Pressemitteilung -
Zwei von drei Online-Shops sind nicht barrierefrei / Testbericht von Aktion Mensch und Google zeigt digitale Hürden und Lösungen auf
- Kurz vor Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes am 28. Juni 2025 haben die Aktion Mensch, Google und die Stiftung Pfennigparade die 65 meistbesuchten Shopping-Portale in Deutschland erneut auf wesentliche Aspekte digitaler Barrierefreiheit getestet.
- Das alarmierende Ergebnis: Nur knapp ein Drittel der getesteten Webseiten erfüllt das für viele Menschen mit Behinderung zentrale Kriterium der Tastaturbedienbarkeit.
- Ab dem Stichtag sind Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten gesetzlich verpflichtet, ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten.
Bonn/Berlin (17. Juni 2025) – Nur etwa ein Drittel der meistbesuchten Webshops in Deutschland ist zumindest in Teilen barrierefrei. Das zeigt der dritte Testbericht, den die Aktion Mensch und Google heute mit Unterstützung von BITV-Consult, UDGund der Stiftung Pfennigparade in Berlin vorgestellt haben. Von den 65 geprüften Websites sind lediglich 20 über die Tastatur – und damit ohne Maus – bedienbar. Für viele Menschen mit Behinderung ist die Tastaturbedienbarkeit eine grundlegende Voraussetzung für den barrierefreien Zugang. Besonders ernüchternd ist dieses Ergebnis mit Blick auf das Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes am 28. Juni, das Webseitenbetreibende zur Barrierefreiheit ihrer digitalen Angebote verpflichtet. Die Tests wurden von geschulten Tester*innen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen durchgeführt.
Häufige Hürden: Fehlende Kontraste, unlogischer Seitenaufbau und störende Banner
Wie der Testbericht zeigt, bieten die meisten der getesteten Webseiten keinen sichtbaren Tastaturfokus. Dies erschwert es Nutzer*innen mit eingeschränktem Sehvermögen zu erkennen, welches Element sie gerade ausgewählt haben. Des Weiteren fehlen oft Kontraste, wodurch die Lesbarkeit von Texten oder das Identifizieren wichtiger Symbole beeinträchtigt werden. Auch eine falsche oder unlogische Tab-Reihenfolge macht es für Nutzer*innen mit Behinderung oft unmöglich, durch die Online-Shops zu navigieren, sich über Produkte zu informieren und diese auszuwählen. Eine weitere Hürde stellen eingeblendete Inhalte wie Banner oder Cookie-Overlays dar, die den Hauptinhalt der Webseite verdecken und sich nicht ohne Weiteres schließen lassen.
Kaum Verbesserung im Vergleich zu den Vorjahren
Bereits in den Jahren 2023 und 2024 führten die Partner den Test durch. Die Ergebnisse waren auch hier ernüchternd: Damals erfüllte nur etwa ein Viertel der untersuchten Shopping-Portale das zentrale Basiskriterium der Tastaturbedienbarkeit. Für die rund 7,8 Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland bedeutet dieser Missstand weiterhin massive Hürden beim Online-Shopping.
Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch: „Die Zeit der Ausreden ist vorbei – in wenigen Tagen müssen digitale Angebote barrierefrei sein. Doch unsere Ergebnisse sind alarmierend: Zu viele Unternehmen nehmen mögliche Bußgelder in Kauf und schließen noch immer Menschen mit Behinderung und damit potenzielle Kund*innen aus. Dabei liegt es auch in ihrem eigenen Interesse, das zu ändern – denn von einem barrierefreien, komfortablen Zugang zu Webseiten profitieren letztlich alle.”
Online-Handel muss ab Ende Juni barrierefrei sein
Am 28. Juni 2025 endet die Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (European Accessibility Act – EAA). Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen – darunter der Online-Handel – barrierefrei zugänglich sind. In Deutschland wird sie durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt. Das Gesetz verpflichtet private Unternehmen dazu, die betroffenen Produkte und Dienstleistungen an die gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit anzupassen. Ausnahmen gelten nur für kleine Dienstleister mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Umsatz unter zwei Millionen Euro. Bei Nichterfüllung drohen Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro.
