Die dritte Bewegtbildrevolution: Content-Explosion, Apps und Kampf um die besten Plätze im Smart-TV

• Tasting Talk vom 01.10.2021: „Wettbewerb unlimited in der neuen smarten TV-Welt – Jeder gegen jeden, 24/7“
• Christof Baron: 2/3 aller Haushalte besitzen einen Smart-TV – Nutzung ändert sich rasant
• Eva-Maria Sommer: Über 300 Bewerbungen für eine Public-Value-Einstufung
• Martin C. Körner: Smart-TV ideal für Marken-Kommunikation: Maximale Verweildauer bei TV-Apps

Schon dreiviertel aller deutschen Haushalte haben einen Smart-TV: als multimediale, vernetzte Alleskönner verändern sie das Nutzerverhalten rasant und stellen Programmmacher und Werbetreibende vor neue Herausforderungen: Um die Auffindbarkeit auf der Benutzeroberfläche tobt ein heftiger Wettbewerb, den die Landesmedienanstalten regeln sollen. Die Zusammenfassung des Tasting Talks vom 1. Oktober.

Im Fokus des 17. Tasting Talks stand der Wettbewerb in einer veränderten Medienwelt: Technischer Fortschritt und eine fortschreitende Internationalisierung des Markts treiben das Tempo und die Komplexität des Wandels. Mobile Screens und Smart TVs haben sich als Endgeräte etabliert und globale Player wie Netflix, Amazon und Co. erhöhen den Druck auf etablierte, nationale Akteure. Passend dazu verkündete erst Anfang vergangener Woche der amerikanische Streaming-Pionier Roku seinen Einstieg in den deutschen TV-Markt. So steigt der Wettbewerb um die Auffindbarkeit der Inhalte. Über die Sichtbarkeit bei den Verbrauchern entscheiden immer mehr die Benutzeroberflächen der Smart-TVs: Wer als Content-Provider, TV-Sender, Creator, Werbetreibender oder Plattform mit seinen Inhalten weiterhin wahrgenommen werden will, muss hier Präsenz zeigen. Diese Relevanz zeigte sich auch bei der Umfrage unter den Teilnehmern: Ganze 81% der Zuschauer gaben an, Apps auf dem Smart-TV zu nutzen.

Über diesen Wettbewerb und die Möglichkeiten von Nutzern und Anbietern in der neuen smarten TV-Welt diskutierten im ersten Tasting Talk nach der Sommerpause Experten der Branche. Christof Baron, unabhängiger Mediaberater bei Media For Excellence, führte mit Daten und Fakten in das Thema ein, bevor Dr. Jörn Krieger von Broadband TV News die Diskussion leitete. Seine Gesprächspartner am Freitag waren Eva-Maria Sommer, Pressesprecherin und Leiterin der Stabsstelle für Strategie und Kommunikation bei der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), und Martin C. Körner, Geschäftsführer des TV-App-Entwicklers MEKMedia. Die Stimmen der Gäste im Überblick:

Christof Baron präsentierte aufschlussreiche Zahlen, Daten und Fakten zur Mediennutzung der Deutschen. Den Konsum von „Bewegtbildcontent“ sieht er als unabhängig von Plattform, Zeit, Gerät und Ort und hält fest: „Für junge Zielgruppen ist Streaming Alltag“. Genau um diese Zielgruppen ist ein Wettkampf entfacht – Geschwindigkeit, Dynamik und die Zahl der Anbieter steigen und erhöhen den Druck auf die Marktteilnehmer. Dennoch ist für Baron in Deutschland „noch einiges an Wachstum zu erwarten“. Dafür spricht eine bisherige „Zweiteilung des Marktes“: Während ältere Zielgruppen noch primär lineares Fernsehen nutzen, steigt der Anteil des Streamings bei den jüngeren Altersgruppen merklich. Mit Blick darauf, dass bereits 2/3 aller Haushalte einen Smart TV besitzen, spricht er von einer „dritten Bewegtbildrevolution“ und hält fest: „Der mit dem Internet verbundene Smart-TV ist der neue Standard der stationären Videonutzung und verändert das Nutzungsverhalten rasant.“ Neben Content kommt dabei auch der Distribution eine besondere Rolle im Wettstreit zu. Hier sieht er den „Einsatz von Technologie und Daten“ als die „wesentlichen Treiber, um diese neue Welt zu erschließen“.

Eva-Maria Sommer beurteilte die Situation aus einer regulatorischen Sicht. Sie verwies auf die Regelung durch den neuen Medienstaatsvertrag und den Public Value. Dieser regelt die Auffindbarkeit der Angebote auf Plattformen und Nutzeroberflächen gemessen am Wert für die Gesellschaft und dem „Beitrag zur Meinungsvielfalt“. Am 30. September 2021 endete die Bewerbungsfrist und so seien die Medienaufseher gerade „mittendrin in der Umsetzung des neuen Medienstaatsvertrags“. Insgesamt gingen „weit über 300 Bewerbungen“ für eine Public-Value-Bewertung ein, die es nun zu prüfen gilt. Darin sieht sie ein eindeutiges Zeichen für eine „erfreuliche Vielfalt“ an „meinungsrelevanten Angeboten“. Bei allen neuen gesetzlichen Rahmen hob sie die Gestaltungsfreiheiten für Anbieter und Nutzer bei den Benutzeroberflächen hervor. So haben Nutzer die Möglichkeit, ihre Oberflächen nach ihren persönlichen Präferenzen umzusortieren und an ihr persönliches Nutzungsverhalten anzupassen. In der Pflicht sieht sie jedoch erstmal die Anbieter, „sich Gedanken zu machen, wie sie diese leichte Auffindbarkeit gut umsetzen können“.

Martin C. Körner brachte als Entwickler von TV-Apps eine dritte Perspektive in die Diskussion ein. Er sieht den Werbemarkt durch große Marken finanziert und verwies darauf, dass diese in den vergangenen Jahren viel Bewegtbildcontent produziert haben und diesen auf eigenen Kanälen wie YouTube oder den Webseiten teilen. Nun haben sie jedoch gemerkt, „dass dieser Content auf dem Smart-TV besonders gut funktioniert“: „Auf keinem anderen digitalen Kanal“ schafften die Marken eine solch lange Verweildauer wie auf den Apps der Plattformanbieter. Hier stellt jedoch das Thema der Auffindbarkeit eine große Herausforderung dar: „Marken, die früh angefangen haben, hatten den Vorteil, dass es noch nicht viele Apps gab – heute sind das natürlich deutlich mehr Apps geworden“ und der Wettkampf ist größer. Umgangen wird dies und die fehlende Bedeutung für den Public Value gerne durch bezahlte Banner und Advertising auf Startbildschirmen, die direkt mit der jeweiligen App verknüpft sind. Und mit gutem Content. Denn ein Satz behält nach Körner auch in der neuen TV-Welt seine Gültigkeit: „Content is King“.

Nach der lebhaften Diskussion präsentierte Gastgeber Frank Apfel die Weinempfehlung des Tages. Dieses Mal fiel die Wahl auf einen Mundus-Vini-Gewinnerwein aus Moldawien. Der Reserve Chardonnay Pinot Grigio aus dem Weingut Radacini Wines S.R.L. überzeugt mit einem vollen Körper, einer hohen Komplexität und den Noten von Zitrusfrüchten.

Die Aufzeichnung des Tasting Talk #17 bei YouTube: