Blog-Eintrag -

Mikrokommunikation – warum weniger nicht immer mehr ist

Der Siegeszug des Internets hat nicht nur die Menschen weltweit einander näher gebracht, sondern ihnen zugleich erweiterte und neue Formen der Kommunikation ermöglicht. Die Kommunikationsmodi umfassen sowohl die Individualkommunikation (one-to-one) und verschiedene Arten der Gruppenkommunikation (one-to-few oder few-to-few) wie auch die Massenkommunikation (one-to-many) und lassen ebenso Abstufungen nach der Reichweite zu (vgl. Bieber 1999, S. 33). Zudem ermöglichen die einzelnen Plattformen der Social Media mehrere Typen von Kommunikation. Eine Botschaft kann damit sowohl Text- wie Bild- sowie Audio- und/oder Videoelemente beinhalten (Hybridmedien). Einen bestimmten Kommunikationstyp einer Plattform wie Facebook oder Twitter zuzuordnen ist damit nicht mehr möglich. So wird generell von „All-in-one-Anwendungen“ gesprochen (Busemann und Gscheidle 2012, S. 384).

Mikrokommunikation - Auf den Punkt gebracht

Trotz der Erweiterung der Kommunikationstypen und -Möglichkeiten im Netz ist die Verknappung von Kommunikation zur ‚Mikrokommunikation‘ festzustellen (vgl. Joost et al. 2010, S. 18). Kommunikation wird auf die wesentlichen Aussagen, die Kernbotschaften, reduziert. Redundanzen entfallen ebenso wie Höflichkeitsfloskeln und Grußformeln. Die Potenziale der Onlinekommunikation werden dadurch selten umfassend genutzt. 

Mikrokommunikation kann mehrere Varianten aufweisen, u.a.:

  • Begrenzung des Zeichensatzes wie auf Twitter (140 Zeichen) oder bei der SMS (160 Zeichen)
  • Nutzung von Like- oder Dislike- Buttons wie auf Facebook
  • Bewertungsmechanismen (Daumen) in Foren oder auf YouTube
  • Nutzung von automatisierten Einladungsmechanismen wie bei LinkedIn oder Xing
  • Nutzung von Emoticons ;-) und Emojis 😉

Mikrokommunikation ist mittlerweile zu einem zentralen Bestandteil der Onlinekommunikation avanciert. Allein Twitter zwingt aktuell pro Monat 12 Millionen Menschen in Deutschland in sein 140-Zeichen-Korsett (vgl. Zeit-Online 2016). Der Like-Button auf Facebook ist zu dessen festem Markenzeichen geworden, und kaum eine WhatsApp-Nachricht kommt ohne einen Smiley oder anderen Emoji aus.

Bitte lächeln – Der Siegeszug der Emojis

Emojis sind die bekannteste und kreativste Art der Mikrokommunikation. Die Ergänzung von Emoticons oder Emojis (japanische Weiterentwicklung des Emoticons vom Zeichensatz-Gesicht zur richtigen bildlichen Darstellung) ist originär eine Kompensationsmöglichkeit gewesen, die non-verbale Kommunikation ersetzen und Missverständnissen vorbeugen soll (vgl. Graßl 2014, S. 13). Mit dem Einzug der Social Media in den Alltag wuchs auch die Bandbreite der Emojis immer weiter an. Sie finden sich in Apps, Mail-Programmen oder Webseiten. Mittlerweile gibt es zahlreiche Untersuchungen zu Mustern und Auswirkungen der Emojis-Nutzung. Wang und Kollegen wiesen nach, dass negatives Feedback mit Hilfe von Smileys besser von der Gegenseite aufgenommen wird, was sich positiv auf den Umgang mit der Kritik auswirkt (Wang et al. 2014). Ebenso konnte Yoo nachweisen, dass Emojis in der internen Kommunikation für mehr Sympathie unter den Arbeitskollegen sorgen (Yoo 2007).

L - Das Problem liegt in der Kürze

Neben den vielen positiven Aspekten bringt die Mikrokommunikation für den Nutzer auch Probleme mit sich, speziell wenn es um die professionelle Unternehmenskommunikation geht. Bleiben wir beim Beispiel Emojis.

Während die Nutzung der Emojis ursprünglich ergänzende Funktion zum eigentlichen Text hatte, zeigt sich zunehmend eine Inflationierung ihres Gebrauchs. Linguisten fürchten den Untergang der eigentlichen Sprache (vgl. Huffington Post 2015), was jedoch bis heute nicht belegt werden kann. Und Unternehmenskommunikatoren haben zunehmend Probleme, den Kern der Botschaft zu identifizieren, wenn nur noch Bilder statt Worte verwendet werden. So weisen ein Daumen hoch oder ein Daumen runter bei YouTube oder ein lachender bzw. böser Smiley auf Facebook zwar darauf hin, dass dem Nutzer etwas gefällt oder nicht; dem Kommunikator bleiben Details aber verwehrt.

