Pressemitteilung -
Petfluencer im Check: Dokumentation der WTG belegt, dass viele beliebte Tierprofile in den sozialen Netzwerken immenses Tierleid verbreiten
Berlin, 28. Juni 2022. Eine Auswertung der Welttierschutzgesellschaft (WTG) von 50 reichweitenstarken Petfluencer-Profilen aus dem deutschsprachigen Raum zeigt, dass fast zwei Drittel dieser Profile Tierleid unkritisch darstellt.
Was sind die Hauptkritikpunkte?
Kernessenz des Petfluencer-Checks ist es, dass die Inhalte vieler Petfluencer zum Teil sehr unkritisch in Bezug auf die Darstellung von Tierleid-Formen sind – das steht unserer Ansicht nach einer Förderung des Tierschutzes in der Bevölkerung entgegen. Die Ergebnisse im Detail sind in drei Kapitel zu unterscheiden, die unkritische Darstellung von …
- Inszenierungen, die nicht per se Tierleid sind, aber darin münden können.
- der Haustierhaltung von Wildtieren.
- Qualzuchten.
Letztere Inhalte stellten die mit Abstand größte Gruppe dar, weshalb wir unbedingt eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema anstoßen möchten. Qualzucht ist in Deutschland laut § 11b (https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/__11b.html) des Deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG) bereits verboten. Wenngleich nicht alle Tiere einer Qualzuchtrasse unmittelbar betroffen sind, sollte eine Nachfrage nach diesen Tieren durch eine unkritische Darstellung nicht noch befördert werden. Wir wünschen uns, dass eine Zucht, die Schmerzen, Krankheiten und Leid von Tieren in Kauf nimmt, vehement kritisiert wird. Dazu zählt auch die kritische Darstellung in sozialen Netzwerken.
Wie die WTG Qualzucht definiert und weshalb die unkritische Darstellung von Qualzucht problematisch ist: www.welttierschutz.org/qualzucht
Petfluencer begeistern auf Social Media. Der Begriff ist eine Wortschöpfung aus „Influencer“ und „Pet“ (Haustier) und meint Social-Media-Profile, in denen Tiere – meist Hunde oder Katzen, aber auch Wildtiere wie Igel – im Fokus stehen. Mit unterhaltsamen Bildern und Videos sowie Einblicken in das Leben der dargestellten Tiere finden deren Halter*innen eine erhebliche Reichweite – allein
die von der WTG ausgewerteten Profile im deutschsprachigen Raum haben mehr als 24 Millionen Follower*innen.
„Mit dieser Reichweite insbesondere unter Tierfreundinnen und Tierfreunden haben diese Profile eine große Chance, auch meinungsgebend zum Thema Tierschutz zu sein. Mindestens sollte aber gelten, dass sie diesem nicht auch noch schaden. Doch eben das belegt unsere Analyse: Petfluencer haben ein echtes Tierschutzproblem“, sagt Wiebke Plasse, Leiterin Kommunikation der Welttierschutzgesellschaft in Berlin.
Die Organisation konnte bei der Analyse der 50 Profile in den sozialen Netzwerken TikTok und Instagram bei 31 Profilen problematische Inhalte ermitteln. Als häufigstes Problem zeigte sich die unkritische Darstellung von Qualzuchten (24 Profile). Typische Qualzuchtmerkmale, die festgestellt wurden, waren Kurzköpfigkeit (Brachyzephalie), Haarlosigkeit und Hybridisierung (d.h. Tiere, die auf die Verpaarung unterschiedlicher Spezies zurückgehen wie beispielsweise Bengalen). Auch die nackte Haut von Sphinx-Katzen oder die gezielte Zucht mit einem Gendefekt, die bei Australian Shepherds zu Taubheit führen kann, zählen wir dazu.
„Leider sind viele der Merkmale, die die dargestellten Tiere in den Augen der Nutzer*innen zu etwas Besonderem machen, unserer Ansicht nach als Tierleid-Faktoren zu bewerten – oder wie bei Hybriden aus Qualzuchten entstanden. Diese Merkmale können die Ursache von Leiden und körperlichen Schäden der Tiere sein, was wir als Welttierschutzgesellschaft verurteilen", so Plasse.
