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WTG-Dossier: Das Leid der Esel und wie bewussteres menschliches Handeln es lindern kann

Dossier zum Welteseltag am 8. Mai 2021

Seit mindestens 5.000 Jahren leben Esel an der Seite des Menschen. Als ausdauernde und robuste Arbeitstiere leisten sie weltweit, bis heute vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern, wertvolle Dienste für den Menschen. Güter wie Wasser, Ernte, Baumaterial, Sand und nicht selten auch Personen, darunter Kinder auf ihrem Weg in die Schulen oder Verletzte in Kriegsgebieten, werden von ihnen befördert. Esel sind treue Gefährten, die von vielen Menschen als Teil der Familie wahrgenommen werden – sie sind gutmütig, loyal und belastbar. Und ohne sie wäre für viele Menschen und ganze Dörfer das alltägliche Leben kaum möglich.

„Die enorme Bedeutung von Eseln im Leben von Millionen von Menschen steht aber leider im deutlichen Gegensatz zum Leid, das viele von ihnen täglich erfahren“, sagt Katharina Kohn, Geschäftsführerin der Welttierschutzgesellschaft (WTG e.V.). „Schlechte Haltungsbedingungen und wachsende Gefahren wie durch den globalen Eselhauthandel machen das Leben vieler Esel allzu oft zu einer Qual.“

Zum Welteseltag am 8. Mai wirbt die Welttierschutzgesellschaft daher für eine größere Wertschätzung der treuen Langohren in ihrer besonderen Rolle.

Wissenswertes über Esel:

  • Die scheinbare Sturheit von Eseln ist vielmehr ein Abschätzen gefahrvoller Situationen. Statt wie ein Pferd mit dem Fluchtinstinkt zu reagieren, bleibt der Esel stehen und wägt die Lage ab. Fälschlicherweise wird dieses Zögern oft als Dummheit interpretiert. Falsche Handhabung durch Halter*innen hat vermutlich zu diesen Vorurteilen geführt. Bei einem richtigen Umgang ist der Esel immerzu ein verlässlicher Gefährte des Menschen.
  • Esel sind sehr gesellige und gutmütige Tiere und schließen Freundschaften. Erkennbar machen das die räumliche Nähe, soziale Fellpflege, Körperkontakt und das Teilen von Futter mit Artgenossen. In Situationen, die den Esel in Stress versetzen, empfiehlt sich Halter*innen die Berücksichtigung dieses „Buddy System“: Muss ein Esel beispielsweise tierärztlich behandelt werden, ist es hilfreich, wenn sein Buddy an seiner Seite ist. Das beruhigt die Tiere sehr und nimmt den Stress.
  • Mit ihren ausgeprägten Sinnesorganen (Ohren, Augen, Nase) nehmen Esel einen potentiellen Feind schon von weitem wahr. Ihr sehr fein entwickeltes Gehör dient ihnen als Frühwarnsystem bei Gefahr z.B. durch „Raubtiere“. Im Gegensatz zum Menschen oder zu vielen anderen Tieren hat der Esel die Augen nicht vorn im Kopf, sondern an den Seiten. Auf diese Weise hat er fast eine komplette Rundumsicht.
  • Esel gelten auch als exzellente Beschützer, weil sie auch vor Raubtieren kaum zurückweichen. Daher werden sie sogar eingesetzt, um andere Tiere vor Wildtieren zu verteidigen. Hat sich ein Esel erst einmal mit einer Herde Schafe, Ziegen oder Rinder angefreundet, verteidigt er diese vor möglichen Bedrohungen. Die Tiere laufen schreiend und Zähne fletschend auf den Eindringling zu, traktieren ihn mit kräftigen Bissen oder schlagen gezielt mit den Hinterbeinen.


