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Zuversicht zur Zeitenwende?

Zuversicht zur Zeitenwende – was braucht es dafür?

Impulsvortrag von Dr. Jan Janzen beim DPRG Takeoff 2020

Zuversicht zur Zeitenwende? Betrachtet man die uns gerade umgebenden Zeiten hinsichtlich der Medienlandschaft, muss man sicherlich zustimmen, dass wir einer Zeitenwende beiwohnen. Ob man dagegen ebenso vorbehaltlos von Zuversicht ausgehen kann, ist schon weniger offensichtlich. Sicherlich würden die meisten von Ihnen zustimmen, dass mediale Informationen alle Arten von Entscheidungen stärker prägen als jemals zuvor. Was wiederum impliziert, dass derjenige, der die mediale Klaviatur gut zu nutzen weiß, Entscheidungen derzeit besonders stark beeinflussen kann – und das ist ja letztlich das Ziel einer jeden Organisation. Auf der anderen Seite sind aber nahezu keine Buzzwords, die derzeit für die mediale Zeitenwende im Umlauf sind, genuin positiv besetzt: Filterblasen, Hate-Speech, Beschleunigung, Fragmentierung etc.

Kurz: Die Kontrollierbarkeit von Kommunikation erscheint immer schwieriger – eine These im Übrigen, die wir in unserer Rolle als Evaluatoren mit vielerlei Fakten unterstützen können. So durfte ich im letzten Jahr im Arbeitskreis Kommunikation & Wertschöpfung den Teilaspekt der immensen Fragmentierung im Bereich Social Media mit recht eindrücklichen Zahlen untermauern.

Die Behaglichkeit, die von der Vorstellung ausgeht, dass Unternehmen und Organisationen ihre mediale Wahrnehmung langfristig und weitgehend ungestört planen können, erscheint mithin als Schnee von gestern.

Wie zeigt sich das konkret? Strategische Planungen werden inzwischen so oft von kurzfristig notwendigen Aktionen konterkariert, dass das eher die Regel als die Ausnahme zu sein scheint. Ebenfalls immer häufiger zeigt sich, dass intendierte Zielgruppen überhaupt kein Interesse an den scheinbar für sie maßgeschneiderten Themen haben, sondern ganz andere Gruppen, auf deren Bedürfnisse man dann umgehend umstellen muss. Und last but not least erreichen aufgrund der medialen Dynamik absolut entscheidende Themen Organisationen erst zu einem Zeitpunkt, an dem sie nahezu in Echtzeit reagieren müssen, um die Debatte noch maßgeblich prägen zu können.

An einem ganz wesentlichen Punkt stelle ich derzeit in verschiedenen Kundenprojekten bezüglich genau dieser Herausforderungen eine Überforderung fest. Und zwar wird der Bereich der Unternehmenskommunikation oft als eine der letzten Bastionen wahrgenommen, in denen es noch echte „Alleskönner“ gibt: Mithin Personen, die – um nur auszugsweise die nötigen Skills zu nennen – gleichsam strategische Weitsicht, mediales Know-how, eine passgenaue Ansprache aller einzelnen Zielgruppen und Datenaffinität im Portfolio haben. Nichts deutet für mich darauf hin, dass diese eierlegenden Wollmilchsäue im Bereich der PR noch zu finden sind.

Um zu verstehen, wie spezifisch die nötigen Skills jeweils geworden sind, muss man nur auf ein paar Beispiele blicken.

Um etwa die Beschleunigung hinreichend meistern zu können, ist ein Verständnis nötig, das uns erlaubt, den ständigen Drahtseilakt zwischen strategischem Fit und taktischer Weichenstellung zu vollziehen. In diesem Zusammenhang wird meist sehr laut die Erforderlichkeit von Delegierung und mutigen Entscheidungen hervorgehoben. Wenn aber konsequent, mutig und schnell die falschen Entscheidungen getroffen werden, erkaltet das Organisationsinteresse an flachen Hierarchien und freien Entscheidungsfindungen zumeist relativ schnell wieder.

