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Foto: Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) e.V; Messe Frankfurt Exhibition GmbH
Foto: Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) e.V; Messe Frankfurt Exhibition GmbH

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"Farbe ist der Türöffner zum Lifestyle-Badezimmer." Jens J. Wischmann

Der wohl stärkste Trend zur aktuellen ISH 2019 dürfte die endgültige Verwandlung des Bades in ein Lifestyle-Zimmer sein. Das von der Messe Frankfurt und der VDS veranstaltete Trendforum Pop up my Bathroom zeigt mit der Inszenierung „Colour Selection“, welche Möglichkeiten sich mit den aktuellen Farbtrends im Interior Design auch für den Sanitärbereich eröffnen.

Jens J. Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) e.V., sagt im Interview, warum das Thema Farbe für die nächste Evolutionsstufe des Bades so wichtig ist und definiert die Chancen, die in der neuen Offenheit für Farbe und Lifestyle liegen.

  

Anlässlich der ISH 2019 erklärt die VDS auf dem Trendforum Pop up my Bathrroom die Farbe im Badezimmer zum Leitthema. Warum?

Farbe ist im gesamten Interior-Bereich ein zentrales Thema. Sogar recht dominante Muster werden hier und da wieder eingesetzt. Nur im Bad traut sich niemand so recht ran. Wir finden, es ist Zeit, die Mutigen unserer Branche zu unterstützen, die sich trauen, Farbe auch im Bad zu einem Thema zu machen – und zwar nicht nur bei den Accessoires! Das Bad ist nun einmal zu einem Zimmer geworden, das gestaltet werden will.

Farbe war aber doch immer Teil der Pop up my Bathroom-Inszenierungen, oder?

Farbe war ein Begleiter, aber kein Thema. Wir sind das Badezimmer in den letzten Jahren hauptsächlich funktional und gesellschaftsorientiert angegangen: Zur ISH 2015 hat Pop up my Bathroom unter dem Motto „Freibad“ den Fokus auf ein generationsübergreifendes Badezimmer gelegt, und zur ISH 2017 haben wir den Mega-Trend „Individualisierung im Badezimmer“ in den Mittelpunkt unserer Kommunikation gestellt. Dieses Mal möchten wir den Wandel des Badezimmers zum Lifestyle-Raum nach ästhetischen Kriterien beschreiben.

Das Badezimmer wird also zunehmend wohnlicher eingerichtet. Die Botschaft ist schon angekommen. Wieso ist in diesem Zusammenhang die Farbe so wichtig?

Wir haben im aktuellen Bestand immer noch einen sehr hohen Anteil an der Farbe Weiß. Selbst in den letzten Jahren ging es bei der Wahl der Farben doch eher konservativ zu. Im Zweifel hat der Bauherr sich für eine neutrale Farbgebung entschieden, weil die Angst besteht, sich an einer Farbe schon nach kurzer Zeit sattzusehen. Und das Badezimmer ist im Haus sicherlich der letzte Raum, der mal so eben umdekoriert wird. Noch heute zeugen viele negative Beispiele von Badezimmern in Bahamabeige oder Whisper Rosa von den unbekümmert farbintensiven 70er-Jahren. Das war nicht nur too much, das war auch einfallslos. Bis zum Zahnputzbecher war die komplette Kollektion auf eine einzige Farbe abgestimmt. Das wirkt schon lange nicht mehr modern oder wohnlich, das kann man heute besser machen. Das Interior Design hat sich verändert und die Ansprüche an eine moderne Badezimmer-Gestaltung sind gestiegen.

Wie kann man den Weiß-Trend denn stoppen?