Die Welttierschutzgesellschaft macht sich auf vielfältige Weise für den Schutz der Esel weltweit stark, denn so unterschiedlich die Problematiken, so angepasst müssen die Maßnahmen zur Hilfe sein. Vier Beispiele, in denen durch bewussteres menschliches Handeln enorm zur Verbesserung des Wohls von Eseln beigetragen wird:

1. Die Haltungsbedingungen von Eseln sind oft schlecht – Unwissenheit und fehlende Mittel sind Hauptfaktoren

    Esel sind vor allem in abgelegenen und ärmeren Regionen in Schwellen- und Entwicklungsländern ein wichtiger Teil der Infrastruktur, sie schaffen Lebenserhalt und sind Familienmitglieder zugleich. Dennoch zeigt sich bei genauer Betrachtung, zum Beispiel bei veterinärmedizinischen Studien, dass der Gesundheitszustand von Eseln oft sehr schlecht ist. Bei einer Erhebung der Welttierschutzgesellschaft im Norden Tansanias im Jahr 2016 und 2017 wiesen zum Beispiel 40 Prozent der Esel Lahmheiten auf, was oft auf mangelnde Hufpflege zurückzuführen ist. Außerdem erhielt ein Großteil der Tiere in dieser sehr trockenen Region nicht ausreichend Wasser, die Tiere waren entsprechen ausgezehrt.

    Häufig zu beobachten sind zudem unpassendes Geschirr und Packsättel sowie schlecht konstruierte Kutschen, die schmerzhafte Verletzungen verursachen. Bei hohen Temperaturen sind diese offenen Wunden in Kürze von Parasiten befallen, Infektionen sind die Folge. Oft werden die Tiere auch an den Beinen zusammengebunden – zum Beispiel nachts oder in sengender Hitze auf Tiermärkten. So können die Esel zwar noch laufen und selbstständig Nahrung suchen, aber nicht rennen und ausreißen. Durch die Reibung der Seile an den Beinen entstehen außerdem oft schmerzvolle Wunden.

    Ein weiteres Problem stellen bestimmte, klar tierschutzwidrige Praktiken dar, die vermeintlich zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Esel angewandt werden und den Eseln große Schmerzen bereiten. Im Süden Indiens beispielsweise zählt dazu der Irrglaube, dass durch das Aufschneiden der Nüstern die Atmung verbessert würde. Auch werden den Tieren Brandwunden gesetzt, die zur Identifizierung der Esel, aber auch der Wundbehandlung dienen sollen, für die Tiere aber unnötiges Leid mit sich bringen.

    Diese Erkenntnisse, ergänzt durch die Erfahrung aus Eselschutz-Projekten weltweit, zeigen aber auch, dass Esel wie viele andere Fluchttiere eher still leiden. Sie lassen sich die erheblichen Beschwerden oft kaum anmerken und leisten ihre Dienste treu. Ohne entsprechendes Wissen um die Bedürfnisse ihrer Tiere fällt es den Halter*innen schwer, ihr Leid zu erkennen und ihm zukünftig vorzubeugen.

    Es gibt jedoch auch Grund zur Hoffnung: Bei entsprechender Informations- und Schulungsarbeit sind schnell Verbesserungen zum Wohl der Esel zu erzielen. So zeigt sich in dem seit 2013 aktiven Projekt der Welttierschutzgesellschaft in Südindien, dass sich durch die Bildungsarbeit der Gesundheitszustand der Esel erheblich verbessert hat. Während zu Beginn nahezu alle Tiere aufgeschnittene Nüstern und auch Brandwunden aufwiesen, hat sich das Bild im Laufe der vergangenen Jahre gewandelt und die Anzahl von Eseln, die derartige Verstümmelungen erleiden müssen, ist sehr gering. Auch in den Einsätzen in Tansania ist erkennbar, dass die Informationsarbeit ihre Wirkung zeigt und die Halter*innen durch ihr bewussteres Handeln den Schutz der Tiere stärken.

    Aktuelle Einsätze der Welttierschutzgesellschaft zum Schutz von Eseln:

    2. Tiermedizinische Hilfe ist eine Grundvoraussetzung für das Wohl der Esel

    Doch selbst wenn Tierhalter*innen erkennen, dass ihre Esel auf Hilfe angewiesen und dafür finanzielle Mittel vorhanden sind, ist eine tiermedizinische Behandlung in dünn besiedelten Regionen meist unzureichend. In der tansanischen Region Arusha beispielsweise, die flächenmäßig größer als Baden-Württemberg ist, arbeiten insgesamt acht Tierärzt*innen und zehn Tiergesundheitshelfer*innen (Stand: 2017). Eine flächendeckende Versorgung der unzähligen Esel, Rinder oder Ziegen, die sich hier im Besitz kleinbäuerlicher Familien befinden, ist somit kaum möglich.

