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Fall des Monats - Ärztinnen und Ärzte sind zu Hausbesuchen verpflichtet

Mein Großvater ist 86 Jahre alt und bettlägerig. Seit zwei Tagen hat er einen starken Husten, doch er kann selbst nicht mehr in die Arztpraxis fahren. Am Telefon habe ich von der Sprechstundenhilfe die Auskunft erhalten, dass der Arzt noch nie Hausbesuche gemacht habe und zurzeit dafür auch zu viel in der Praxis los sei. Wegen einer Erkältung werde er nicht quer durch die ganze Stadt fahren. Ich mache mir große Sorgen um meinen Großvater – darf der Arzt den Hausbesuch einfach ablehnen?

Linda W. aus Bochum

Ältere und pflegebedürftige Personen sind oft nicht mehr mobil genug, um für eine Untersuchung in die Praxis ihres Arztes oder ihrer Ärztin zu fahren. In Zeiten von Corona kommt die Angst hinzu, sich dabei mit dem Covid-19-Virus anzustecken. Lehnt der Arzt oder die Ärztin es ab, die Betroffenen zu Hause zu besuchen und dort zu behandeln, kann dies schwerwiegende Konsequenzen haben. Denn gerade bei älteren Menschen kann es unter Umständen lebensgefährlich sein, wenn Erkrankungen unbehandelt bleiben. Im Übrigen sind Hausärzte und –ärztinnen gegenüber gesetzlich Versicherten zu einer Behandlung im Rahmen von Hausbesuchen verpflichtet.

Hausbesuchspflicht: Voraussetzungen und Ausnahmen

Jeder Hausarzt und jede Hausärztin muss gesetzlich versicherte Patienten und Patientinnen zu Hause behandeln, sofern diese bettlägerig, gebrechlich und pflegebedürftig sind. Sie haben einen Anspruch darauf, dass der Hausarzt oder die Hausärztin für die Behandlung zu ihnen nach Hause kommt, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Es muss ihnen wegen einer Krankheit nicht möglich sein, die Arztpraxis aufzusuchen und eine Krankenbehandlung muss notwendig sein.

Auch Fachärzte müssen ihre Patienten und Patientinnen in den eigenen vier Wänden behandeln, sofern eine Erkrankung aus ihrem Fachgebiet den Besuch notwendig macht. Eine Ausnahme greift allerdings, wenn sich die Wohnung des Patienten oder der Patientin außerhalb des Praxisbereichs des Arztes oder der Ärztin befindet. In diesem Fall entfällt die Hausbesuchspflicht für Vertragsärztinnen und –ärzte. Unklar ist allerdings, ab wann die Grenze erreicht ist, denn eine genaue Kilometerangabe gibt es in den Berufsvorschriften für Vertragsärztinnen und –ärzte nicht. Grund dafür ist, dass die Grenzen der Praxisbereiche nicht überall gleich sind, sondern von der Siedlungsstruktur und der Arztdichte im betreffenden Gebiet abhängen.

Was können Betroffene tun?

Um für den konkreten Fall vorbereitet zu sein, kann es für Patientinnen und Patienten sinnvoll sein, bereits vorab mit dem Arzt oder der Ärztin zu klären, ob ihr Zuhause innerhalb seines oder ihres Praxisbereichs liegt. Anderenfalls können sie sich immer für einen anderen Arzt oder eine andere Ärztin entscheiden (freie Arztwahl). Es besteht die Möglichkeit, sich bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu beschweren, wenn der Arzt oder die Ärztin trotz erfüllter Voraussetzungen einen Hausbesuch verweigert. Zuständig ist die KV, in deren Bundesland der Arzt oder die Ärztin seinen beziehungsweise ihren Praxissitz hat. Betroffene sollten dabei allerdings bedenken, dass durch eine Beschwerde das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient dauerhaft gestört werden kann. Im schlimmsten Fall könnte der Arzt oder die Ärztin auch den Behandlungsvertrag kündigen. Langfristig gesehen kann eine Beschwerde aber dennoch sinnvoll sein. Denn nur, wenn die KVen vielen Fällen ärztlichen Fehlverhaltens nachgehen können, besteht die Hoffnung, dass die Situation sich verbessert.

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Markus Hüttmann

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