Wir wollen gar nichts stoppen. Weiß ist ja auch ein Farbtrend, genauso übrigens wie Schwarz. Im Bad ist dieser Farbtrend allerdings bislang kaum relevant, weil sowieso alles weiß ist. Das ist doch eigentlich schade, man könnte Farbtrends viel aktiver für die Branche nutzbar machen. Die Kunst wird sein, dabei eine Balance zwischen der Aktualität und der Langlebigkeit von Farbmilieus zu finden. Aber mit dieser Balance arbeitet die Branche ja schon seit Jahren erfolgreich, wenn nicht gar seit Jahrzehnten, wenn man an langlebiges Design denkt.

Aber Sie wollen doch eine Offenheit für mehr Farbe wecken, richtig? Wie wollen Sie die Industrie und die Verbraucher von ihrer Fixierung auf die Farbe Weiß lösen?

Wir beobachten nun schon seit zwei bis drei Jahren bei Anbietern von Sanitärprodukten weltweit eine Veränderung der Produktwelt, in der das Mix & Match befördert wird. Bauherren können sich ihr Wunschbad aus einer großen Anzahl von einzelnen Modulen zusammenstellen, wie zum Beispiel Konsolenplatten für Waschtische, Stauraum-Module, Badewannen, Heizkörper etc. Diese Vielfalt zeigt sich dann auch in den verfügbaren Dekoren, Oberflächen und Materialien. Neben vorgestellten Anwendungsbeispielen kann der Badplaner, Architekt, Interior Designer oder Handwerker für seinen Kunden daraus ein stimmiges Gesamtkonzept entwickeln. Und das umfasst dann nicht mehr nur die eingesetzten Sanitärprodukte, sondern auch die Wand- und Bodengestaltung sowie die Ausstattung des Badezimmers mit Lifestyle-Produkten, wie etwa einem Teppich, einem designorientierten Sessel oder mit einem trendigen Dusch-WC. Und mit dieser Zielsetzung kommt automatisch Farbe ins Bad.

Wird Badplanung damit nicht noch komplexer?

Neben der Küche verlangt das Badezimmer wohl die komplexeste Planungs- und Umsetzungsleistung in der Wohnung. Ja, man könnte meinen, man bräuchte einen Badmanager: Es müssen verschiedene Handwerker koordiniert und wasserführende Produkte fest eingebaut werden. Gleichwohl ist der Wunsch nach einem schicken Badezimmer beim Nutzer sehr hoch – aktuelle Umfragen bestätigen das. Der Badplaner muss sich also zunehmend mit dem Lifestyle-Aspekt beschäftigen, also auch mit Farben, Materialien, Design und natürlich auch mit Lichtplanung.

Wieso spielt den die Lichtplanung eine große Rolle?

Wir haben im Badezimmer unterschiedliche Nutzungsphasen. Am Morgen muss es schnell gehen, oft muss sich eine komplette Familie zeitgleich fertig machen. Am Abend möchte vielleicht jemand relaxen oder sich für einen Theaterabend schick machen. Und in der Nacht wird lediglich mal die Toilette aufgesucht. Für jede Nutzung wird eine andere Beleuchtungssituation benötigt, und es ist unglaublich, welche Auswirkungen Licht auf die Farbwirkung und die Gestaltung eines Badzimmers hat! Hier gilt es vieles zu berücksichtigen: emotionales oder funktionales Licht, helle Flächen für ergonomisch kritische Stellen oder die Einbeziehung von Tageslicht – ohne eine perfekte Lichtplanung macht eine Lifestyle-orientierte Badplanung keinen Sinn mehr.

Da sind wir bei den Kosten einer Beratungsleistung für eine Badplanung. Wird das neue Badezimmer nicht immer teurer?