Die unkritische Darstellung solch überzüchteter und gegebenenfalls leidender Tiere birgt eine große Gefahr. Plasse: „Petfluencer können damit Tierleid normalisieren und maßgeblich den gefährlichen Trend befördern, dass immer mehr Qualzuchten gehalten werden.“ Die Welttierschutzgesellschaft appelliert daher an Multiplikatoren wie die Betreiber*innen von Petfluencer-Profilen, sich ihrer Verantwortung für die Tiere bewusst zu werden und sich im Hinblick auf das Leid kritisch damit auseinanderzusetzen. Auch Nutzerinnen und Nutzer sollten das Tierleid erkennen und entsprechend reagieren: Nach dem Motto „Keine Likes für Tierleid“ bittet die WTG tierliebe Social-Media-Nutzer*innen, nicht mit Gefällt-mir-Angaben oder Kommentaren zu reagieren, sondern die Inhalte ohne Reaktion stehen zu lassen – „denn sonst erhalten sie weitere Reichweite und der Trend wird weiter befördert“, erläutert Plasse. Stattdessen sollten Nutzerinnen und Nutzer bedenkliche Tierleid-Inhalte immer an die Moderator*innen-Teams der Netzwerke melden.
Wildtiere als Haustiere? Auch das bitte nicht!
Unter den reichweitenstarken Petfluencer-Profilen im deutschsprachigen Raum dominieren Katzen und Hunde. Nur eines der 50 im Petfluencer-Check untersuchten Profile stellt einen Igel in Haustierhaltung dar, was aus Tierschutzsicht aber überaus problematisch ist. „Igel sind Wildtiere und keine Haustiere. Zudem sind viele der Inhalte offensichtlich bei Tag erstellt, was nicht dem Biorhythmus dieser dämmerungs- und nachtaktiven Tiere entspricht. Das ist Tierleid“, so Plasse. Mit Blick auf international agierende Petfluencer lässt sich bereits ein zunehmender Trend zur Haltung und somit auch Darstellung von Wildtieren erkennen. Das gilt es nach Ansicht der Welttierschutzgesellschaft dringend zu stoppen.
Ein weiteres Problem: Inszenierte Inhalte
Viele der untersuchten Petfluencer-Profile fallen darüber hinaus durch ein hohes Maß an inszenierten Inhalten auf, was bedeutet, dass die Tiere in künstliche, zum Teil auch menschenähnliche Situationen gedrängt werden. Darunter fallen beispielsweise Verkleidungen oder das Imitieren von menschlichem Verhalten. Bei der Analyse konnten solche Inszenierungen bei 13 der 50 untersuchten Profile festgestellt werden.
Zwar sind Inszenierungen nicht automatisch mit Tierleid gleichzusetzen. Mehrere Fälle aus der WTG-Analyse dokumentieren aber, warum sie oft als problematisch zu bewerten sind:
- Hunde, denen kleine Herzen auf die Schnauze geklebt wurden, was die Gefahr des Einatmens dieser Kleinteile birgt,
- eine Katze, die – mit um den Bauch gebundenen Schellen – an den Vorderpfoten aufgerichtet wurde und einen „Bauchtanz“ aufführt, wobei sie offensichtlich verängstigt wirkt,
- zwei Katzen, die – mit Sonnenbrillen und Schal um den Kopf versehen – im Vorderbereich eines fahrenden Autos sitzen
„Tierleid ist keine Komik“, sagt Plasse und ruft zu mehr Respekt auf: „Die Verantwortung, im Sinne des Tierschutzes zu handeln, ist wegen der großen Reichweite der Petfluencer-Profile besonders hoch.“ Die WTG appelliert daher an die Betreiber*innen der Petfluencer-Profile:
- Vermeiden Sie Inszenierungen, die die Tiere verängstigen oder ihnen anderweitig schaden (können). Solche Inhalte sollten auf Social Media nicht dargestellt werden. Es besteht die Gefahr, dass sie nicht nur dem Tier selbst schaden, sondern durch Nachahmung noch weitaus mehr Tierleid nach sich ziehen.