    Das Beispiel Arusha steht stellvertretend für viele benachteiligte Regionen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Verbesserungen im Veterinärwesen sind deshalb dringend notwendig, um auch den Schutz der Esel zu verbessern. Dabei kommt es neben zusätzlichem Personal auch auf eine bessere Aus- und Weiterbildung der tiermedizinischen Kräfte an. Das Programm TIERÄRZTE WELTWEIT der Welttierschutzgesellschaft und Welttierschutzstiftung engagiert sich seit 2015 für dieses Ziel – aktuell in sieben afrikanischen Staaten und bereits mit nachhaltigen Erfolgen. Die Kurse des Programms vermitteln Studierenden bzw. bereits in einem tiermedizinischen Beruf tätigen Personen fundiertes Wissen über Tierschutz, praktische Fähigkeiten sowie Tierschutzbewusstsein. Dadurch verbessert sich nicht nur die unmittelbare Behandlung der Tiere, sondern auch die Informationsarbeit bei Tierhalter*innen über die richtige Versorgung und Haltung zum Beispiel von Eseln.

    Darüber hinaus müssen tiermedizinische Hilfsangebote Eselhalter*innen bekannt gemacht werden. Mobile Eselkliniken und -behandlungen, wie sie die Welttierschutzgesellschaft zum Beispiel in Tansania, Indien und Syrien anbietet, erreichen jährlich hunderte Tierhalter*innen, die ansonsten vermutlich keine Hilfe für ihre Tiere in Anspruch nehmen könnten. Auch unter denkbar schwierigen Bedingungen wie zum Beispiel der Kriegssituation in Syrien oder den Folgen der Corona-Pandemie in Indien, muss diese tiermedizinische Komponente aufrecht erhalten bleiben – um das Tierwohl zu stärken und den Menschen bei der Versorgung ihrer so dringend notwendigen helfenden Tiere zu unterstützen.

    Aktuelle Einsätze der Welttierschutzgesellschaft zum Schutz von Eseln:

    3. „Ejiao“ sorgt für millionenfaches Eselleid

    „Ejiao“ ist der Name eines Heilmittels in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Es besteht aus Eselshaut und wird in gummiartigen Blöcken, als Gelee oder in Pulverform verkauft. Für die Herstellung von Ejiao werden große Mengen an Eselshaut benötigt. Die hohe und stark wachsende Nachfrage nach Ejiao in China bleibt daher nicht ohne dramatische Folgen für Esel weltweit: Aus zahlreichen Ländern in Südamerika, Asien und Afrika gibt es inzwischen Berichte, dass die massenweise Schlachtung von Eseln für Ejiao mit enormem Tierleid einhergeht. Dies beinhaltet nach Recherchen und Dokumentationen der Welttierschutzgesellschaft in Kenia und Tansania u.a. skrupellose Esel-Diebstähle und brutale Esel-Tötungen. Denn nicht selten werden gestohlene Esel noch in den Dörfern an Ort und Stelle gehäutet. Und auch in den Schlachthäusern selbst und auf dem Transport dorthin erleiden die Tiere ein katastrophales Schicksal: Sie werden auf engstem Raum ohne Zugang zu Futter oder Wasser eingepfercht und ohne ausreichende Betäubung getötet.

    Auf dem afrikanischen Kontinent ist vor allem Ostafrika ein Zentrum des Eselhauthandels. Allein aus Kenia stammten 2019 etwa 10 Prozent der Eselshautimporte nach China. Wegen der hohen Nachfrage und der daraus resultierenden Gewinnmöglichkeiten werden in der gesamten Region Esel, die sich in Privatbesitz befinden, gestohlen und in die Schlachthäuser gebracht.

