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„Deutsches Management dreht sich um Positionen, schwedisches um Beziehungen“

Als ein deutscher und ein schwedischer Chef das Beste aus beiden Kulturen in ihren Management-Stil integrierten, war das Ergebnis ein deutscher Führungsstil mit deutlichen Entscheidungen in Kombination mit der offenen Unternehmenskultur der Schweden ohne verschlossene Türen. Das zeigte die Podiumsdiskussion der Deutsch-Schwedischen Handelskammer in Göteborg, wo über deutschen versus schwedischen Führungsstil diskutiert wurde.

Die Diskussion zwischen den deutschen und schwedischen Podiumsteilnehmern gab Einblicke in den Begriff „Führung“ und brachte die anwesenden Gäste zum Lachen, als sie sich in den Erfahrungsberichten der Redner wiedererkannten.

„Ich habe mit Sicherheit alles falsch gemacht, was ich nur falsch machen konnte, als ich als neuer Chef am deutschen Hauptsitz anfing“, erzählte Niclas Mårtensson aus seiner Zeit als Chef für Stena Line Deutschland. Seit Ende September ist er Geschäftsführer für die gesamte Stena Line-Gruppe mit Sitz in Göteborg.

Während seiner dreijährigen Einsatzzeit in Deutschland konnte Niclas Mårtensson viel über den deutschen Führungsstil lernen. Seiner Einschätzung nach ist die deutsche Geschäftskultur stark davon geprägt, dass ein jeder sein eigenes Verantwortungsgebiet hat und dieses mit Stolz bearbeitet, ganz unabhängig von der Funktion innerhalb des Unternehmens. Gleichzeitigt erschließt sich ihm ein deutsches System nicht hundertprozentig, in dem es zwei Geschäftsführer gibt – einen mit operativer und einen anderen mit administrativer Verantwortung.

„Das führt dazu, dass beide nur eine Hälfte des Ganzen sehen“, scherzte Niclas Mårtensson. „In Schweden möchte man die Gesamtverantwortung haben und aktiv an den Zielen des Unternehmens beteiligt sein. Als Deutscher hingegen fokussiert man ganz auf seinen eigenen Bereich, ohne dass jemand Anmerkungen dazu machen soll. Ich durfte mir beispielsweise meinen Espresso nicht selbst holen, das lag in der Verantwortung des Assistenten.“

Misstrauen gegen persönliche Beziehungen

„Als mein Umzug zurück nach Schweden anstand, bat ich die deutschen Mitarbeiter um Feedback zu meinem Führungsstil. Es zeigte sich, dass es ein gewisses Misstrauen mir gegenüber gegeben hatte. Ich war auf Mitarbeiter zugegangen, um Bekanntschaften zu knüpfen, wurde jedoch als jemand aufgefasst, der kontrollieren will, wie ein Geheimagent.“

Gleichzeitig begrüßt Niclas Mårtensson die deutsche Deutlichkeit bei zu treffenden Entscheidungen. Das schwedische Konsensmodell kann verunsichern und man fragt sich im Nachhinein, ob überhaupt eine Entscheidung getroffen wurde und wie diese aussieht.

Die deutsche Deutlichkeit brachte auch Karsten Keller vor 14 Jahren mit nach Schweden, als er als CFO für Schweden und Nordeuropa bei DB Schenker anfing. Er wurde vor der ruhigen und entspannten Unternehmenskultur überrascht, die ihm in Schweden begegnete, als würde hier nicht genauso hart gearbeitet wie in Deutschland.

„Es gab Sofas und Aquarien wie in einem Wohnzimmer. Der schwedische Einrichtungsstil kann von Deutschen leicht als wenig ambitioniert und unprofessionell interpretiert werden. Die Sofas durften bleiben, aber die Aquarien mussten weg“, sagte Karsten Keller und ergänzte, dass diese Entscheidung bei den Kollegen seinerzeit sicherlich nicht allzu populär war.“

Er war verwundert darüber, wie die Gewinnmargen in Schweden so hoch sein konnten, wo es doch so entspannt an den Arbeitsplätzen zuging. Heute weiß Karsten Keller, dass die schwedische Art und Weise zu arbeiten – welche auch einmal etwas länger dauern kann – mindestens so effektiv ist wie die deutsche und auf lange Sicht sogar zu besseren Ergebnissen führen kann, als wenn der Chef einfach selbst entscheidet.

„Klare und deutliche Entscheidungen sind dann gut, wenn man nicht viel Zeit hat. Auf langen Reisen ist es jedoch immer besser, dass alle die Chance haben, sich zu beteiligen“, sagte Karsten Keller, der mittlerweile in Frankfurt als DB Schenkers CFO für ganz Europa arbeitet.

Konkurrenz kennzeichnet deutsche Geschäftskultur

Während der Diskussion definierte Karsten Keller, dass der deutsche Führungsstil auf Positionen setzt, während sich der schwedische um Beziehungen dreht. Ninni Löwgren Tischer, Abteilungsleiterin bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, die Unternehmen regelmäßig Coachings zur deutschen und schwedischen Geschäftskultur gibt, erklärte, dass die deutsche Geschäftswelt von steinharter Konkurrenz geprägt ist. Eine natürliche Schlussfolgerung, wenn man in einem Land mit 82 Millionen Einwohnern wahrgenommen werden will.

Es gilt, sich spitze Ellenbogen zuzulegen und immer ein wenig besser zu sein als der Kollege oder Geschäftspartner – und das ist vollkommen ok so. Man nutzt, was einen in der Karriere weiterbringen kann, wie beispielsweise einen akademischen Titel, die richtige Position oder Beziehungen. Es erfüllt mit Stolz, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der weit oben in der Organisationsstruktur steht. Aber Ninni Löwgren Tischer rät davon ab, in eine neue Rolle zu schlüpfen, sobald man in einer neuen Geschäftskultur zu arbeiten beginnt:

„Man muss in seinem Führungsstil authentisch sein, um glaubwürdig zu werden. Mit Kenntnissen der jeweiligen Geschäftskultur kann man sich jedoch taktisch anpassen, um das jeweils gewünschte Ergebnis zu erreichen.“

Die Moderatorin des Tages, Karin Bock-Häggmark, fragte die Podiumsteilnehmer, ob denn nur der schwedische oder deutsche Führungsstil besser funktioniert.

„Ein guter Führungsstil kennt keine Nationalität. Es geht um die Fähigkeit zu wirken und den Mut, Entscheidungen ins Unbekannte zu treffen. Schwedisches Management zeichnet sich durch das Schaffen eines Konsenses aus, durch eine platte Organisationsstruktur mit allen Beteiligten auf einer Stufe und gegenseitigem Vertrauen ineinander. Ich glaube persönlich, dass Zutrauen der neue Trend wird“, sagte Jörgen Kihlgren, der Führungskräfte-Coach bei Schwedens größtem Chefverband Ledarna ist.

Offene Türen und mehr Deutlichkeit

Sowohl Niclas Mårtensson als auch Karsten Keller sind nun wieder in ihren jeweiligen Heimatländern und auf neuen Posten tätig. Aber einige Dinge haben sie nach Deutschland beziehungsweise Schweden mitgenommen.

„Seit ich im Büro in Frankfurt angefangen habe, gibt es keine geschlossenen Bürotüren mehr und es ist nicht mehr so wahnsinnig formell. Mit den meisten Mitarbeitern bin ich zum Beispiel per du und mein Assistent wird nicht dafür bezahlt, mir Kaffee zu bringen“, sagte Karsten Keller.

„Ich habe mehr Struktur in meiner Art und Weise zu führen und zeige nun mit der ganzen Hand, oder besser gesagt mit dem ganzen Arm, in die Richtung, in die es gehen soll. Das schafft Deutlichkeit. Auf dem Weg dahin pushe ich meine Mitarbeiter, das schafft Selbstvertrauen“, so Niclas Mårtensson.

Alle Teilnehmer erhielten während der restlos ausgebuchten Podiumsdiskussion auch gute Ratschläge für einen möglichen Auslandseinsatz.

„Was ist das Ziel mit Ihrem Einsatz in einem anderen Land? Wollen Sie sich anpassen? Sollen Sie sich anpassen? Oder sollen Sie vor Ort etwas verändern? Man muss sich in jedem Fall gut vorbereiten und sollte Unterschiede niemals unterschätzen“, sagte Karsten Keller.

„Der beste Weg zum Kulturverständnis ist, die Sprache zu lernen. Es hilft auch einen Mentor an seiner Seite zu haben. Es ist beispielsweise ein großer Unterschied zwischen Deutschland und Schweden, wie mit den Gewerkschaften verhandelt wird“, sagte Niclas Mårtensson.

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Malin Johansson

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