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Megatrend New Work – wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus?

Back to the roots: New Work und General Motors

Tatsächlich handelt es sich um ein schon erstaunlich lange diskutiertes „travelling concept“ aus den USA. Geprägt wurde es von Frithjof Bergmann, Professor an der University of Michigan – und geboren in Sachsen! Er beschäftigte sich intensiv mit philosophischen Fragen rund um die Bedeutung von Arbeit. Als General Motors in seinem Werk in Flint in den 80er Jahren Entlassungen plante, schlug er vor, alle Beschäftigten stattdessen sechs Monate in der Fabrik arbeiten zu lassen und sechs Monate Zeit für ihre eigenen Interessen zu geben.

In Bergmanns Verständnis heißt New Work, Technologie so einzusetzen, dass sie die Gestaltungsspielräume von Menschen in ihrer Arbeit erhöht – und die Arbeitsorganisation entsprechend anzupassen. Die Diskussion steht also bereits seit mehreren Jahrzehnten in unterschiedlichen Ländern auf der Agenda.

New Work zwischen Kritik und personalpolitischem Mainstream

Diese Diskussion hat sich in unterschiedliche Richtungen weiterentwickelt. New Work ist ein Prozess, der sowohl von „oben“ als auch von „unten“ vorangetrieben wird.

Mit der zunehmenden Digitalisierung entstand eine Bewegung, die die Werte von New Work - Kreativität, Selbstständigkeit, Freiheit und Gemeinschaft - in Unternehmen und Organisationen tragen möchte. Viele Arbeitnehmer/innen, auch Freelancer, wünschen sich weniger Hierarchie, mehr ‚Leben‘ auf der Arbeit, mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten. New Work ist insofern auch weiterhin ein kritisches Projekt. Es beinhaltet den Abschied von simplen Vorstellungen der Messbarkeit von Produktivität, die den Entwicklungsmöglichkeiten weder von Unternehmen noch von Mitarbeiter/innen gerecht werden.

Dabei gewinnen sowohl Arbeitnehmer/innen wie Arbeitgeber, wenn der Prozess richtig angelegt wird. Aus Sicht von Unternehmen ist New Work interessant, um ihre Innovationskraft zu stärken, von Flexibilität zu profitieren und sich – in Zeiten von Fachkräftemangel und Generation Y – als attraktiver Arbeitgeber zur präsentieren. Die Generation Y gilt auch als besonders flexibel, während Vorbehalte eher von älteren Arbeitnehmer/innen geäußert werden.

Während New Work im Anschluss an Bergmann weiterhin eine kapitalismuskritische Lesart behält, hat das Buzzword mittlerweile seinen Weg in den Management-Mainstream gefunden, wird also von Kapitalismuskritikern selbst teils wieder mit Unbehagen wahrgenommen.

New Work wurde so zum Oberbegriff für Debatten über die Veränderungsprozesse hin zur lernenden, agilen Netzwerkorganisation, der Entgrenzung von Arbeit und Privatleben sowie den Chancen und Risiken von Outsourcing.

Der Begriff ist also zu einem Cluster für eine ganze Reihe von Trends und Entwicklungen geworden. Das Zukunftsinstitut listet in seinem New Work Glossar eine ganze Reihe an Trends auf, die deutlich machen, was aktuell unter New Work verstanden wird:

Unsere Art zu Arbeiten verändert sich: Work-Design meint, dass die Zukunft der Arbeit von uns selbst gestaltbar ist. Start-up-Culture und Social Business verändert die Art zu arbeiten und bringt ein höheres Innovationstempo in etablierte Unternehmen. Die digitale Kommunikation kann ein starker Treiber für Kollaboration und Open Innovation sein, wenn sich auch die Formen der Zusammenarbeit öffnen. Co-Working Spaces sind Kristallisationspunkte zum gemeinsamen Arbeiten und Teilen von Wissen. Permanent Beta meint, dass sich Prozesse in der Arbeitswelt, aber auch Berufsbiographien in einem permanenten Wandel befinden.

Die Vielfalt wächst: Diversity bedeutet Vielfalt, die in unterschiedlichen Kontexten als Chance gilt. Female Shift und Womanomics umschreiben den zunehmenden Einfluss von Frauen. Silver Potentials: Angesichts eines steigenden Fachkräftemangels sind Ältere in der Wirtschaft zunehmend gefragt. Slash-Slash-Biografien meint die Flexibilisierung von Karriereverläufen.

In welchem Verhältnis stehen Arbeit und Privatleben? Die kluge Verbindung von Privat- und Berufsleben, z.B. durch Home-Office-Modelle und Mobile-Office-Lösungen, wird unter dem Stichwort Work-Life-Blending zur großen Aufgabe der kommenden Jahre. Das Schlagwort Flexicurity beschreibt das Spannungsverhältnis zwischen Flexibilisierungswünschen und Beschäftigungssicherheit.Diese ist für eine unvermindert große Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wichtig, und eine falsche Herangehensweise an das Thema Flexibilisierung kann sowohl im Unternehmen als auch in Gesellschaft und Politik zu starken Gegenreaktionen führen.

Dienstleistungen werden wichtiger und schneller: In der Entwicklung von der Industrie- zur Wissensgesellschaft wird Service weltweit zur wichtigsten volkswirtschaftlichen Größe. In der schnellen Service-Ökonomie mit On-demand Business werden Services sofort erwartet. In der Outsourcing-Gesellschaft lagern Menschen wie Unternehmen mehr und mehr Aufgaben aus.

Arbeit 4.0 und die Frage der politischen Rahmenbedingungen

Die beschriebenen Veränderungsprozesse bringen zahlreiche politische Fragen mit sich:

Wie können die neuen Freelancer geschützt werden, ohne ihre Freiheit zu beschneiden? Wie sieht es mit Arbeitsschutz im Homeoffice aus? Wie gehen wir politisch mit Big Data um?

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat daher einen Dialogprozess unter dem Titel „Arbeiten 4.0“ gestartet – ein Begriff, der sich von der vernetzten „Industrie 4.0“ ableitet. Erste Ergebnisse wurden Ende 2016 in einem Weißbuch vorgelegt.

Mit der Neuregelung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) wurde Ende 2016 auf die wachsende Bedeutung von Homeoffice reagiert, um den Arbeitsschutz klar zu regeln. Für fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die eine wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer vereinbart ist, müssen gewisse Anforderungen bei Einrichtung erfüllt werden. Mobile Arbeit, d.h. die gelegentliche Arbeit zu Hause oder unterwegs fällt hingegen nicht unter diese Regelungen.

In der aktuellen politischen Diskussion sind darüber hinaus vor allem Fragen rund um die Flexibilisierung von Arbeitszeit, z.B. das Rückkehrrecht in Vollzeit aus der Teilzeit, die 32h-Woche für Eltern und die Frage, ob Freelancer durch eine Art „Künstlersozialkasse“ abgesichert werden können.

Wie werden wir morgen arbeiten? Werden wir morgen alle arbeiten? Wie vertragen sich Mensch und Maschine? Wie weit sind wir – in Deutschland – in der Umsetzung mit neuen Arbeitsstrukturen, die „lean“ oder „flexibel“ genannt werden, und die als New Work dem einen den Beginn der Apokalypse, dem anderen Heilsversprechen bedeuten? Unser NIMIRUM-Themenboost „Zukunft des Arbeitens“ ordnet mit Fakten und Expertisen ein gesellschaftlich hochbrisantes Thema ein. Die Zukunft des Arbeitens hat längst begonnen.

New Work – was bringt die Zukunft?

In der Unternehmenspraxis werden aktuell vor allem vier Entwicklungen diskutiert:

  • das Arbeiten in virtuellen Teams
  • zunehmende Arbeit mit Freelancern
  • Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort, insbesondere für Führungskräfte
  • die Konsequenzen für die physische Reorganisation von Büroräumen.

Arbeiten in virtuellen Teams, das kann heißen: eine Kollegin sitzt in Deutschland, ein Kollege in Indien und ein dritter in den USA. Hier ist das Risiko für Misskommunikation aufgrund der Distanz und zusätzlicher interkultureller Herausforderungen ungleich höher, was große Anforderungen an das virtuelle Teammanagement stellt. Auch in der zunehmenden Arbeit mit Freelancern muss das entsprechende Zusammengehörigkeitsgefühl und die Teamorientierung, aber auch das informelle Wissensmanagement immer wieder hergestellt werden. Nicht nur von Freelancern, auch von Führungskräften innerhalb der Organisationen wird eine Flexibilisierung von Arbeitszeit und –ort zunehmend nachgefragt. Dies bringt Herausforderungen für die Selbstorganisation und die Veränderungen des Führungsstils hin zu einer Vertrauenskultur mit sich, aber auch große Chancen insbesondere für den beruflichen Aufstieg hochqualifizierter Frauen! Wenn sich aber Arbeitszeiten und –orte dermaßen flexibilisieren, müssen und können auch die Büroräume flexibler werden. Der Trend geht seit einigen Jahren hin zu Desk Sharing und Open Spaces, dabei müssen jedoch auch die Bedürfnisse der Beschäftigen mitgedacht werden.

Was heißt das konkret für Unternehmen?

1.New Work beginnt mit einer ehrlichen und positiven Bestandsaufnahme dessen, was gut läuft und schon jetzt zur Stärke eines Betriebs und zur Motivation von Mitarbeitern beiträgt. Darauf aufbauend werden Perspektiven entwickelt.

2.New Work sieht je nach Branche anders aus. Viele Branchen sind in dem Prozess schon recht geübt; andere zögern, aber auch bei ihnen gibt es Entwicklungsmöglichkeiten. Die eine Lösung für alle gibt es nicht.

Unternehmen, die sich mit New Work aktiv auseinandersetzen, werden auch nach außen attraktiver, und zwar sowohl für Bewerber/innen als auch für Kunden.

Auf unterschiedlichen Ebenen bietet das Thema New Work also Ansatzpunkte für einen echten Change-Prozess auch in deutschen Unternehmen: Weg von der Präsenzkultur, hin zu digital unterstützter Flexibilität, die Innovationen befördert. Das Spannungsverhältnis zwischen Entgrenzung und Prekarisierung einerseits und den möglichen Zugewinnen für

selbstbestimmte Gestaltungsspielräume der Mitarbeiter/innen andererseits macht dabei den Kern der Debatten um New Work aus.

Zur Person: Dr. Katharina Schiederig hat 8 Jahre Erfahrung als Trainerin und Referentin in Wirtschaft und Wissenschaft. Sie spricht und schreibt über Themen rund um New Work und Diversity. Sie ist Autorin des Buches „Mythos Diversity“ und Gründerin von DigiSitter, einem Social Start Up, dass die Vereinbarkeit von beruflichen Terminen und Kinderbetreuung fördert: www.digisitter.com. Sie hat als Expertin für die EAF Berlin – Diversity in Leadership, Freie Universität Berlin, UNESCO und ILO gearbeitet und eine Promotion zu Diversity Management in Großunternehmen an der FU Berlin abgeschlossen.

Der Artikel erscheint als #themenboost #newwork, den Themenwochen von Nimirum. Alle Informationen dazu hier.

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