In der Tat steigen mit dem Lifestyle-orientierten Badezimmer die Anzahl der benötigten Dienst- und Handwerksleistungen. Zwar lassen sich die Sanitärhersteller einiges einfallen, um mit Anwendungsbeispielen und Online-Konfiguratoren die Auswahl zu vereinfachen, doch bei der Vielzahl von Varianten ist auch ein gestalterisches Händchen gefragt. Nicht jeder kann treffsicher die richtige Farbkombination festlegen – die so einfach aussehenden Badezimmer in Katalogen und Wohnzeitschriften verraten kaum etwas von der mühevollen Arbeit der professionellen Interior Designer. Im Baumarkt kann man sich jede Farbe aus Farbpaletten anmischen lassen – doch welche ist die richtige? Wer berät die Bauherrin oder den Bauherrn und legt ein stimmiges Gesamtkonzept an? Diese kreative Beratungsleistung ist zeitintensiv und wird im deutschsprachigen Raum noch nicht so wertgeschätzt, wie es sein sollte. Der Badplaner entwickelt für den Bauherrn gemäß seinen Bedürfnissen und den räumlichen Bedingungen das perfekte Badezimmer – diese Beratungsleistung schützt nicht vor nur Fehlplanungen, sondern sichert auch eine sorgenfreie Nutzung. Die Sanitärindustrie kann hier mit ihren Farbpaletten und dem Angebot verschiedener Farbmilieus auch bewusst Hilfestellung bieten.

Die Produktvielfalt ist fast unüberschaubar, und zudem sind auch viele neue Technologien verfügbar. Der Bauherr hat die Qual der Wahl. Ist der Badplaner der Personal Trainer für das individuelle Badezimmer?

Klar ist doch jetzt, dass ein Zusammenklicken von Produkten im Online-Shop noch kein Lifestyle-orientiertes Badezimmer ergibt. Wer sich seine Outfits online kauft, ist sich beim Auspacken doch auch nicht wirklich sicher, ob die Sachen farblich zusammenpassen. Kleidung lässt sich ja noch problemlos umtauschen, aber mal eben sein neues Badezimmer zurückzubauen, weil einem die Farbe nicht gefällt oder die Duschflächenfarbe sich mit dem Möbeldekor beißt, dürfte ein Trial-and-Error der kostspieligen Art sein. Ich sehe hier für unsere Industrie ein enormes Potential. Die Dienstleistung der Badplanung ist nicht austauschbar, und der Badplaner kann Geschichten erzählen: ganz persönliche Geschichten von Menschen, die sich auf ein neues Badezimmer freuen. Diese kreative Beratungsleistung, diese Geschichten – das kann kein Online-Shop der Welt bieten.

Dann verändern sich die Anforderungen an Handwerk, Handel und Planer doch, oder?

Wir stehen sicherlich vor enormen Veränderungen. Neben den zunehmend komplexeren Produkten und Systemen vor und hinter der Wand sowie der zunehmenden Digitalisierung steht der kreative Aspekt beim Badbau beziehungsweise bei der Badsanierung gleichermaßen im Fokus. Ein Handwerker, der sowohl den Einbau als auch eine Lifestyle-orientierte Badplanung anbietet, ist in meinen Augen ein Held. Er muss sich fortwährend weiterbilden, um auf dem aktuellen Wissensstand des Möglichen zu bleiben. Der Besuch der ISH ist zum Beispiel eine Voraussetzung, um seinen Kunden die neuen Geschichten im Badezimmer erzählen zu können. Ich brauche hier noch nicht mal das in der Politik so modische Wort Narrative zu bemühen: Der Kunde weiß es zu schätzen, dass der Berater ihm für die Entwicklung seines individuell optimalen Badezimmers Orientierung geben kann, die sich aus den neuesten Erkenntnissen über Badkonzepte, Lösungsmodelle und Produktinnovationen speist, die auf der Leitmesse diskutiert werden. Dieses Wissen sollte man sich zunutze machen, weil es eine persönliche Bereicherung, einen Mehrwert, einen Wettbewerbsvorteil und somit eine Erlössteigerung bietet.

Der Fachkräftemangel ist allerdings nicht sehr förderlich für komplexere Dienstleistungen. Wer soll denn die vielen prognostizierten Lifestyle-orientierten Bäder planen?

