Erfolgreiche PR in der Pharmaindustrie: Wie Botschaften trotz Risiken und Nebenwirkungen durchdringen

Kaum eine Branche ist stärker reguliert als die Hersteller von Pharma-Produkten. Die Positionierung für die Unternehmen der Branche zwischen auskömmlichen Gewinnen und dem Wohl der Patienten ist eine Gratwanderung, die auf allen Kanälen stattfindet. Manchmal scharfzüngig und bestens orchestriert.

Manchmal muss es dann doch das ganz schwere Geschütz sein – so zu beobachten am Beispiel des Pharmakonzerns Roche. Der hat am 25. Mai kurzerhand Verfassungsbeschwerde gegen ein Krankenkassengesetz des Bundesgesundheitsministers eingereicht. Roche sieht in dem Gesetz einen „nicht gerechtfertigten Eingriff in die grundgesetzlich zu schützende Berufsausübungsfreiheit sowie den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz“.

Karl Lauterbach hatte das zum Jahreswechsel in Kraft getretene Gesetz auf den Weg gebracht, um ein Milliardenloch in den Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung zu stopfen. Dabei wurden unter anderem die Herstellerrabatte, die Unternehmen den gesetzlichen Krankenkassen gewähren müssen, für dieses Jahr erhöht. Neben Roche hatten viele andere Branchenvertreter ebenfalls starke Kritik an dem Gesetz geübt. Sie sehen die Innovationskraft der Branche in Gefahr und warnten vor Konsequenzen auch für Patienten.

Brief an den Bundeskanzler

Was das mit Kommunikation zu tun hat? Nun das können Sie im „Pioneer Briefing“ von Gabor Steingart nachlesen, der von der Vorgeschichte dieser Verfassungsbeschwerde zu berichten weiß – und vermutlich aus der Branche entsprechend aufgeklärt wurde. Der Twitter-Kanal von Roche Deutschland (knapp 5000 Follower) preist jedenfalls am Tag der Veröffentlichung gerne die Steingart-Story an.

Bundeskanzler Olaf Scholz erhielt demnach vom Verwaltungsratspräsidenten der Roche Gruppe, Christoph Franz, eine erste schriftliche Warnung, und zwar schon im März. „Mit großer Sorge blicke ich auf die schleichende Deindustrialisierung hierzulande und die schwindende Technologieführerschaft gerade in der industriellen Gesundheitswirtschaft“, schrieb der Roche-Manager demnach dem Kanzler. Die Innovationsstärke Deutschlands sei „dramatisch erodiert“, vor allem bei den für die forschende Pharmaindustrie so wichtigen klinischen Arzneimittelstudien.

Eine Verfassungsklage mit Ansage sozusagen. Ein perfektes Beispiel, wie und warum die politische und Unternehmenskommunikation immer stärker verschmelzen und gut daran tun zusammenzuarbeiten:

  • Politiker sind sicherlich postalisch, aber vor allem auch direkt auf Social Media erreichbar.
  • Ihre Ansprache ist öffentlich nachvollziehbar und provozierend wie ein offener Brief. Die Streuwirkung ist erwünscht.
  • Firmenchefs und Politiker kommunizieren auf Augenhöhe direkt miteinander – und setzen so öffentliche Statements
  • Gut aufeinander abgestimmt kann aus klischeebesetztem Hinterzimmer-Lobbyismus, postalischen Briefen, offenen Ansprachen, Aktionen eines Lobby-Verbandes, gespielten Informationen, Mobilisierung der politischen Opposition oder zumindest des Koalitions-Partners, Publikationen in eigenen Medien und natürlich auch unter Einschaltung klassischer Medien eine regelrechte Kampagne entstehen, die handstreichartig eine Position in die Öffentlichkeit spült.
  • Der Begriff der Branche dafür: Agenda-Setting.

Das sieht man auch am Verband der forschenden Pharma-Unternehmen vfa, der einen Tag vor der Verfassungsbeschwerde sekundierte mit einem „Tag der innovativen Gesundheitswirtschaft“. Wenig überraschender Tenor der Veranstaltung: „Forschung ist Deutschlands beste Medizin“.

Und als wäre das nicht genug – „Pharma-Fakten“ verstärkt den gewünschten Buzz noch einmal kräftig. Das Portal ist eine „Initiative von Arzneimittelherstellern in Deutschland“. Am Tag der Verfassungsbeschwerde berichtet natürlich auch „Pharma-Fakten“ vom „Tag der innovativen Gesundheitswirtschaft“ in Berlin – und zitiert den geladenen grünen Bundeswirtschaftsminister mit der Headline: „Habeck: Ohne innovative Gesundheitswirtschaft wären wir nicht das Land, das wir sind“. Natürlich hat „Pharma-Fakten“ auch eine eigene Position zum geplanten Lauterbach-Gesetz: „Arzneimittelversorgung: Falsches Sparen kommt Deutschland teuer zu stehen.“

Zielgruppe? Alle! Denn jeder kann krank werden.

Großes Kino einer großen Branche, die zwischen Standortbedingungen, Regulierung, Shareholder Value und den Hoffnungen ihrer Kunden – den Patienten – schnell zerrieben werden kann. Zielgruppe? Alle! Denn jeder kann krank werden. Krankheit geht alle an und Patienten sind ein prima Wähler-Potenzial, das Politiker für sich mobilisieren und nutzen wollen. Da geht es der Pharmabranche ähnlich wie den Lebensmittelherstellern, die dies auch erleben.

Es geht aber auch eine Nummer kleiner: Mal ganz vom Patienten aus gedacht. Nackenschmerzen? Oder doch eher Schulter, Rücken, Handgelenk, Knie, Fuß? Wo tut es denn weh? Pharma-Multi GlaxoSmithKline klärt auf. Kein Wunder, denn der Bestseller Voltaren wirkt am Ende wohl gegen alles. „Welche ist die geeignete Schmerzbehandlung für Sie?“ – wer hat sich diese Frage nicht schon mal gestellt? Antworten gibt es hier. Und wohl auf so gut wie jeder anderen Website eines Pharmaherstellers mit populären Bestseller-Präparaten – Hilfe zur Selbsthilfe.

Was lässt sich daraus für andere lernen? Abgestimmte Kommunikation wirkt Wunder. Und: Wer durchdringen will mit seinen Botschaften, braucht eine Vielzahl von Kontakten in die Medien. Dabei hilft übrigens Mynewsdesk: Mit dem wohl breitesten und aktuellsten Presseverteiler, den man sich wünschen kann.

Fazit: Kaum eine andere Branche ist derart versiert darin, Kampagnen zu fahren, Botschaften zu senden und sie vor allem zu orchestrieren. Wenig andere Branchen haben neben der Politik auch derart den Endkunden als Zielgruppe im Visier. Und fast keine Branche verfügt über eine solche Finanzkraft, dieses kommunikative Spiel zu bezahlen und strategisch zu betreiben.

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