Pressemitteilung -

Keine Weiterbehandlung nach geschlechtsangleichender Operation für transidente Menschen: Unabhängige Patientenberatung kritisiert Systemversagen

Transidente Menschen haben nach Beratungserfahrung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) nach einer geschlechtsangleichenden Operation oft erhebliche Schwierigkeiten, für die anschließende Haarentfernung („Epilation“) einen behandelnden Arzt zu finden. Die von den Kassen gezahlte Vergütung für die Durchführung einer Epilation empfinden Ärzte oft als nicht attraktiv genug. Das kann betroffene Menschen vor große Probleme stellen: Wenn die Haarentfernung stattdessen in einem Kosmetikstudio durchgeführt wird, werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.

„Dass transidenten Menschen nach einer geschlechtsangleichenden Operation in der Praxis oft eine wichtige Weiterbehandlung verwehrt bleibt und sie damit in eine regelrechte Versorgungslücke fallen, ist sehr bedauerlich. Betroffene verstehen nicht, warum ihre Krankenkasse zwar die Operation bezahlt, aber die Kosten für die Haarepilation nicht übernehmen will“, sagt UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede, und führt aus: „Transidente Menschen gehören ohnehin zu einer gesellschaftlich vulnerablen Gruppe und sind im Alltag oft Benachteiligungen ausgesetzt. Mangels Behandlungsmöglichkeiten ausbleibende postoperative Haarepilations-Behandlungen kann Betroffene vor zusätzliche finanzielle und soziale Probleme stellen.“

Fehlende Behandlungsmöglichkeiten stellen Systemversagen dar

In der Beratung klärt die UPD Ratsuchende über die verschiedenen Epilationsverfahren, die relevante Leitlinie und die Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die Kassen auf. Für Betroffene, die keinen Arzt für eine postoperative Haarepilation finden, bleibt dem Beratungsteam aber mitunter nur der Hinweis darauf, dass die Haarentfernung auch im EU-Ausland durchgeführt werden kann. Dann zahlen die Kassen für die Behandlung. „Diese Notlösung ist aber aus naheliegenden Gründen für Betroffene eigentlich nicht akzeptabel. Wir sehen die aktuelle Situation als ein Systemversagen und erklären das Betroffenen auch so in der Beratung“, sagt Heike Morris, juristische Leiterin bei der Unabhängigen Patientenberatung.

Postoperative Haarentfernung wird nur unzureichend vergütet

Die relevante S3-Leitlinie empfiehlt, die Haarentfernung möglichst frühzeitig im Transitionsprozess durchzuführen – ausdrücklich auch im Brustbereich, den Unterarmen und den übrigen Extremitäten. Im geltenden einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gibt es aber nur Abrechnungsziffern für Gesicht, Hals und Hände. Da eine darüber hinaus gehende Haarentfernung für Ärzte in den meisten Fällen finanziell unattraktiv ist, lehnen sie die Durchführung oft ab. “Hier sind Gesetz, Leitlinie und die Regelungen für ärztliche Vergütung offensichtlich nicht aufeinander abgestimmt“, sagt Heike Morris.

Gleichzeitig gilt für die Epilation aber der Arztvorbehalt: Kosmetikstudios etwa können eine postoperative Haarentfernung nicht mit den Krankenkassen abrechnen. „Zur Abhilfe halten wir es für sinnvoll, wenn zukünftig auch die Epilation an Brust und Extremitäten vergütet wird. Denkbar ist auch eine Gesetzesänderung, die es auch nichtärztlichen Leistungserbringern ermöglicht, Epilationen durchführen und abrechnen zu können“, sagt Heike Morris.

Transidente Menschen erleben oft multiple Benachteiligungen

Neben der postoperativen Haarentfernung melden sich betroffene transidente Menschen auch mit anderen Themen in der UPD-Beratung, bei denen sie sich benachteiligt und diskriminiert fühlen. Dabei geht es beispielsweise um die von Betroffenen oft als diskriminierend empfundene Einstufung von Transidentität als Krankheit“. Auch bestimmte Diagnosemethoden oder unsensible Befragungen zur Sexualität werden als unangemessen empfunden“, sagt Thorben Krumwiede, und weiter: „Beim Thema Transidentität gibt es im deutschen Gesundheitswesen also noch einiges zu tun. Die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung inklusive einer Haarentfernung nach einer geschlechtsangleichenden Operation wäre dabei ein wichtiger Schritt.“

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  • Gesundheitsvorsorge, Gesundheitsdienst

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Über die Unabhängige Patientenberatung Deutschland, UPD

Die UPD Patientenberatung Deutschland gGmbH (UPD) mit Sitz in Berlin ist eine gemeinnützige Einrichtung. Sie hilft Ratsuchenden, sich im deutschen Gesundheitssystem besser zurechtzufinden und Entscheidungen im Hinblick auf gesundheitliche und gesundheitsrechtliche Fragen selbstbestimmt, eigenverantwortlich und auf informierter Grundlage zu treffen.

Gut erreichbar, bürgernah, qualifiziert: Das Beratungsangebot der UPD

Die kostenfreie und verständliche Beratung der UPD ist für alle Menschen in Deutschland zugänglich – egal, ob sie gesetzlich, privat oder nicht krankenversichert sind. Ratsuchende können die Patientenberatung unkompliziert und auf vielen Wegen erreichen: per Telefon, online über die UPD-Homepage, per Post, in den 30 regionalen Beratungsstellen sowie an weiteren 100 Standorten in Deutschland, die regelmäßig von einem der drei Beratungsmobile angesteuert werden.

Zum rechtlichen Beratungsteam der UPD gehören Juristen und Juristinnen sowie Sozivalversicherungsfachangestellte und andere geschulte Berater und Beraterinnen. In den medizinischen Fachteams arbeiten ärztliche, zahnärztliche und pharmazeutische Berater und Beraterinnen, Fachkräfte aus der Pflege und anderen Gesundheitsfachberufen sowie ein psychosoziales Team aus Psychologen und Psychologinnen. Die rechtliche Beratung basiert auf der aktuellen Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die medizinische Beratung nutzt wissenschaftlich fundierte Gesundheitsinformationen und folgt den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin.

Neben der Beratung ist es gesetzlicher Auftrag der Patientenberatung, Politik, Entscheidungsträger im Gesundheitswesen und die Öffentlichkeit über Probleme im deutschen Gesundheitssystem zu informieren und auf diese Weise die Patientenorientierung zu stärken.

Finanziert wird die Arbeit der UPD gemäß § 65b des Sozialgesetzbuchs V mit Fördergeldern durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV). Der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. unterstützt die UPD mit zusätzlichen Fördermitteln für die fremdsprachliche Beratung. Die Arbeit der UPD wird fortlaufend von einem wissenschaftlichen Institut evaluiert; außerdem wird die Unabhängigkeit und Neutralität der UPD durch einen externen und unabhängigen Auditor kontrolliert.

Die Beratungswege im Überblick

DieBeratung der UPD ist auf allen Wegen kostenfrei. Ratsuchende erreichen die UPD telefonisch, online über die UPD-Homepage, per Post, in einer von 30 regionalen Beratungsstellen oder an einem der 100 Standorte die regelmäßig von einem der drei UPD-Beratungsmobile angefahren werden. Die UPD berät auf Deutsch, Türkisch, Russisch und Arabisch und ist telefonisch wie folgt erreichbar: Beratung in deutscher Sprache, Rufnummer: 0800 011 77 22, montags bis freitags von 8.00 bis 22.00 Uhr und samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr.

Fremdsprachige Angebote: Beratung in türkischer Sprache, Rufnummer: 0800 011 77 23, montags bis samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr; Beratung in russischer Sprache, Rufnummer: 0800 011 77 24, montags bis samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr; Beratung in arabischer Sprache: Rufnummer: 0800 332 212 25,: dienstags 11.00 bis 13.00 Uhr und donnerstags 17.00 bis 19.00 Uhr.


Die Beratung in einer der Beratungsstellen kann nach telefonischer Terminabstimmung genutzt werden :0800 011 77 25; Montags bis freitags 8.00 bis 22.00 Uhr, Sa 8.00 bis 18.00 Uhr). Die Beratung in den UPD-Mobilen ist sowohl mit Terminvereinbarung als auch spontan möglich.

Die Adressen der 30 regionalen Beratungsstellen sowie eine Übersicht über die 100 Städte, in denen die Beratungsmobile regelmäßig halten, finden Ratsuchende auf www.patientenberatung.de.

Weitere Informationen finden Ratsuchende unter www.patientenberatung.de, Facebook oder Twitter.

Kontakt

Markus Hüttmann

Pressekontakt Pressereferent 0049 (0)30-868721-140