Das Potenzial ist enorm, der Anteil der renovierungsbedürftigen Bäder ist groß, und viele Menschen wünschen sich moderne Bäder, obwohl diese erst kürzlich renoviert worden sind. Die durchschnittliche Nutzung eines Badezimmers wird nach meiner Einschätzung von 17,5 Jahren in den nächsten zwei Dekaden erheblich sinken, vielleicht sogar auf unter 10 Jahre. Die Entwicklung des Badezimmers zum Lifestyle-Zimmer wird sich auf alle beteiligten Berufe auswirken. Es werden neue Berufsbilder entstehen. Mit der Bad-Akademie haben wir ein Instrument geschaffen, um die Weiterbildung in diesem Bereich zu unterstützen. Aber vor allem Berufseinsteigern muss der Zugang erleichtert werden. Viele wollen „etwas Kreatives“ machen. Bei der Badplanung ist Kreativität pur angesagt. Vielleicht müssen auch neue, attraktive Studiengänge initiiert werden. Vielleicht lassen sich, wie international üblich, Küche und Bad thematisch zusammenlegen, um Synergieeffekte zu erzielen. Der Beruf des Interior Designers ist im deutschsprachigen Raum quasi nicht existent. In England oder den USA ist der Interior Designer ein anerkannter Beruf. Fangen wir heute damit an, diese Herausforderung zu lösen.

Jetzt haben wir noch gar nicht über die eigentlichen Farbtrends gesprochen. Wie sehen diese denn im Badezimmer aus?

Genau diese Farbtrends werden wir in unserer Pop up my Bathroom - Trendausstellung thematisieren und beschreiben. Wir haben 12 aktuelle Farbtrends identifiziert. Die wichtigste Erkenntnis: Wenn Farbe als Gestaltungselement in einem Lifestyle-Badezimmer eine wichtige Rolle spielt, muss ein Grundton oder eine Farbkombination die Führung übernehmen. Es entsteht eine Farbcollage, und alle anderen Materialien und Oberflächen müssen auf dieses Grundthema einzahlen und miteinander harmonieren.

Wie mutig muss man sein, um mit einem Lifestyle-Bad „Farbe zu bekennen“?

Das ist doch ganz individuell. Ob ich ein dezentes Farbmilieu bevorzuge oder mit Kontrastfarben arbeite, ob ich mich mit Weiß-in-Weiß als konsequenter Modernist oder mit Metalloberflächen vor dunklem Background als Avantgardist darstelle, oder ob ich einfach mit soften Tönen und Holz eine wohnlich-warme Atmosphäre schaffen will – in jedem Fall treffe ich eine bewusste Farbwahl. Oft sind Farben ja auch mit bestimmten Themen oder Vorstellungen besetzt. So kann das Trendthema Gold im Bad sowohl minimalistisch als auch opulent umgesetzt werden und wirkt dann völlig unterschiedlich: von ästhetisch und avantgardistisch oder betont gediegen bis hin zu kitschig. Von Pastelltönen über Grün bis hin zum immer noch aktuellen Liebling Grau ist im Bad zur ISH-Saison 2019 vieles möglich.

Gibt es so etwas wie eine Farbe des Jahres?

So eine Ankündigung liegt gar nicht in unserer Absicht. Im Übrigen ist die Branche dafür noch zu sehr in einem Farbfindungsprozess. Wir zählen bei Pop up my Bathroom die wichtigsten Möglichkeiten auf und verstehen uns als Ideenlieferant. Wenn wir die Botschaft transportieren können, dass Farbe kein Tabu mehr ist, sondern ein Türöffner zum Lifestyle-Bad, haben wir schon gewonnen.

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Claudia Wanninger

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Pop up my Bathroom, eine Initiative der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e.V. (VDS) und der Messe Frankfurt zur ISH, ist eine experimentelle Plattform für Architekten, Badplaner, Interior Designer und Journalisten.