PR muss reden. Nicht nur über Produkte. Auch über das Miteinander.

Glaubwürdigkeit ist ein kostbares Gut, um Botschaften und Vertrauen zu vermitteln. Doch der PR fällt es zunehmend schwerer, sie zu gewinnen und zu verteidigen. Das liegt nicht nur an den PR-Profis. Aber auch.

Jeder kennt Olaf Scholz. Aber praktisch keiner weiß, wofür er steht. Der Kanzler ist dauerpräsent in den Medien. Aber er gewinnt selten an Kontur. Ob Klimaschutz, Ukraine-Krieg oder Schuldenbremse – die Haltung des Regierungschefs der selbsterklärten europäischen Führungsnation bleibt meist seltsam verschwommen. Warum eigentlich?

PR ist Beziehungsarbeit. Sie verfolgt das Ziel, gute, vertrauensvolle Beziehungen zu allen Zielgruppen, neudeutsch: Stakeholdern, zu erreichen. Im Fall der Politik zu Wählern, Medien, Verbänden und ausländischen Partnern, im Fall von Unternehmen zu Kunden, Lieferanten, Anwohnern, Eigentümern und Mitarbeitern. Effiziente Kommunikation ist dabei nicht Zweck, sondern Mittel der PR. Im Fall von Olaf Scholz drängt sich der Verdacht auf: Der Kanzler und seine PR-Berater haben das nicht verstanden – Koalitionszwänge hin oder her.

PR lebt im Spannungsfeld eines doppelten Anspruchs: Einerseits soll sie die Botschaften des Absenders platzieren, andererseits die Erwartungen der Stakeholder bedienen. Letzteres wird gerne vergessen. Dabei ist eine Botschaft nur so gut und wirksam, wie sie vom Publikum auch willig aufgenommen wird. Das heißt nicht: Dem Publikum muss die Botschaft gefallen. Aber sie muss vom Publikum wenigstens verstanden werden.

„Die PR hat auch einen gesellschaftlichen Auftrag als vermittelnde Profession“, schreibt der Kommunikationsberater Wolfgang Griepentrog in einem Plädoyer für mehr Wertschätzung und Engagement der PR. „Sie bringt Licht und Orientierung in die komplexen Zusammenhänge einer immer unüberschaubareren Welt und hat damit einen unschätzbaren Wert. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft […] können darauf nicht verzichten.“

Wer eindimensional kommuniziert, beschränkt seine eigene Relevanz

Der Alltag ist ungleich trister. Es dominiert die Jubel-PR, die nur eine Botschaft kennt: „Wir und unsere Produkte sind toll.“ Das mag im Einzelfall zwar richtig sein, wirkt in der Gesamtheit aber fatal. Denn wer eindimensional kommuniziert, beschränkt seine eigene Relevanz – und auch seine Glaubwürdigkeit. Wer nimmt schon Gesprächspartner ernst, die nur ein Thema in nur einer Ausprägung haben: sich selbst und ihre eigene Brillianz.

PR-Manager klagen über eine seit Jahren schrumpfende Anerkennung und Glaubwürdigkeit. Zuletzt in der Studie „PR und Kommunikation in Deutschland 2024“ von Mynewsdesk. Sie sind nicht allein schuld daran. Das sind auch die Rahmenbedingungen. Der Medienkosmos und der gesellschaftliche Diskurs haben sich dramatisch verändert. Die sogenannten „sozialen Medien“ haben zu Echokammern und völlig neuen Erregtheitniveaus geführt und Influencer machen hemmungslos Werbung für jedes nur erdenkliche Produkt unter dem Deckmantel der „eigenen Meinung“. Da kann das Vertrauen schon mal leiden.

Nur dürfen das PR-Profis nicht als Ausrede nutzen, den Griff an die eigene Nase zu unterlassen: PR erklärt heute viel zu selten, sondern wirft gerne Nebelkerzen. Eine toxische Mischung.

Fake News, das Gift unserer Zeit, sind ja nicht nur faktische Falschnachrichten. Auch das „Framing“, die bewusste Irreführung und vorsätzliche Fehlinterpretation von Fakten und Ereignissen, sind Fake News. PR kann sich diese nicht leisten. PR will die Einstellung zu Produkten und Unternehmen oder Organisationen verbessern. Schon deshalb muss sie daran interessiert sein, die fortwährende Unterminierung der eigenen Glaubwürdigkeit zu stoppen. Dazu gehört auch: Sich gesellschaftlichen Diskussionen nicht weiter zu entziehen, in der Annahme, Wirtschaft und Gesellschaft seien zwei sauber voneinander getrennte Spähren.

Recruiter bemerken den Wandel seit Jahren: Kaum noch ein Job-Interview, das ohne Frage nach dem Purpose des Unternehmens auskommt, nach dem „Was macht ihr? Warum macht ihr das?“. Und so fragen auch Käufer längst immer häufiger: „Wo steht ihr? Wofür steht ihr?“ Nicht-Positionierung ist darauf keine geeignete Antwort.

Die Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs ist zwingend erforderlich 

PR braucht nicht notwendigerweise Mut, sondern die schlichte Einsicht, dass der starre Fokus auf unternehmensspezifische Themen nicht hinreichend ist, Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen und zu pflegen. Dass vielmehr die Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs zwingend erforderlich ist, um als Gesprächspartner wertgeschätzt und beachtet zu werden. Aber nicht in den üblichen Plattitüden der präsidialen Sonntagsrede. Sondern mit offenen, klaren und ehrlichen Worten. Gegenwind inklusive.

Es gibt hoffnungsvolle Entwicklungen. Etwa bei den Demonstrationen gegen Rechtsradikale. So hat sich etwa VW-Vorstandschef Oliver Blume Mitte Februar mit in die erste Reihe gestellt, hat in einer Rede vor Ort klar Position bezogen. Denn er hat verstanden: Schweigen, Ausblenden, Verklausulieren oder Drumherumreden ist keine Strategie für ein Unternehmen, das Menschen für sich und seine Produkte gewinnen will. Ob Olaf Scholz zugehört hat?