- Stellen Sie Qualzuchten in ihren Profilen nicht unkritisch dar, denn reichweitenstarke Profile befördern Trends und führen so womöglich zur weiteren Verbreitung von Qualzuchten. Der Petfluencer-Check der WTG hat gezeigt, dass es durchaus positive Beispiele von Profilen gibt, die die Überzüchtung ihrer Tiere kritisch reflektieren und andere Nutzerinnen und Nutzer über die damit verbundenen Probleme informieren.
Im Rahmen der Kampagne „Stoppt Tierleid in den sozialen Netzwerken“ engagiert sich die Welttierschutzgesellschaft für ein Verbot von Tierleid-Darstellungen in sozialen Netzwerken, die keinen informativen oder dokumentarischen Zweck erfüllen. Die Welttierschutzgesellschaft fordert die Netzwerke auf, die jeweiligen Gemeinschaftsstandards umfassend um die Thematik Tierleid zu ergänzen und deren Einhaltung zu überprüfen (zur Petition: www.welttierschutz.org/tierleid-stoppen). Dann gelte auch für Petfluencer: Beiträge, die Tierleid ohne informativen oder dokumentarischen Zweck verbreiten, sollten unwiderruflich gelöscht werden.
Was ist die Absicht des Petfluencer-Checks?
Als Welttierschutzgesellschaft e.V. verfolgen wir die Vision einer Welt, in der Tiere wahrgenommen sowie respektvoll und tiergerecht behandelt werden. Dazu zählt auch, dass Tiere als fühlende Wesen erkannt und in der Öffentlichkeit als schützenswert dargestellt werden. Insbesondere die Umsetzung dessen in sozialen Netzwerken ist der Kern unserer aktuellen Kampagne „Stoppt Tierleid in sozialen Netzwerken“, kurz #StopptTierleid (https://welttierschutz.org/stoppt-tierleid/), in die auch der Petfluencer-Check eingebunden ist. Wir fordern im Rahmen der Kampagne ein Stopp der unkritischen Darstellung von Tierleid-Inhalten in sozialen Netzwerken. Dafür sind wir …
- auf politischer Ebene aktiv, um einen gesetzlichen Rahmen für ein Verbot der Darstellung grausamer Gewalttätigkeiten gegenüber Tieren im Zuge der Novellierung des §131 Strafgesetzbuches zu erwirken.
- im Austausch mit Netzwerk-Vertreter*innen, um zu erwirken, dass die Gemeinschaftsstandards um die Thematik Tierleid erweitert werden.
- durch umfangreiche Informationsarbeit für Nutzer*innen im Einsatz und erstellen hilfreiche Leitfäden zur Erkennung von Tierleid-Formen sowie zum Melden an die Moderator*innen-Teams.
Laufend dokumentieren wir in diesem Rahmen auch aktuelle Fälle wie Challenges, die in Tierleid münden. Auch der Petfluencer-Check reiht sich hier ein: Ziel ist es, die unkritische Darstellung von Tierleid-Formen am Beispiel der Profile mit den höchsten Follower*innen-Zahlen in Deutschland zu untersuchen.
So sind wir beim Petfluencer-Check vorgegangen:
Der Fokus des Petfluencer-Checks liegt entsprechend des Kampagnen-Zieles auf der unkritischen Darstellung von Tierleid. Dabei unterscheiden wir zwischen den Tierleid-Formen eindeutiges Tierleid, Tierleid-Verdacht und respektloser Umgang, hier ausführlich nachzulesen: https://welttierschutz.org/stoppt-tierleid/leitfaden-tierleid/.
Die Auswahl der 50 Profile für den Petfluencer erfolgte mit Hilfe bereits bestehender Listen (Beispiel für Hunde), mit Blick auf Preisträger*innen des German Petfluencer-Awards sowie auf Basis der Suche über Hashtags wie #dogfluencer und #catsofinstagram – wir verfolgten dabei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Gleichwohl haben wir versucht, die Balance zwischen Hunde- und Katzenprofilen zu halten, um ein umfangreiches Bild zu zeichnen. Wir haben vorab einen Zeitraum fest definiert und dann – jeweils auf Instagram und TikTok – die Stories nur zwischen dem 23. bis 29. März 2022 sowie Beiträge bis zum 16.05.2022 in die Bewertung aufgenommen.
