seite battleforthenet.com wird dazu aufgerufen, die eigenen Abgeordneten zu kontaktieren und gegen die geplanten Änderungen zu protestieren. Große Internetunternehmen wie Amazon und Mozilla beteiligten sich bereits im Sommer an Aktionen. Auch der TV-Entertainer John Oliver hat bereits mehrfach in seiner Sendung das Thema aufgegriffen und die Zuschauer dazu aufgefordert, aktiv zu werden. So wurde das entsprechende Konzept, welches Online zur Einsicht steht, mittlerweile von knapp 5 Millionen Usern kommentiert.

Der Vorsitzende der FCC Ajit Pai, der Anfang des Jahres von Präsident Donald Trump eingesetzt worden war, gilt seit jeher als Gegner der Netzneutralität. Am 21. November hat die FCC nun angekündigt, dass es am 14. Dezember zur Abstimmung über die neuen Regelungen kommen soll. Daraufhin folgte ein ausgewachsener Protest in den Sozialen Netzwerken, der erkennen lässt, dass in den kommenden Tagen bis zur endgültigen Abstimmung noch weitere Aufregung folgen dürfte.

Alleine in den zwei Tagen nach der Veröffentlichung der FCC wurden knapp 3 Millionen Posts zu den Themen "Net Neutrality" beziehungsweise "FCC" veröffentlicht. In der Spitze wurden dabei fast 100.000 Beiträge pro Stunde gepostet.

Dabei ist die Diskussion insbesondere auf Twitter sehr ausgeprägt. Gleich mehrere Tweets zu diesem Thema haben am 22. und 23. November mehr als 100.000 Likes und Retweets erhalten. (Zum Größenvergleich: Barack Obamas erfolgreichster Tweet aller Zeiten hat etwa 1,7 Millionen Retweets und 4,5 Millionen Likes erhalten.)

Zu den reichweitenstärksten Usern gehören dabei insbesondere Medienschaffende wie Bill Prady, Executive Producer von The Big Bang Theory, oder der Schauspieler Mark Ruffalo und andere Influencer, darunter auch der weltweit populärste Youtuber pewdiepie. Aber auch Unternehmen, die von diesen Regelungen betroffen sein werden, haben erste Statements veröffentlicht, wie zum Beispiel der Streamingdienst Netflix.

Der politische Einschlag dieses Themas ist natürlich auch nicht zu verkennen. Julian Assange, Gründer der Plattform Wikileaks, hat sich ebenso geäußert wie der US-Demokrat Bernie Sanders auf Facebook.

Besonders eindrucksvoll gestaltete sich der Protest der Internetnutzer jedoch auf der in den USA sehr populären Plattform Reddit. Hier wurde die gesamte Startseite, auf der die populärsten Beiträge stehen, von Kommentaren und Hinweisen auf die Kampagne "Battle for the Net" überschwemmt. In mehreren zehntausenden Kommentaren drückten die Reddit-User ihre Kritik aus.

Insgesamt erreichte das Thema allein in den Sozialen Netzwerken eine theoretische Brutto-Reichweite von mehr als 10 Milliarden über die letzten 7 Tage.

Der Ausblick

Zunächst war die Kritik nur in den Sozialen Medien präsent, während die klassischen Medien (Online und Print-News, TV) nur untergeordnet berichteten. Das mag jedoch auch dem Feiertag Thanksgiving am 23. November geschuldet sein, an dem kritische Themen eher nicht aufgegriffen werden. Typischerweise lassen sich bei solchen Aufregerthemen in den Sozialen Netzwerken mittel- oder kurzfristig Spillover-Effekte beobachten, das bedeutet, dass ein solches zunächst nur in den Sozialen Netzwerken diskutiertes Thema auch von anderen Kanälen und Medien aufgegriffen wird. Mittlerweile haben sich zahlreiche Internetunternehmen, darunter eben jenes Reddit, AirBnb, Shutterstock, Tumblr und Twitter, zusammen getan, um die Kritik ihrer eigenen User in einem Brief an die FCC kund zu tun und die Entscheider dazu aufzufordern, vom eigenen Kurs abzurücken. Auch die klassischen Medien berichten jetzt verstärkt über das Thema und haben es auf ihre Frontpages gehoben.

Eine Vorhersage zur Entscheidung am 14. Dezember – Kommt es zur Neuregelung?

Daher erscheint es derzeit fraglich, wie sich dieses Thema in den kommenden Tagen bis hin zur Entscheidung am 14. Dezember weiter entwickeln wird. Ob die FCC in dieser Sitzung am 14. Dezember nun die Änderungen an den Regelungen zur Netzneutralität vornehmen wird, erscheint zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss.

In den Sozialen Netzwerken ist das Thema derzeit, nach den zwei starken Tagen am 22. und 24. November wieder abgeflaut. Für den weiteren Verlauf und eine erneute Belebung scheint daher vor allem die weitere Einflussnahme berühmter oder bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, mithin also der klassischen Influencer, von Bedeutung. Zu beobachten ist nun, ob weitere reichweitenstarke Akteure sich äußern und zu Aktionen aufrufen. Das gilt insbesondere für das amerikanische Fernsehen und die großen Tech-Unternehmen.

Es stellt sich zudem die Frage, wie sich die Republikaner als derzeit bestimmende Kraft in der amerikanischen Gesetzgebung in dieser Frage in den kommenden Tagen positionieren werden. Hier war bislang wenig zu vernehmen, jedoch hat sich eine erste republikanische Senatorin nunmehr ablehnend geäußert.

Falls es zu der geplanten Reform in den USA kommen sollte, dürfte die Diskussion über die Netzneutralität auch in Deutschland wieder an Fahrt gewinnen. Bislang war dies hierzulande vor allem bei Mobilfunkverträgen ein Thema, wo die Provider entsprechende Zusatzdienste wie Streamingfunktionen, die sich nicht auf das Datenvolumen auswirken, anbieten. Sollte die FCC ihre Pläne umsetzen und sollte es damit zu neuen Angebotsstrukturen in den USA kommen, ist zu erwarten, dass damit auch in Deutschland eine Veränderung des Internetzugangs diskutiert werden dürfte.

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Autor: Christian Benzig, ARGUS DATA INSIGHTS Deutschland

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