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WTG-Dossier: Schuppentiere und das Coronavirus

Erstveröffentlichung dieses Dossiers: 17. Juni 2020 | Letzte Aktualisierung: 15.02.2021

Mehr als ein Jahr nach Beginn der Coronakrise stehen Schuppentiere (Pangoline) weiter im weltweiten Rampenlicht – aktuell sogar als Auslöser diplomatischer Verstimmungen zwischen China und dem Vereinigten Königreich, nachdem Premierminister Johnson die Verwendung von Pangolin-Schuppen in der traditionellen Medizin mit den Ursprüngen der Corona-Pandemie in Verbindung gebracht hatte. Johnson sprach mit dieser Aussage gleich zwei Themen an, zu denen dieses Dossier einen Überblick gibt: Sind Schuppentiere wirklich, wie derzeit wieder vielfach zu lesen ist, der „wahrscheinliche Zwischenwirt“ für das Virus? Und welche Auswirkungen für die Zukunft der Schuppentiere hat die Pandemie insbesondere in Asien – sowohl auf gesetzlicher Ebene als auch für Tierschützer*innen, die sich gegen den illegalen Wildtierhandel stellen und Schuppentieren eine zweite Chance in der Wildnis ermöglichen?

Schon kurz nach Beginn der Coronakrise kam es zu den ersten Veröffentlichungen auf virologischen Fachportalen, die eine Ähnlichkeit zwischen dem neuartigen Coronavirus Sars-Cov-2 und bei Schuppentieren entdeckten Coronaviren feststellten. Zum Teil klang es in der Öffentlichkeit dann bereits so, als seien die Tiere definitiv als der Zwischenwirt identifiziert, der das Virus von einer Fledermaus aufgeschnappt und dann weiter auf den Menschen übertragen habe.

Dieser Schluss war jedoch wohl voreilig: Anfang Februar 2021 erklärte die Wuhan-Mission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den Ursprüngen von Sars-CoV-2, dass der „wahrscheinlichste Weg“ der Übertragung auf den Menschen über einen Zwischenwirt verlaufen sei und das Virus ursprünglich von Fledermäusen stamme. Allerdings seien die Ähnlichkeiten bislang gefundener Gensequenzen noch bei keinem Zwischenwirt hoch genug, als dass diese Tierart als Zwischenwirt zweifelsfrei festgestellt werden könne.

Schuppentiere und Sars-CoV-2 – der aktuelle Stand der Wissenschaft 

Seit Beginn der Pandemie sind verschiedene Studienergebnisse erschienen, die – ausgehend vom genetischen Schlüssel von Sars-CoV-2 – Übereinstimmungen zum Erbgut tierischer Coronaviren suchten. Der einzige Konsens, der sich bislang in der Wissenschaft gebildet hat, ist der bereits erwähnte sehr wahrscheinliche tierische Ursprung des Virus. Wahrscheinlich sind es Fledermäuse, mutmaßlich aus der Familie der Hufeisennasen (Rhinolophidae), die die ursprüngliche Version des Virus in sich tragen. Um welche Fledermausart es sich genau handelt, steht allerdings genauso wenig fest wie der weitere Weg des Virus bis zum Menschen. Neben der Frage der Übertragungskette und des Zwischenwirts gibt weiterhin auch die mutmaßliche Verbreitung der ursprünglichen Viren, die zu Pandemie geführt haben, Rätsel auf. Denn mit Sars-CoV-2 nahverwandte Coronaviren bei Fledermäusen wurden inzwischen in mehreren asiatischen Staaten – in einem großen Gebiet von Japan bis Thailand – entdeckt.

