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Der Deutsche Gutachter und Sachverständigen Verband - Das Sprachrohr der Immobiliensachverständigen

Pressemitteilung -

Geplante Beschränkung auf öbuv-Sachverständige im Referentenentwurf zur Änderung der EStDV

Stellungnahme

zum Referentenentwurf zur Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV)

eingereicht durch den
Deutschen Gutachter und Sachverständigen Verband e.V.

I. Einleitung

Der Deutsche Gutachter und Sachverständigen Verband e.V., die Interessenvertretung der Sachverständigen im Bereich der Immobilienbewertung, nimmt den vorliegenden Referentenentwurf zur Änderung der EStDV mit erheblicher Besorgnis zur Kenntnis.

Nach dem Entwurf sollen künftig Gutachten zur Kaufpreisaufteilung (§ 9b EStDV-E) und zum Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer (§ 11c EStDV-E) ausschließlich durch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige im Sinne der §§ 36, 36a GewO gefertigt werden dürfen.

Diese vorgesehene Einschränkung begegnet nach unserer Bewertung erheblichen rechtlichen, verfassungsrechtlichen, unionsrechtlichen und verwaltungspraktischen Bedenken.

II. Rechtliche und fachliche Einwendungen

1. Widerspruch zum Gesetzesvorrang

Die geplante Regelung steht in unmittelbarem Konflikt mit § 198 Abs. 2 Satz 2 BewG, der 2021 ausdrücklich um die Anerkennung ISO/IEC 17024-zertifizierter Sachverständiger ergänzt wurde. Diese gesetzliche Regelung wurde im parlamentarischen Verfahren als Maßnahme zur Qualitätssicherung sowie zur Entlastung der Verwaltung eingeführt. Eine untergesetzliche Verordnung darf den klar erkennbaren gesetzgeberischen Willen nicht unterlaufen. Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die EStDV vielmehr am Gesetz auszurichten.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken

Die intendierte Beschränkung stellt eine faktische Vereitelung der Nachweisrechte der Steuerpflichtigen dar. Nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) sind Steuerpflichtige berechtigt, eine abweichende Kaufpreisaufteilung sowie eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer nachzuweisen. Angesichts des unzureichenden Pools an öbuv-Sachverständigen würde dieses Recht praktisch ausgehöhlt. Dies ist verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.2006 – 1 BvL 10/02).

3. Vertrauensschutz und Rechtssicherheit

Seit Inkrafttreten von § 198 Abs. 2 BewG im Jahr 2021 haben zahlreiche ISO/IEC 17024-zertifizierte Sachverständige erhebliche Investitionen in Fortbildungen, Zertifizierungen und in den Geschäftsausbau getätigt. Diese Investitionen erfolgten im Vertrauen auf die Beständigkeit der geschaffenen Rechtslage. Ein Rückschritt ohne zwingendes öffentliches Interesse verstößt gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2012 – 1 BvL 18/11).

4. Fehlende Notwendigkeit für eine Einschränkung

Es liegen keine objektiven Anhaltspunkte für Qualitätsdefizite oder Missbrauch innerhalb des ISO/IEC 17024-Systems vor. Die beabsichtigte Rücknahme der Öffnung von 2021 entbehrt damit einer sachlichen Rechtfertigung und erweist sich als unverhältnismäßig.

5. Widersprüchliche Verwaltungspraxis

Die aktuell geltenden koordinierenden Ländererlasse zur Grundsteuer (AEGrStG, Stand 30.04.2025) erkennen ISO-zertifizierte Sachverständige ausdrücklich an. Der Ausschluss dieser Gruppe für einkommensteuerliche Bewertungen würde zu einer uneinheitlichen Verwaltungspraxis führen und damit Rechtssicherheit und Gleichbehandlung untergraben.

6. Eingriff in Berufsfreiheit und Gleichheitsgebot

Die vollständige Ausgrenzung ISO-zertifizierter Sachverständiger stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG dar. Ein sachlicher Differenzierungsgrund im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich, da sowohl die öffentliche Bestellung als auch die ISO-Zertifizierung gleichwertige Standards hinsichtlich Qualifikation, Neutralität und Qualität sicherstellen.

7. Europarechtliche Unvereinbarkeit

Der Referentenentwurf verletzt die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 56, 49 AEUV) sowie die einschlägigen Richtlinien (2006/123/EG – Dienstleistungsrichtlinie; 2005/36/EG – Berufsanerkennungsrichtlinie; 2018/958/EU – Verhältnismäßigkeitsrichtlinie). ISO/IEC 17024-Zertifikate sind unionsweit als Qualifikationsnachweise anerkannt. Ihre Diskriminierung widerspricht zudem der Rechtsprechung des EuGH (Cassis-de-Dijon) und dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

8. Keine empirisch belegten Qualitätsvorteile öbuv-Sachverständiger

Ein Vorsprung der öbuv-Sachverständigen in Bezug auf Qualität ist empirisch nicht belegt. ISO-zertifizierte Sachverständige unterliegen häufig strengeren Re-Zertifizierungs- und Überwachungsverfahren.

9. Marktverzerrende Wirkung

Durch den Ausschluss der ISO-zertifizierten Sachverständigen würden über 90% der derzeit am Markt tätigen qualifizierten Gutachter künftig von der Erstellung einkommensteuerlich relevanter Gutachten ausgeschlossen. Dies kommt einer Monopolisierung gleich und führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Marktverdrängung.

10. Überschreitung des Verordnungsrahmens

Der Verordnungsgeber überschreitet mit der geplanten Regelung den durch § 51 EStG gesetzten Delegationsrahmen. Die Frage, wer zur Erstellung steuerlich relevanter Gutachten befugt ist, betrifft das Berufsrecht und ist dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten. Mit § 198 BewG hat dieser bereits eine umfassende Öffnung normiert. Eine gegenteilige Regelung in der EStDV wäre ultra vires.

III. Zusammenfassung

Die geplanten Änderungen der EStDV führen zu erheblichen rechtlichen, verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und verwaltungspraktischen Problemen. Sie sind geeignet, unionsweit anerkannte Qualifikationen zu entwerten und die Rechte der Steuerpflichtigen wie auch die Berufsfreiheit der Sachverständigen in unzulässiger Weise einzuschränken.

Berlin, 23.08.2025
Deutscher Gutachter und Sachverständigen Verband e.V.

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