Um laufende Kommunikation managen zu können, muss man nicht nur selber Themen treiben, man muss auch zuhören, oft sogar zwischen den Zeilen lesen und beides in ein angemessenes Verhältnis bringen. Die hier den Ausschlag gebende Fragmentierung der Zielgruppen macht einen kontinuierlichen Abgleich erforderlich, ob es überhaupt noch die vermeintliche Zielgruppe ist, mit der man interagiert. Sollte man in Bezug auf die Themen, die man anbietet, heraushören, dass andere Gruppen in den Dialog eintreten, muss man schnell und wendig die Ansprache auf deren Interessen abstimmen können.

In meinen Augen legen diese Überlegungen eindrücklich nahe, dass auch in PR und Kommunikation die Ära des Generalisten endgültig vorüber ist. Will man alles nötige Wissen so im Team haben, dass man ohne kaskadierende Freigabeschleifen kurzfristig handlungsfähig ist, muss man für alle Bereiche Experten ins Team holen. Dem Vorhandensein alles nötigen Wissens ist somit konsequent der Vorzug zu geben vor dem Wunsch nach einer möglichst leanen Payroll.

Warum insistiere ich so auf diesem Thema? Weil ich der Meinung bin, dass einer Aufstellung von Kommunikationsteams, in der diese Arbeitsteilung umgesetzt wird, tatsächlich eine der absoluten Schlüsselfunktionen zukommt, um zuversichtlich mit der uns umgebenden Zeitenwende umzugehen. Allerdings nur, wenn diese Arbeitsteilung explizit das Vertrauen einschließt, dass der jeweilige Experte die richtige Entscheidung treffen wird.

Warum haben diese Teams besonders großen Impact, um die immer stärker medial vermittelte Entscheidungsfindung im Sinne ihrer Organisation zu beeinflussen? Sie bieten eine optimale Rückkopplung mit der Außenwelt der Organisationen. Oder anders: Sie minimieren das Risiko, beständig zwischen Elfenbeintürmen und Luftschlössern umzuziehen. Denn sie lassen die Informationen der Außenwelt schnell, ungefiltert und strukturiert in die Organisation gelangen. Zudem werden Fehler schneller erkennbar – an dieser Stelle könnte man noch all die zeitgenössischen Buzzwords anführen, die für derartige Ansätze geprägt wurden: Rapid Prototyping, Agilität, Design Thinking etc.

Um abschließend noch einmal auf meine Branche zurückzukommen denke ich, dass sich die neue Rolle der Agenturen als konsequente Verlängerung des gerade beschriebenen Paradigmas verstehen lässt: Agenturen sind Experten der Kompetenzbereiche, für die sie jeweils engagiert wurden. Media Intelligence Agenturen mithin dafür, die außerhalb der Organisation befindlichen Informationen gesammelt und verdichtet an die richtigen Stellen der Organisationen zu transportieren. Analog zu den weiteren Teilen des Teams sollten sie keine externen Erfüllungsgehilfen, sondern echte Teile des Teams sein, die transparent in alle Entscheidungsprozesse einbezogen werden, in denen sie helfen können.

Egal also ob genuines Kommunikationsteam oder Agentur, derjenige kann zuversichtlich sein, der die immer stärker medial beeinflussten Entscheidungsfindungen versteht und weiß, wo er steuern, wo er moderieren und wo er nur zuhören muss. Nur dann stehen die Zeichen wirklich gut, um das Beste aus der jetzigen Zeitwende machen.

Jan Janzen studierte Mathematik, Logik & Wissenschaftstheorie und Philosophie in München, Boston und Berlin und promovierte mit einer Arbeit zur Argumentationstheorie. Bevor er 2012 zu ARGUS DATA INSIGHTS kam, war er hauptsächlich in Berliner Marketingagenturen wie diffferent und aperto tätig. Mittlerweile ist er Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Analyse & Consulting. Er führt ein Team bestehend aus rund 110 Mitarbeiten.

Der DPRG Takeoff zum Thema "Zuversicht zur Zeitenwende" fand am 24.01.2020 in Berlin statt. Impressionen von der Veranstaltung finden Sie hier.

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Juliane Gehrke

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