Wie und warum ursprünglich aber kamen die Schuppentiere überhaupt in die Diskussion?
Einige Studien fanden in Schuppentieren Coronaviren, die in bestimmten Bereichen eine Ähnlichkeit zu Sars-CoV-2 aufweisen. Dazu ist jedoch anzumerken, dass Coronaviren im Tierreich insgesamt weit verbreitet und untereinander recht ähnlich sind. Insofern sind diese Ergebnisse zunächst wenig überraschend. Bei der Betrachtung der vorliegenden Gensequenzen von Schuppentieren sind führende Wissenschaftler*innen, u.a. Prof. Christian Drosten von der Berliner Charité und wie erwähnt auch das WHO-Forscher*innen-Team, zu der Erkenntnis gelangt, dass es nach heutigem Sachstand keine Belege für eine Beteiligung der Schuppentiere an der Entstehung von Sars-CoV-2 gibt. Dazu schreibt ein Forscherteam in Nature in einer im Februar 2021 erschienenen Studie:

Das unmittelbare tierische Vorläufervirus, das den zu mehr als 99 Prozent identischen Sars-CoV-Sequenzen entspricht, die während des Sars-Ausbruchs 2003 bei Schleichkatzen identifiziert wurden, ist für SARS-CoV-2 weiterhin noch nicht erfasst."

Hinsichtlich der Schuppentiere ist davon auszugehen, dass sich die Coronaviren bei ihnen und anderen Tierarten unabhängig von der aktuellen Covid-19-Pandemie entwickelt haben und daher bestimmte Ähnlichkeiten aufweisen. Schuppentiere sind damit zwar nicht zu 100 Prozent als Virus-Zwischenwirt auszuschließen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie an der Entstehung des Virus beteiligt sind, ist nach bisheriger Datenlage deutlich geringer als die öffentliche Aufmerksamkeit für die Schuppentier-Hypothese. Endgültige Erkenntnisse dazu wird es wie bei der Sars-Epidemie 2002/2003 wohl erst nach einigen Jahren und vielen dutzend weiteren Studien geben.

Wie sehr der ursprüngliche Verdacht auf Schuppentiere aber bisweilen für Furore sorgt und gesorgt hat, zeigen das gewachsene Interesse am Tier und Beiträge wie jener der Weltbank, der von einem „Schuppentier-Effekt“ spricht: In einem Tier – das Schuppentier wird als Beispiel herangezogen – schlummere ein gefährliches Virus, das den Menschen befallen könne. Der Mechanismus der Übertragung ist im Artikel zwar treffend beschrieben, doch ist das Schuppentier vermutlich das falsche Symboltier. Zudem spielt in den Betrachtungen allzu oft nur eine untergeordnete Rolle, dass die Wahrscheinlichkeit für diesen Übertragungsweg lange Zeit nur verschwindend gering war, da sich Mensch und Wildtier in der Regel gar nicht begegneten. Dabei sollte eben dies in den Fokus rücken: Denn durch den in den letzten Jahrzehnten zunehmenden illegalen Wildtierhandel ist diese Barriere verschwunden und eine Übertragung von Viren, darunter auch sehr gefährlichen, eine reale Gefahr geworden.

Tritt dieser Fall ein, kann in vernetzten globalen Gesellschaften binnen Wochen eine weltweite Verbreitung geschehen – eine Pandemie entsteht. All das ist bereits aus vielen früheren Beispielen wie Ebola, HIV oder Affenpocken bekannt, die wie Covid-19 eine von Tieren auf Menschen übertragene Viruserkrankung sind: eine so genannte virale Zoonose, die in Zusammenhang mit dem Verzehr und Handel von Wildtieren aufgetreten ist.

Der Schutz von Wildtieren, die wie im Fall der Schuppentiere als die weltweit am meisten illegal gehandelten Säugetiere gelten, müsste vor diesem Hintergrund im Interesse aller sein.

Das Schuppentier im Fokus

Seit über 80 Millionen Jahren bevölkert die Tierfamilie der Schuppentiere unsere Erde – heute mit jeweils vier Arten in Afrika südlich der Sahara sowie in Asien. Erste Bekanntheit erfuhren die Tiere in den letzten Jahren vor allem durch den illegalen Wildtierhandel, der sie zu den am meisten gehandelten Säugetieren der Welt machte. In Ländern wie China und Vietnam werden ihre Schuppen in der traditionellen Medizin verwendet, ihr Fleisch ist für den menschlichen Verzehr begehrt. Doch erst mit dem Beginn der Coronakrise und dem Verdacht, dass Schuppentiere an der Übertragung des Virus beteiligt sein könnten, sind die Tiere einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Tierschützer*innen setzen sich seit Jahren dafür ein, Schuppentieren trotz illegalem Wildtierhandel ein Überleben zu sichern. Dazu zählen auch die deutsche Welttierschutzgesellschaft (WTG e.V.) und die vietnamesische Organisation Save Vietnam’s Wildlife (SVW).

