Pressemitteilung -
Nationale Identität im europäischen Sicherheitskontext | Seul A Lee schließt Promotion an der Universität Vechta mit magna cum laude ab
„Deutsche Identität nach der Wiedervereinigung“ hieß der Titel ihrer Arbeit. Nun hat Seul A Lee ihre Promotion an der Universität Vechta mit magna cum laude bestanden und ist damit Doktorin der Politikwissenschaft. Die Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität Vechta untersuchte politische Reden, um die Entwicklung der deutschen Identität zu analysieren und diese in einen europäischen Sicherheitskontext zu setzten.
Dass eine ständige Wechselwirkung zwischen der nationalen Identität Deutschlands und der Struktur Europas besteht, stand bei Lee als zentrale Annahme im Raum. Wie aber hat sich die nationale Identität nach der Wiedervereinigung verändert? Und wie wirkte sich diese auf die europäische Gesellschaft aus, insbesondere im Hinblick auf die europäische Sicherheit?
Um die Identitätsfrage im Sicherheitskontext zu analysieren, bezog sich Lee auf die theoretischen Ansätze der Kopenhagener Schule der internationalen Beziehungen. Das Hauptargument der Ansätze der Versicherheitlichung („securitization“) besteht darin, dass in den internationalen Beziehungen ein Problem nicht deshalb zu einem Sicherheitsproblem wird, weil es eine objektive Bedrohung darstellt, sondern weil ein Akteur etwas als existentielle Bedrohung für das Überleben eines bestimmten „Objekts“ definiert. Lee fokussierte sich auf die Sprechhandlungen der Akteure und zwar auf ausgewählte politische Reden der Bundespräsidenten und -kanzler*innen zwischen 1989/1990 – 2020, u. a. die Weihnachts- bzw. Neujahrsansprache, sowie die Reden beim Jahresempfang mit Diplomaten.
Lee stellte in den untersuchten Reden fest, dass sich die deutsche Identitätsbildung nach der Wiedervereinigung noch weiter von einem Nationalismus wegbewegte; einfacher ausgedrückt: die Identifizierung mit dem Land und auch ein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl wurden relativiert und eingegrenzt. Eher habe sich eine postnationalistische Wertegemeinschaft entwickelt, die sich sowohl auf Europäische und globale, aber auch lokale Einheiten bezogen hat. „Hierbei vermag das Streben nach einer postnationalistischen Wertegemeinschaft bei den untersuchten Reden auf der innerdeutschen Ebene der deutschen Gesellschaft mitunter nicht genügend Zusammenhalt und Zusammengehörigkeitsgefühl zu vermitteln“, so Lee und sieht hierin auch eine Mögliche Erklärung für das Erstarken von rechtsnationalen Bewegungen in ostdeutschen Bundesländern. „Aus dieser Sichtweise lässt sich erklären, dass die Wahlergebnisse bzw. -auftritte in den neuen Bundesländern anders sind als in den alten Bundesländern, ebenso wie die Situation, in der Rechtspopulismus und Extremismus – wie Ansichten von Pegida und AfD – stärker unterstützt werden. Die, in der ehemaligen DDR auf niedrigem Niveau entstandene Lücke kollektiver Identität, wird als unausgefüllter Verlust hingenommen“.
Die Bedeutung und Entwicklung einer deutschen Identität zeichnet Lee für die europäische Sicherheitslage in Ihrem Resümee: „Insgesamt lässt sich interpretieren, dass der Prozess der nationalen Identitätsbildung im vereinten Deutschland zu einer Entsicherheitlichung („desecuritisation“) der Deutschen Frage auf europäischer Ebene geführt hat“, so Lee. Die postnationalistischen Ansätze im Identitätsbildungsprozess haben zu einem – gemessen an den Nachbarstaaten – eher schwach ausgeprägtem nationalen Selbstbewusstsein geführt, haben aber Deutschland das Image als einen „guten“ Nachbar unter dem gemeinsamen europäischen Dach verliehen.