Die Bewertung von dokumentierten potentiellen Tierleid-Darstellungen orientierte sich am Tierleid-Leitfaden der Welttierschutzgesellschaft, der wie folgt unterscheidet:
1.Eindeutiges Tierleid: Inhalte mit eindeutigem Tierleid, das durch keinen Kontext zu relativieren und daher sofort zu löschen ist
Dazu zählen u.a. die Darstellung von roher Gewalt gegenüber Tieren, inszenierten Tier-Rettungen, vermeidbarem menschlichen Kontakt zu Wildtieren oder Tieren mit klaren Qualzucht-Merkmalen. Diese Inhalte sollten umgehend von den Netzwerken gelöscht und eine weitere Verbreitung ausgeschlossen werden.
2.Tierleid-Verdacht: Inhalte, bei denen es sich um Tierleid handeln könnte, dies aber ohne Kontext nicht abschließend zu beurteilen ist.
Beispielhaft hierfür stehen tanzende oder verkleidete Tiere, die Darstellung einer großen Zahl von Tieren auf engem Raum (mögliches „Animal-Hoarding“) oder Bilder von Tieren in Mikrowellen oder Waschmaschinen. Oft erlauben erst der Kontext und auch die Präzision der Aufnahme eine abschließende Einordnung. In solchen Fällen sollte gelten: „Im Zweifel für das Tier“. Können die Erstellenden der Beiträge den Verdacht des Tierleids nach Aufforderung durch die sozialen Netzwerke nicht entkräften, sollten auch diese Beiträge gelöscht werden.
3.Fehlender Respekt: Inhalte, bei denen die Tiere nicht als fühlendes Mitgeschöpf wahrgenommen und nicht wertgeschätzt werden
Diese Vorstufe des Tierleids äußert sich zum Beispiel in Darstellungen von Tieren in Situationen des Unbehagens oder als Anlass für Komik. Nachgeahmt und gesteigert, könnten diese Inhalte zu Tierleid-Situationen führen. Die sozialen Netzwerke sollten derartige Beiträge mit einem Hinweis versehen, der beispielsweise auf Webseiten führen kann, die zu einem respektvollen Umgang mit Tieren anleiten.
Hintergrundinformationen zur Kampagne
Ziel der Kampagne „Stoppt Tierleid in den sozialen Netzwerken“ ist es, die Darstellung all jener Tierleid-Inhalte aus den sozialen Netzwerken zu verhindern, die keinen informativen oder dokumentarischen Zweck erfüllen. Dafür müssen die Gemeinschaftsstandards der Netzwerke um die Thematik Tierleid ergänzt und ein konsequentes Handeln eingefordert werden. Gleichzeitig bedarf es einer gesetzlichen Grundlage in Deutschland, die das Verbot der Darstellung von Tierleid auch im digitalen Raum einschließt und so die sozialen Netzwerke zum Handeln verpflichtet. Durch Informationsarbeit muss außerdem bewirkt werden, dass Nutzer*innen einen verantwortungsvollen Umgang mit den Tierleid-Inhalten pflegen – und diesen in Zukunft durch konsequentes Melden begegnen. Dafür stellt die WTG umfangreiches Material als Hilfestellung bei der Erkennung und dem Melden bereit.
Weitere Informationen unter: https://welttierschutz.org/sto...
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Die Welttierschutzgesellschaft (WTG) ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin. In Entwicklungs- und Schwellenländern engagieren wir uns für eine nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen von Streuner-, Nutz- und Wildtieren durch Stärkung des Tierschutzes sowie eine verbesserte tiergesundheitliche Versorgung. In unseren Tierschutzprojekten als auch dem Bildungsprogramm TIERÄRZTE WELTWEIT arbeiten wir dafür mit Partnerorganisationen vor Ort zusammen. Darüber hinaus fördern wir das Tierschutzbewusstsein im Land durch die Einbindung der lokalen Bevölkerung. In Deutschland schaffen wir mit öffentlichkeitswirksamen und politischen Tierschutzkampagnen die Voraussetzungen für ein respektvolles und tiergerechtes Miteinander von Mensch und Tier.
Weitere Informationen unter: www.welttierschutz.org