In den vergangenen Jahren wurden im SVW-Schutzzentrum im Cuc Phuong Nationalpark, nahe der Hauptstadt Hanoi, durch Unterstützung der WTG jährlich hunderte Schuppentiere aus dem illegalen Wildtierhandel gerettet, gesund gepflegt und nach ihrer Genesung wiederausgewildert. Die Versorgung von geretteten Schuppentieren stellt die Teams dabei bis heute vor Herausforderungen – vieles ist Pionierarbeit, da die Tiere lange kaum und bis heute nur ungenügend erforscht sind. Aufgrund ihrer Fortschritte in diesem Bereich konnte sich die Tierklinik im Zentrum in den letzten etwa 15 Jahren weltweit als eine führende Einrichtung etablieren, was die Behandlung von Schuppentieren betrifft. So ist es beispielweise gelungen, die Überlebensrate selbst von geretteten Tieren mit schwersten Verletzungen auf 80 Prozent anzuheben. Auch die Narkose der Tiere wurde in mehr als 500 anästhetischen Behandlungen deutlich verfeinert. Nicht zuletzt hat das Team Behandlungspläne für Parasiten bei Schuppentieren erstellt und somit wertvolles Wissen aufgebaut.

Die Tierärzt*innen sind dabei häufig mit sehr schweren Fällen konfrontiert, denn viele Schuppentiere sind durch die Qualen des illegalen Wildtierhandels gezeichnet. Zu den häufigsten Leiden zählen:

  • Dehydrierung aufgrund der langen Transportwegen,
  • Wunden, die sich die Tiere in den engen Netzen zuziehen, in die sie für ihre „Reise“ gepresst werden,
  • Probleme in Folge der unnatürlichen Zufütterung mit Maismehl und Wasser oder sogar Gipspulver, um ihr Verkaufsgewicht zu steigern, sowie
  • alle weiteren medizinischen Folgen, die durch den enormen Stress in den Fängen der Wildtierhändler hervorgerufen werden.

Unter diesen Umständen ist das Überleben eines jeden Tieres eine Herausforderung. Deshalb mutet das tiermedizinische Team den gebeutelten Tieren so wenig wie möglich zu. Gewebeproben für die Erkennung verschiedener Krankheiten von Schuppentieren werden nur Tieren entnommen, die ihre Qualen nicht überlebten, und in einem Labor der nationalen agrarwissenschaftlichen Universität des Landes in der Nähe von Hanoi untersucht. Solche Analysen dienen vorrangig dazu, weitere Erkenntnisse zu verschiedenen Krankheiten bei Schuppentieren zu erhalten und damit die Überlebenschancen der Tiere weiter zu steigern.

Seit der Coronakrise besteht darüber hinaus die Hoffnung, dass die Analysedaten von Wissenschaftler*innen im Sinne der Coronavirusforschung genutzt werden könnten.

Tiermedizinische Behandlung von Schuppentieren

Ein junges Malaiisches Schuppentier (Manis javanica), das von Save Vietnam’s Wildlife kurz vor Beginn der Coronakrise in Vietnam gerettet wurde, steht für die vielen Artgenossen, die jedes Jahr von dieser professionellen tiermedizinischen Hilfe profitieren. Die Behörden stellten das Tier Anfang des Jahres gemeinsam mit 15 weiteren Schuppentieren in einem Taxi sicher, das in Richtung der chinesischen Grenze unterwegs war. Die Tiere waren in Netze gepresst, die meisten von ihnen wurden zwangsgefüttert. Das junge Schuppentier hatte außerdem einen gebrochenen Finger an den vorderen Gliedmaßen erlitten. Nach dem Transfer in das Schutzzentrum von Save Vietnam’s Wildlife fiel die Entscheidung der Tierärzt*innen: um das Tier zu retten, musste der Finger amputiert werden. Die Operation glückte, das Tier konnte in ein Quarantänegehege gebracht werden, wo es sich von seinen Strapazen erholte. Nach einigen Wochen war es bereits wieder in der Lage, auf Ästen herumzuklettern.

Auch wenn Vietnam bislang mit verhältnismäßig wenigen Opfern durch die Pandemie kam, hat sich die Arbeit der Tierschützer*innen durch die Auswirkungen der Krise auf den illegalen Schuppentierhandel im Land deutlich gewandelt. Dies liegt an den Grenzschließungen in der Region sowie einer verschärften Durchsetzung der Wildtiergesetze, was groß angelegten, grenzüberschreitenden Schmuggelaktionen mit teils über 100 Schuppentieren in einem Fahrzeug zunächst ein Ende gesetzt hat. Dennoch sind die Aufwendungen für die Tierschutzarbeit sogar noch gestiegen, da das Rettungsteam eine wachsende Anzahl an kleinen Konfiszierungen mit wenigen einzelnen Tieren bewältigen muss, die im Land registriert werden.

Dies ist eine der ersten bekannten Folgen der Coronakrise für den illegalen Wildtierhandel in Vietnam. Im Gesamtkontext hat die Coronakrise Chancen eröffnet, endlich konsequent gegen das transnationale illegale Geschäft mit Wildtieren vorgehen zu können. Für die lokalen Organisationen, die sich für den Schutz der Wildtiere einsetzen, ist die Krise aber vielfach selbst zur existentiellen Bedrohung geworden. Daher engagiert sich die Welttierschutzgesellschaft mit dem WTG-Nothilfefonds, der ein Aufrechterhalten der internationalen Tierschutzarbeit trotz Corona-Pandemie ermöglichen soll.

Wie geht es also weiter für die Schuppentiere?
Führt der Verdacht, Schuppentiere könnten mit der Entstehung von Sars-CoV-2 in Verbindung stehen, dazu, dass auch Wilderer und Konsument*innen künftig lieber einen Bogen um die Tiere machen? Werden mehr und mehr Staaten den Handel und Verzehr von Schuppentieren stärker reglementieren? Oder werden die Tiere durch die Pandemie stattdessen noch gnadenloser gejagt, zum Beispiel, weil die Krise arme Bevölkerungsgruppen in die Wilderei treibt? Könnten Wilderer die Theorie der Schuppentiere als Virusüberträger sogar als scheinbare Legitimation nutzen, ein schnelles Geschäft zu machen? Und wie sieht es mit dem Wissen um all diese Problematiken in der Bevölkerung auch hierzulande aus? War die Pandemie ein Wachrüttler?

Die Auswirkungen der Krise auf die Zukunft der Schuppentiere lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt nur ansatzweise beantworten. Doch es gibt Entwicklungen in den besonders betroffenen Ländern, die eine erste Einschätzung zulassen.

In China, dem Land, in dem Sars-Cov-2 zuerst aufgetreten ist und das als Dreh- und Angelpunkt der Nachfrage für Schuppentierprodukte in Asien gilt, besteht vorsichtige Hoffnung auf einen besseren Schutz der Tiere. Positiv zu bewerten ist das im Februar 2020 erlassene Verbot, Wildtiere zu handeln und zu verspeisen. Seitdem wurden von staatlicher Seite 12.000 Geschäfte geschlossen und Hunderttausende Online-Einträge gelöscht, die in Bezug zum Handel mit Wildtieren stehen. Anfang des Monats wurde zudem bekannt, dass viele neue Wildtierarten in die höchsten Schutzkategorien des Landes aufgenommen wurden. Gleichzeitig findet allerdings im Zuge der Revision des Wildtierschutzgesetzes keine weitreichende Regulation von Wildtierfarmen statt, was in China aktive Tierschutzorganisationen scharf kritisieren. Mit dem Argument, dass sie schon seit langer Zeit auf Wildtierfarmen gehalten würden, wurden zudem 13 Wildtierspezies zu Nutztieren umdeklariert, was ihre fortgesetzte Haltung ermöglicht und die Wirkung des im Februar erlassenen Verbotes konterkariert. Zu den betroffenen Arten zählen auch geschützte Tiere wie der Sikahirsch sowie vor allem für die Pelzgewinnung gehaltene Tiere wie Polarfuchs, Marderhund und Amerikanischer Nerz.
(Informationen zum Corona-Infektionsrisiko von und durch Nerze bietet unser Tierschutzblog: https://welttierschutz.org/haustiere-coronavirus/)