    Immer wieder spielen sich in und um Esel-Schlachthäuser Ostafrikas dramatische Szenen ab, wie die Welttierschutzgesellschaft feststellt: In Kenia wurden bis Anfang 2020 ohne Rücksicht auf geltende Tierschutzgesetze bis zu 1.000 Esel pro Tag geschlachtet – viele von ihnen vermutlich illegal beschafft. Der weitere Betrieb der Esel-Schlachthäuser in Kenia ist derzeit umstritten und wird womöglich bereits Anfang Mai vor dem höchsten Gericht Kenias geklärt werden. In Tansania strandeten zur Jahreswende 2020/2021 rund um das Schlachthaus in der Region Shinyanga (Tansania) nahezu 2.000 Esel. Da das Schlachthaus in Folge staatlicher Anordnungen kurzfristig den Betrieb aussetzen musste, die Händler jedoch nicht informiert wurden, lieferten sie weiterhin Esel an. Doch nur ein Teil der Tiere wurde versorgt, während mehrere hundert Tiere sich selbst überlassen sind – in sengender Hitze und ohne Futter- und Wasser.

    Zahlreiche Länder haben bereits einen Exportstopp für Esel und Eselshaut verfügt. Um das Problem global einzudämmen, müssen jedoch dringend weitere folgen, um das durch die Ejiao-Nachfrage verursachte Leid von Millionen von Eseln zu beenden.

    Aktuelle Einsätze der Welttierschutzgesellschaft zum Schutz von Eseln:

    Weitere Hintergründe:

    4. Unser verheerender Umgang mit dem Planeten schadet auch Eseln immens

    Die Klimakrise macht auch den Eseln weltweit schwer zu schaffen. Besonders problematisch sind die sich intensivierenden Wetterextreme in Folge der Klimakrise. Grundsätzlich sind Esel als ursprüngliche Bewohner karger Bergregionen an ein trockenes Klima gut angepasst und könnten die Widerstandskraft lokaler Gemeinden gegen die Folgen des Klimawandels stärken. Doch die verheerenden Dürren, wie sie beispielsweise Tansania in den vergangenen Jahren immer wieder erlebt hat, brachten dort die Esel angesichts ausgetrockneter Felder, versiegter Wasserquellen und fehlender Mittel ihrer Halter*innen an den Rand ihrer Kräfte. Regelmäßig rückten Teams der Welttierschutzgesellschaft aus, um die ausgezehrten Tiere im Rahmen von Soforthilfen zu retten.

    Anders, aber nicht weniger gefährlich, stellt sich die Situation bei Starkregenereignissen und Überflutungen dar. Feuchte Wetterbedingungen machen Esel anfälliger für Hufkrankheiten und erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Krankheitsübertragungen. Zudem führen überflutete Weideflächen zu akutem Nahrungsmangel bei den Tieren. Dies zeigte sich zuletzt Ende vergangenen Jahres im tansanischen Bezirk Magu, nahe dem Viktoriasee: Der See erreichte den höchsten Wasserstand der letzten 120 Jahre und ganze Dörfer standen unter Wasser. Auch hier leitete die Welttierschutzgesellschaft einen Soforthilfe-Einsatz und übernahm die Versorgung der zahlreichen notleidenden Tiere. Die Tiere wurden u.a. mit Futtermitteln und Mineralien versorgt, die überall dorthin transportiert wurden, wo die Menschen mit ihren Tieren Zuflucht vor den Fluten gesucht hatten.

    In Schwellen- und Entwicklungsländern, wo die Mehrzahl der Esel weltweit beheimatet ist, sind die Folgen der Klimakrise am weitreichendsten. Dass die kommenden Jahre und Jahrzehnte dadurch nicht noch mehr Leid für die Esel mit sich bringen, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Grundlegend ist selbstverständlich ein konsequenter globaler Klimaschutz, darüber hinaus müssen aber die Tierhalter*innen auch bei der Anpassung an die Wetterextreme unterstützt werden. Um Eselleben zu retten und den Lebensunterhalt der Menschen zu sichern, werden aber kurzfristige Hilfen wie von der Welttierschutzgesellschaft durch die Bereitstellung von Futter und Wasser in Notsituationen weiterhin Alltag bleiben.

    Aktuelle Einsätze der Welttierschutzgesellschaft zum Schutz von Eseln:

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    Kontakt

    Christoph May

    Pressekontakt Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit