Pressemitteilung -
Öffentliche Ringvorlesung „Gedenken und Geschichtsbewusstsein. Neue Herausforderungen für die Gedenkstättenarbeit“ | Ausklang der Vortragsreihe mit zwei Vorträgen zu innovativen Ausrichtungen
Die seit April 2025 an der Universität Vechta veranstaltete Ringvorlesung „Gedenken und Geschichtsbewusstsein. Neue Herausforderungen für die Gedenkstättenarbeit“, organisiert in Zusammenarbeit mit der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten von Prof. Dr. Eugen Kotte und Hannah Sandstede (beide Didaktik der Geschichte / Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Vechta) findet im Juli ihren Abschluss. Nachdem zunächst in den ersten Veranstaltungen die grundsätzlichen Diskussionen um Erinnerung und Geschichtsbewusstsein thematisiert worden waren, wurden in weiteren Vorträgen thematische Zuschnitte, Geländegestaltungen, Ausstellungskonzeptionen und gedenkstättenpädagogische Programme verschiedener Gedenkstätten vorgestellt, um schließlich aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven in den jüngsten Vorträgen neue Entwicklungen wie den Einbezug von Social Media und die Gestaltung von Inklusionsangeboten zu erörtern. Zuletzt thematisierte Kotte in seinem Vortrag die aus der Zentralisierung des Begriffs „Geschichtsbewusstsein“ für die aktuelle Gedenkstättenarbeit abzuleitenden Konsequenzen: die Möglichkeiten für Lernende, eigene Vorverständnisse und Fragen bei Gedenkstättenbesuchen einbringen und selbsttätig verfolgen zu können, eigene emotionale Praktiken zu verfolgen und die Bedeutung historischer Erfahrung für die Ausrichtung eigenen Handelns in Gegenwart und Zukunft zu erkennen und umzusetzen.
Am 3. Juli 2025 spricht Sandstede über „Gedenkstätten im digitalen Zeitalter – Wie Serious Games neue Wege des Gedenkens eröffnen können“. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie digitale Formate zur Auseinandersetzung mit Geschichte anregen können – ohne dabei pädagogisches Potenzial, historische Komplexität oder die dem Thema gebührende Sensibilität zu verlieren. Der Vortrag wird zunächst einen Überblick über die Ursprünge und Entwicklungen von Serious Gamesgeben, welche, anders als bloße Edutainment-Formate, auf eine tiefere Auseinandersetzung mit komplexen gesellschaftlichen Fragestellungen abzielen. Beim Einsatz von Games im Erinnerungskontext ergeben sich daher ganz spezifische Herausforderungen. Geschichtsschreibung ist immer narrativ – sei es im Schulbuch oder auf einer Museumstafel. Im Serious Game aber verschärft sich diese Erzählstruktur: Geschichte wird nicht nur vermittelt, sondern spielerisch erfahrbar, vielleicht sogar durch die Spielenden beinflussbar gemacht. Authentizität bedeutet hier also nicht nur Genauigkeit, sondern auch Verantwortung im Umgang mit Spielmechanik, Interaktion und Emotionalisierung. Wie lassen sich diese Emotionalisierung und Partizipation so einsetzen, dass sie ein reflektiertes Lernen fördern, ohne in Vereinfachung, Überwältigung oder Geschichtsverfälschung abzurutschen? Und wie gelingt die Balance zwischen Spielspaß und Ernsthaftigkeit, ohne in die Nähe von Pietätlosigkeit zu geraten? Der Vortrag soll in diesem Sinne auch über konkrete Gestaltungsprinzipien informieren: Welche Schritte sind bei der Entwicklung eines Serious Games zu beachten? Welche didaktischen und ethischen Überlegungen sollten im Zentrum stehen – und welche Fallen gilt es zu vermeiden? Zur konkreten Anschauung wird die Konzeption des Spiels „Spuren auf Papier“ vorgestellt, das in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Wehnen entstand. Dieses digitale Serious Game erschließt die Geschichte der nationalsozialistischen Psychiatrieverbrechen aus der Perspektive einer individuellen, aber fiktiven Lebensgeschichte. Vorgestellt werden hier zentrale Überlegungen, die den Entstehungsprozess begleitet haben – von der Konzeption über prototypische Spielmechaniken bis hin zu Fragen der Visualisierung, Narration und Zielgruppenansprache. Auch Sackgassen, methodische Wendepunkte und offene Fragen aus dem Entwicklungsprozess werden reflektiert und zur Diskussion gestellt.
Den letzten Vortrag in der Ringvorlesung halten am 10. Juli 2025 Dr. Katja Drews und Kyra Börnemeier von der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel. Unter dem Titel „Kulturelle Demokratiebildung und Gedenkstätten – Wie Haltung und Kommunikation Räume prägen“ stellen sie einen innovativen Zugang zur Gedenkstättenpädagogik vor, der im Rahmen eines Modellprojekts entwickelt wird. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass politische und kulturelle Bildung viele zentrale Zielsetzungen teilen: Es geht um gesellschaftliche Teilhabe, um Reflexion, um selbstbestimmtes Urteilen und Handeln. Dennoch wird kulturelle Bildung im Kontext politischer Bildung häufig auf ihre Methoden reduziert oder pauschal als „politisch“ etikettiert. Der Vortrag wird zeigen, wie eine kulturelle Bildungspraxis aussehen kann, die, ohne ihren ästhetischen Anspruch aufzugeben, eine politisch bildende Wirkung entfalten kann – und so neue Räume der Demokratiebildung eröffnet. Im Mittelpunkt steht dabei die Gedenkstättenarbeit als ein exemplarisches Handlungsfeld: Drews und Börnemeier werden mit ihrem konkreten Projektberichts zeigen, wie Haltung und Kommunikation als gestalterische Elemente wirken – sei es im Kontakt mit BesucherInnen, in der konzeptionellen Ausrichtung oder in der kuratorischen Gestaltung von Vermittlungsprozessen.
Auch zu den beiden letzten Vorträgen der Ringvorlesung sind alle Interessierten herzlich eingetragen. Die Vorträge beginnen jeweils um 18 Uhr im Hörsaal Q 15 an der Universität Vechta.