Konkret in Bezug auf Schuppentiere zeigt sich ein gemischtes Bild: Anfang Juni wurden Schuppentiere in die höchste Schutzkategorie für Wildtiere aufgenommen und ihre Schuppen als Rohdroge aus dem offiziellen Arzneibuch des Landes gestrichen. Weniger bekannt ist jedoch, dass sie als Bestandteil traditioneller Rezepturen (Mischdrogen) weiterhin Teil des Arzneibuches sind. Dies weckt Erinnerungen an negative Erfahrungen aus der Vergangenheit, als immer wieder Schlupflöcher für den Handel oder Verzehr von Schuppentieren gelassen wurden. Es bleibt zu hoffen, dass diese bald geschlossen werden, wie auch ein amerikanisch-chinesisches Forscherteam aktuell betont:

„Der Erfolg von Wildtiergesetzen hängt von langfristigem Engagement und fortgesetzten Bemühungen zu deren Durchsetzung und Kommunikation ab, auch lange nachdem die aktuelle Pandemie vorbei ist.“

Dies gilt auch für Vietnam. Zum einen gibt es dort weiterhin einen heimischen Markt für den Verzehr von Schuppentieren und die Nutzung ihrer Schuppen in der traditionellen Medizin gibt. Zum anderen sind in den letzten Jahren viele Schuppentiere in Vietnam konfisziert worden, die auf dem Weg nach China waren. Seit Beginn der Pandemie nahm die Zahl von Schuppentieren, die durch unsere Partner konfisziert wurden, ab. Das zeitweilige Transportverbot von Wildtieren im Land, strikte Inspektionen an den Grenzen sowie die neuen Gesetze in China könnten – so die große Hoffnung – generell zu einem nachlassenden Schuppentierhandel führen.

Hinzu kommen weitreichende Maßnahmen, die der vietnamesische Premierminister Nguyen Xuan Phuc im Juli zum Schutz von Wildtieren verkündet hat. Mit sofortiger Wirkung wurden der Import von Wildtieren und deren Produkten, der Betrieb von Wildtiermärkten sowie das Jagen, Transportieren, Schlachten, Kaufen und Verkaufen, Konsumieren und Bewerben von Wildtieren bzw. Wildtierprodukten untersagt. Die Verordnung könnte sich als wichtiger Meilenstein für den Wildtierschutz erweisen, von dem zigtausend Tiere, darunter Schuppentiere, Otter und Schleichkatzen, profitieren. Sorge bereitet allerdings, dass die Verordnung noch immer Schlupflöcher zum Beispiel für den Import medizinischer Tierprodukte zulässt, wodurch möglicherweise auch dem Handel mit Schuppentieren eine rechtliche Nische bleibt. Daniela Schrudde, Tierärztin und fachlich-inhaltliche Leiterin der Welttierschutzgesellschaft, kommentiert:

„Wie in China ist es auch für den nachhaltigen Schutz der Schuppentiere in Vietnam absolut entscheidend, dass Verordnungen und Gesetze konsequent formuliert und durchgesetzt werden und dies dauerhaft über Pandemie hinaus.“

Nachhaltige Bildungsarbeit

All diese regulatorischen Eingriffe müssen begleitet werden von Bildungsmaßnahmen, die auf lange Sicht das Tierwohl verbessern – und zwar aus Überzeugung des Einzelnen statt aus Angst vor Strafverfolgung. Deshalb stellt die Informationsarbeit auch eine wichtige Säule im Schuppentierschutz dar. Um das Tierschutzbewusstsein zu stärken, hat die Welttierschutzgesellschaft den Aufbau des öffentlichen Informationszentrums mitten im Schutzzentrum von Save Vietnam’s Wildlife im Cuc Phuong Nationalpark unterstützt. Seit 2016 werden hier Besucher*innen, darunter Schulklassen, Studierende, aber auch Tourist*innen, über die Bedürfnisse der vietnamesischen Wildtiere informiert. Sie erfahren auch, welche Qualen gewilderte Tiere erleiden müssen und lernen, dass die bedrohten Tiere schützenswert sind. Seit Beginn des Schulprogramms, das sich an Schüler*innen bis zum Alter von 15 Jahren richtet, besuchten mehr als 6.500 Kinder und Jugendliche das Zentrum im Cuc Phuong Nationalpark.

Neue Bildungsmaßnahmen in und um den Pu Mat Nationalpark, die 2020 aufgesetzt wurden, richten sich an die Bevölkerung, die in unmittelbarer Nähe dieses Nationalparks lebt, der im Unterschied zu anderen Nationalparks in Vietnam noch eine hohe Biodiversität aufweist. An insgesamt 23 Schulen, davon 16 Grundschulen und 7 Sekundarschulen, führen unsere Partner Tierschutztrainings mit Lehrenden durch und bringen den Schüler*innen die lokalen Wildtierarten, ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten für ihren Schutz nahe.

Zwar war ein Großteil dieser Maßnahmen 2020 Corona-bedingt von Einschränkungen betroffen. Grundsätzlich hatte eine Auswertung der bisherigen Bildungsaktivitäten im Cuc Phuong Nationalpark aber ergeben, dass sich die Besuche in Schutzzentrum und Nationalpark positiv auf die Einstellungen der Schüler*innen zu Natur und dem Schutz der Wildtiere auswirken. Es besteht also Hoffnung, dass eine junge Generation heranwächst, die ganz unabhängig von der aktuellen Krise davon absehen wird, Schuppentiere zu jagen, zu handeln oder zu verzehren.

Doch ein solcher Wandel und der nachhaltige Schutz einer Tierart vollziehen sich nicht über Nacht. Die Welttierschutzgesellschaft wird deshalb mit ihren Partnern neben Bildungsmaßnahmen auf absehbare Zeit weiter dafür sorgen, dass möglichst viele Schuppentiere gerettet, professionell versorgt und genesen zurück in die Wildnis entlassen werden können.

Wissenswertes zu Schuppentieren

Vielen Menschen kommt beim Gedanken an das Schuppentier als Erstes sein flexibler Schuppenpanzer in den Sinn, der in dieser Form unter den Säugetieren einzigartig ist. Je nach Art tragen Pangoline, wie die Tiere auch genannt werden, mehrere hundert Schuppen, die wie menschliche Nägel aus Keratin bestehen. Wenn sich die Tiere bedroht fühlen, rollen sie sich zu einer festen Kugel zusammen. So ist ihr schuppenloser Bauch vor tierischen Fressfeinden gut geschützt. 

Eine weitere Besonderheit der Schuppentiere, die allerdings nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, ist ihre Ernährung. Die Tiere ernähren sich hauptsächlich von Ameisen und Termiten. Diese nehmen sie auf, indem sie zum Beispiel die Termitenhügel mit ihren Vorderkrallen öffnen und dann mithilfe ihrer Zunge, die von klebrigem Speichel umgeben ist, die Insekten in ihren Mund befördern. Dies ist besonders effektiv, da die Zunge je nach Art auf eine Länge von bis zu 70 cm gestreckt werden kann. Aufgrund dessen ist die Zunge nicht im Mund, sondern zwischen Rippenbogen und Becken verankert. Nicht ausgestreckt ist die Zunge zusammengerollt im Brustkorb. Da das Schuppentier keine Zähne hat, werden die aufgenommenen Insekten heruntergeschluckt, ohne vorher zerkaut zu werden.

Stattdessen geschieht erst im Magen eine Art Kauvorgang: Mithilfe von an der Magenwand befestigten Keratinstacheln und Sand, der ebenso gefressen wird und einen beachtlichen Teil ihrer Nahrung ausmachen kann, wird in einer bestimmten Magenregion – ähnlich wie im Kaumagen bei Vögeln – die Nahrung durch Muskelkontraktion zerkleinert.

Weitere Informationen:

Schuppentierschutz in Vietnam

Schuppentiere: gewildert und gehandelt

Fotos: Justin Mott (bei Interesse an einer Nutzung bitte Kontaktaufnahme via presse@welttierschutz.org)

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Christoph May

Pressekontakt Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit