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Dr. Christa Maar ist Präsidentin des Netzwerk gegen Darmkrebs e.V.
Dr. Christa Maar ist Präsidentin des Netzwerk gegen Darmkrebs e.V.

Blog-Eintrag -

HOHE TEILNAHME BEI DER DARMKREBSVORSORGE? NACH WIE VOR EIN ROTES TUCH!

Es ist März und so ruft auch in diesem Jahr die Felix Burda Stiftung gemeinsam mit der Stiftung Lebensblicke und dem Netzwerk gegen Darmkrebs e.V. dazu auf, über die Chancen der Prävention bei Darmkrebs zu informieren. Wir nutzten die Gelegenheit und sprachen mit Dr. Christa Maar - der Präsidentin des Netzwerk gegen Darmkrebs - über die Motivation der Bevölkerung zur Darmkrebsvorsorge.


NgD: Frau Dr. Maar, es ist Darmkrebsmonat März. Letztes Jahr fiel der erste Lockdown in den Zeitraum des Aktionsmonats. Das hat einiges an Aufmerksamkeit für das Thema Darmkrebsvorsorge abgezogen. Doch hat sich dies auch negativ auf die Teilnahme an der Darmkrebsvorsorge ausgewirkt?

Es gab lediglich in der letzten Märzwoche 2020, das heißt mit Beginn des Lockdowns, einen stärkeren Einbruch bei den Vorsorgekoloskopien. Doch wenn man die ersten drei Quartale 2020 betrachtet, dann hat sich diese Tendenz nicht fortgesetzt, sondern es wurden im Gegenteil sogar in dieser Zeit 9.500 mehr Vorsorgekoloskopien durchgeführt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

NgD: Im Zusammenhang mit den Teilnahmezahlen an der Darmkrebsvorsorge führen Sie immer wieder an, dass zu wenig getan wird, um die Menschen für die Vorsorge zu motivieren. Können Sie das spezifizieren?

Im Nationalen Krebsplan wurde bereits vor 10 Jahren gefordert, dass man die Menschen zur Darmkrebsvorsorge einladen sollte. Warum? Weil ein bevölkerungsbezogenes Screening Programm für Darmkrebs nur dann effektiv sein kann, wenn möglichst viele Menschen aus der Zielgruppe an der Vorsorgeuntersuchung teilnehmen. Schon damals hatte ich in den Diskussionen, wie ein Einladungsverfahren umzusetzen sei, das Gefühl, dass es im deutschen Gesundheitswesen eine Aversion gegen den Begriff Teilnahmerate gab und stattdessen immer der Begriff der ‚informierten Entscheidung‘ dominierte. Es ist selbstverständlich, dass Menschen, denen man eine präventive Leistung anbietet, so informiert werden müssen, dass sie sich für oder gegen die Teilnahme entscheiden können. Doch statt in der sogenannten „Entscheidungshilfe“ zum Einladungsverfahren, dass nach 6-jähriger Diskussion im Juli 2019 endlich eingeführt wurde, sachlich und verständlich über den Nutzen und den eventuellen Schaden der angebotenen Untersuchungen zu informieren, werden die Eingeladenen auf vielen Seiten mit statistischen Beispielen traktiert, die eigentlich nur den Schluss zulassen: an dieser Krebsvorsorge teilzunehmen bringt nichts. Der Begriff ‚hohe Teilnahmerate‘ war schon vor 10 Jahren ein rotes Tuch für die Entscheider der Selbstverwaltung, die ihn dauerhaft aus dem Paper zur Weiterentwicklung der Darmkrebsvorsorge verbannt haben. Er ist es bis heute geblieben. Dazu kommt, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung sich ohnehin beim Verstehen von Gesundheitsinformationen schwer tut. Entsprechend niedrig ist mit ca. 10 % die Teilnahme am immunologischen Stuhltest, die in anderen Ländern bei 60-70 % liegt. Unterm Strich kann man nur sagen: Aufgabe verfehlt.

NgD: Das ist die eine Seite, doch es gibt doch auch eine Broschüre in „leichter Sprache“. Dann können Betroffene doch einfach diese verwenden…

Es gibt sie zwar, aber sie wird offensichtlich nicht für das Einladungsverfahren genutzt. Sie ist tatsächlich leichter lesbar und verzichtet vor allem auf unsinnige Statistiken, deren Sinn sich vor allem Lesern mit geringer Gesundheitskompetenz nicht erschließt. Da man den Adressen, an die die Einladungen verschickt werden, nicht ansieht, welcher Empfänger eine eingeschränkte Medienkompetenz hat, eignet sich die Broschüre nicht für das Einladungsverfahren. Um sie zu finden, muss man schon wissen, dass ein Text in einfacher Sprache im Internet vorhanden ist und wo in den zahlreichen Unterverzeichnissen des G-BA er zu finden ist. Es handelt sich also eher um eine Angelegenheit für Spezialisten wie Ärzte, um damit Menschen mit einem eingeschränkten Schrift- oder Sprachverständnis zu unterstützen.

Es wäre interessant, einmal zu untersuchen, wie viele Darmkrebserkrankungen, durch die wenig einladende „Entscheidungshilfe“ und die dadurch verhinderte höhere Teilnahmerate, erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt wurden und wie viele Todesfälle von Darmkrebs nicht verhindert wurden.

NgD: Sie sind Präsidentin des Netzwerk gegen Darmkrebs. Was tut das Netzwerk, um dem entgegen zu wirken?

Das Netzwerk gegen Darmkrebs kommt seinem Namen nach und vernetzt sich in erster Linie mit den wichtigen Fachgesellschaften in der Gastroenterologie. Um Dinge im politischen System nachhaltig zu verändern, braucht es die Power und die Stimme vieler Institutionen. Wie bereits bei unserer Gemeinsamen Erklärung zur „Umsetzung des organisierten Darmkrebsscreenings durch den G-BA“ im Jahr 2018 haben wir uns auch nun wieder mit den wichtigen Playern in diesem Bereich, wie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), der Stiftung Lebensblicke, dem Berufsverband der Niedergelassenen Gastroenterologen (bng) und vielen weiteren zusammen geschlossen, um mit der notwendigen Fachkompetenz zur Weiterentwicklung des Einladungsverfahrens zur Darmkrebsvorsorge und der Generierung höherer Teilnahmequoten beizutragen.

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Carina Mittermeier

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Deutschlands Kompetenz in Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Darmkrebs

Die Gründung des Vereins „Netzwerk gegen Darmkrebs“ mit Sitz in München wurde 2004 von Dr. Christa Maar – Vorstand der Felix Burda Stiftung; Prof. Dr. Meinhard Classen – Vorsitzender der IDCA und ehem. Direktor der II. Medizinischen Klinik und der Poliklinik der TU München Klinikum rechts der Isar; sowie Dr. Berndt Birkner – Gastroenterologe, Präsident des Netzwerk gegen Darmkrebs e.V. und Kurator der Felix Burda Stiftung – initiiert.
Das bundesweit aktive „Netzwerk gegen Darmkrebs“ ist die wichtigste gemeinnützige, unabhängige Vereinigung zum Thema Darmkrebsvorsorge in Deutschland und verzeichnet heute rund 200 Mitglieder.

Aufgabe und Kernkompetenz des Netzwerks ist die Vernetzung hochkarätiger Entscheider und Meinungsführer im Bereich der Prävention, insbesondere der Darmkrebsvorsorge. Das Netzwerk gegen Darmkrebs e.V. bringt diese Opinion Leader aus Public Health, Medizin, Politik, Wirtschaft, und Wissenschaft die sich in gleicher Weise um die Darmkrebsprävention bemühen, an einen Tisch, um gemeinsam an der Verbesserung der Darmkrebsvorsorge in Deutschland zu arbeiten. Das Netzwerk schafft so den Transfer von der Wissenschaft zur Praxis und will auf diesem Weg neue gesundheitspolitische Standards schaffen.

Das Ziel des Vereins und seiner Mitglieder ist es, die Anzahl der Menschen in Deutschland, die jährlich an Darmkrebs sterben, von aktuell 24.400 innerhalb von 10 Jahren um die Hälfte zu senken. Die Mitglieder des Vereins sind visionäre Vordenker für die Verbesserung der Qualität und Patientenfreundlichkeit der Vorsorge von Darmkrebs. Sie gelten als aktive Wegbereiter von Innovationen und gesellschaftspolitischen Veränderungen im Bereich der Darmkrebsvorsorge und -früherkennung.

Das Netzwerk unterstützt den Informationsaustausch seiner Mitglieder durch regelmäßige Experten-Symposien zu relevanten Fachthemen, sowie durch fundiert recherchierte Newsletter.

Die Mitgliedsplätze sind limitiert und werden nach strengen Kriterien vergeben. Wichtigstes Kriterium für eine Aufnahme in den Verein ist die Förderung der Entwicklung des öffentlichen Gesundheitswesens und/oder betrieblichem Gesundheits-Managements auf dem Gebiet der Prävention, insbesondere der Vorsorge und Früherkennung von Darmkrebs sowie der nachhaltigen Förderung der damit verbundenen gemeinnützigen Arbeit des Netzwerkes.

Netzwerk gegen Darmkrebs – der Think Tank für die Vorsorge.

Netzwerk gegen Darmkrebs e.V.
Schleißheimer Str. 6
80333 München
Deutschland