Konkrete Handlungsempfehlungen – und wie Künstliche Intelligenz unterstützen kann
Der Testbericht macht nicht nur bestehende Barrieren sichtbar, sondern zeigt auch konkrete Lösungswege auf. Anhand positiver Beispiele und praxisnaher Handlungsempfehlungen wird deutlich, wie inklusive digitale Angebote gelingen können. Besonders wichtig: Barrierefreiheit ist keine rein technische Aufgabe, sondern betrifft alle Bereiche – von Konzeption und Design über Redaktion bis zur Kommunikation. Nur wenn Barrierefreiheit als integraler Bestandteil des gesamten Entwicklungsprozesses verstanden wird, können digitale Angebote wirklich inklusiv gestaltet werden.
Isabelle Joswig, Inklusionsbeauftragte von Google: „Aktuell wird Künstliche Intelligenz bei der Entwicklung von Webseiten häufig ausschließlich für die kreative Umsetzung genutzt. Dabei bietet sie zahlreiche Möglichkeiten, die Barrierefreiheit im Web sprunghaft voranzubringen. Ob bei der automatischen Generierung von Alt-Texten für Bilder, der Echtzeit-Untertitelung von Videos oder der Umwandlung komplexer Texte in vereinfachte Sprache – KI macht digitale Inhalte für Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen erheblich zugänglicher und benutzerfreundlicher.“
Der vollständige Bericht kann unter www.aktion-mensch.de/test-barrierefreie-webshopsheruntergeladen werden.
Gerne vermitteln wir Ihnen Interviews mit Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch, Isabelle Joswig, Inklusionsbeauftragte von Google Deutschland sowie mit Tester*innen der Pfennigparade. Bewegtbildmaterial von den Tests durch Personen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen kann auf Wunsch über die PR-Agentur PIABO per E-Mail an google@piabo.net bereitgestellt werden.
Über die Methodik
Ausgangspunkt der Untersuchung waren die Top-500 Webseiten (Similarweb, 2025) in Deutschland. Genauer betrachtet wurden daraus jene 65 Webseiten, die über einen kompletten E-Commerce-Webshop (von der Suche bis zum Kaufabschluss) verfügen. Anhand einer typischen „User Journey“ wurden die ausgewählten Webseiten auf acht zentrale Kriterien für digitale Barrierefreiheit (Basis WCAG) manuell in zwei Schritten überprüft:
- Tastaturbedienbarkeit als Grundvoraussetzung für digitale Barrierefreiheit.
- Webseiten, die via Tastatur bedienbar sind, wurden auf bis zu sieben weitere Kriterien getestet (u. a. Veränderbarkeit der Textgröße, Untertitel bei multimedialen Inhalten sowie Überschriften und Beschriftungen).
Die Testexpert*innen von BITV-Consult, UDG und der Stiftung Pfennigparade sind Menschen mit unterschiedlichen körperlichen, kognitiven oder Sinnesbehinderungen.
Über die Partner des Testberichts
Über Google
Google hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Informationen der Welt zu organisieren und sie allgemein zugänglich und nutzbar zu machen. Mit Produkten wie der Google Suche, Maps, Gmail, Chrome, den Pixel Smartphones und Watches oder Plattformen wie YouTube spielt Google eine wichtige Rolle im täglichen Leben von Milliarden von Menschen. In Deutschland ist Google seit 2001 vertreten und beschäftigt mittlerweile mehr als 2.500 Mitarbeitende an den vier Standorten Hamburg, Berlin, München und Frankfurt. Gemeinsam mit lokalen Partnern arbeitet Google Deutschland an zahlreichen Digitalisierungsprojekten, etwa im Bereich Bildung, Handel, Infrastruktur, Klima- oder Datenschutz. In München betreibt Google ein Zentrum für barrierefreie Technologie, das „Accessibility Discovery Center“. Es dient als Ausstellungsraum und Treffpunkt für Menschen mit und ohne Behinderung, um sich über barrierefreie Technologien zu informieren und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Google setzt sich außerdem aktiv für ein barrierefreies Web ein und ist dazu in verschiedenen Normungs- und Beratungsgremien vertreten. Derzeit engagiert Google sich bei den folgenden Organisationen: Federal Communications Commission (FCC) Video Programming Accessibility Advisory Committee (VPAAC), FCC Consumer Advisory Committee (CAC) und World Wide Web Consortium (W3C). Außerdem hat Google die weltweite Kampagne “Impact Challenge: Behinderungen” ins Leben gerufen. Google ist eine Tochtergesellschaft von Alphabet Inc.
Über Stiftung Pfennigparade
Die Münchner Stiftung Pfennigparade setzt sich seit über 70 Jahren für die Belange von Menschen mit vorrangig körperlicher Behinderung, erworbener Hirnschädigung, Autismus-Spektrum-Störung und Sinnesbehinderungen ein. In der Werkstatt der Pfennigparade erhalten Menschen, die aufgrund der Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden, sinnvolle und behindertengerechte Arbeitsplätze. Das rund 60-köpfige Team, vorwiegend Menschen mit Behinderungen, berät und schult zur digitalen Barrierefreiheit, testet Websites, Apps und Software auf Konformität und bietet im Test.Labor Barrierefreiheit Usability Tests durch Menschen mit Behinderungen an. www.digitale-barrierefreiheit.de
Über BITV-Consult
Detlef Girke alias BITV-Consult bietet seit 2008 professionelle Unterstützung im Bereich der Inklusion für Menschen mit Behinderung für Behörden des Bundes und der Länder sowie private Organisationen zur barrierefreien Gestaltung von Webauftritten, Intranets, eAkten, Fachanwendungen und Dokumenten an. Die Beratung erfolgt zum Beispiel in Form von strategischer Unterstützung (zum Beispiel in Vergabeverfahren) sowie mittels Tests, Workshops und Projektbegleitung. Detlef Girke ist Mitglied im Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik, Leiter des BIT-inklusiv-Netzwerks und arbeitet regelmäßig mit an Projekten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung. www.bitvconsult.de
Über UDG
UDG steht für herausragende Kund*innenerlebnisse und die digitale Transformation von Marketing und Sales. Die Digitalagentur vereint die Disziplinen Consulting, Insights &
Strategy, Brand, Creativity & UX, Media, Technology & Platforms sowie CRM, Data & Analytics und erarbeitet mit dieser ganzheitlichen Expertise für Konzerne und für marktführende, mittelständische Unternehmen eine komplett integrierte, digitale und datenbasierte Customer Experience. Im Bereich der digitalen Barrierefreiheit führt UDG Barrierefreiheits-Audits durch, hilft bei der Priorisierung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Accessibility und bietet Trainings an, um Teams für inklusives Design zu sensibilisieren. So sorgt UDG dafür, dass digitale Produkte für alle Nutzenden zugänglich und nutzbar sind. https://www.udg.de/de/
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Über die Aktion Mensch
Die Aktion Mensch ist die größte private Förderorganisation im sozialen Bereich in Deutschland. Seit ihrer Gründung im Jahr 1964 hat sie mehr als fünf Milliarden Euro an soziale Projekte weitergegeben. Ziel der Aktion Mensch ist, die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung, Kindern und Jugendlichen zu verbessern und das selbstverständliche Miteinander in der Gesellschaft zu fördern. Mit den Einnahmen aus ihrer Lotterie unterstützt die Aktion Mensch jeden Monat bis zu 1.000 Projekte. Möglich machen dies rund vier Millionen Lotterieteilnehmer*innen. Zu den Mitgliedern gehören: ZDF, Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie, Paritätischer Gesamtverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Seit Anfang 2014 ist Rudi Cerne ehrenamtlicher Botschafter der Aktion Mensch www.aktion-mensch.de