Abb. 1: Bewertungen bei YouTube sind schnell gemacht.

Warum es gefällt oder nicht gefällt, ist aus dieser Symbolik nicht erkennbar. Zwar sendet Sender A seine Botschaft an Empfänger B. Dieser kann aber nur die Kernaussage wahrnehmen; was A im Detail denkt, kommt bei B nie an. Ebenso erfährt B nicht, wie A sich wirklich fühlt. Emojis spiegeln oft nur stark stilisierte Emotionsarten wieder. In der wirklichen Welt treten diese selten einzeln oder klar getrennt voneinander auf. Zu Wut kann sich schnell auch Enttäuschung gesellen, was in der Emoji-Welt schwer von Trauer abgrenzbar ist. Schnell kommt es zu Missverständnisse der Aussage von A bei B. Dies führt zu Problemen in der Servicekommunikation der Unternehmen und vor allem der Krisenkommunikation.

Abb. 2: Auf der Vodafone-Facebookseite stehen über 300 wütenden Smileys nur 26 Kommentare gegenüber.

Wenn unter dem Facebookposting eines Unternehmen hunderte von missmutigen Smilies stehen und keiner der Kommentatoren mit Worten beschreibt, was eigentlich nicht gefällt, bleiben dem Kommunikator nur die Möglichkeiten:

  • 1.durch professionelles Monitoring auf anderen Plattformen Feedback zum selben Thema einzuholen, um daraus abzuleiten, dass diese Kritik sich mit jener auf Facebook deckt, oder
  • 2.innerhalb der Kommentierung aktiv nachzufragen, was der Grund der negativen Bewertung ist.

Beide Optionen bedingen zusätzlichen Aufwand seitens des Unternehmens und sind nicht immer von Erfolg gekrönt. In Option 1 kann nie sichergestellt werden, dass die Kritik auf anderen Plattformen dieselbe ist wie die auf Facebook. So kommentieren auf diesen Plattformen ganz andere Nutzer mit teils auch anderen Ansprüchen an das Unternehmen. Option 2 hat zwar den Vorteil, dass das Unternehmen aktiv nachfragt und damit den Nutzern signalisiert, dass man ihre Anliegen ernst nimmt. Jedoch kann der Kommunikator auch in ein Wespennest stechen. Was mit einigen negativen Smileys begann, endet in einem ausufernden Shitstorm.

Fazit und Diskussion

Onlinekommunikation ermöglicht den Nutzern der Social Media ein breites wie neues Spektrum von Kommunikation. Instrumente wie Buttons und Emojis unterstützen die Kommunikatoren durch Wiederspiegelung auch non-verbaler Aspekte wie ‚Zwinkern‘ oder ‚Tränen‘ als Ausdruck von Ironie und Trauer. Mikrokommunikation, die Reduzierung von Kommunikation auf ihre Kernaussagen, ist ein fester Bestandteil der Onlinekommunikation geworden. Sie hat zwar zahlreiche positive Aspekte, doch führt ihr teils inflationärer Gebrauch, gerade wo er ganz ohne Worte auskommt, zu Verständnisproblemen. Die rein bildliche Darstellung zum Beispiel von Daumen oder Gesichtsausdrücken lässt das Warum von Lob oder Kritik nicht erkennen. In der professionellen Kommunikation entstehen durch diese Verständnisprobleme weiterführend Handlungsprobleme in der Auseinandersetzung mit Mikrokommunikation.

Um professionelle Kommunikation im Netz sicherzustellen ist es unabdingbar, neben reinen Bildern und Buttons weiterhin Wortsprache zu nutzen. So kann Sender A seine einzelnen Intentionen gegenüber seinem Empfänger B detaillierter darstellen. Die zunehmende Nutzung von Mikrokommunikation ohne Textbestandteile ist in diesem Kontext kritisch zu sehen. Missverständnisse und ein Bruch der Kommunikation sind die Folge. Ausschließlich non-verbale Kommunikation funktioniert nicht.

Es sei zunächst an die Plattformanbieter appelliert, ursprüngliche Textleistungen wie den Kommentar durch die Einführung immer neuer Methoden der Mikrokommunikation nicht noch unattraktiver für den User zu machen. Ebenso ist der Nutzer selbst in der Pflicht, die Wiedergabe seiner Meinung nicht auf das Klicken auf Bilder von Daumen und Gesichtern zu begrenzen, sondern sich bewusst zu machen, dass das Internet ihm zum ersten Mal die Möglichkeit gibt, sich nahezu unbeschränkt zu äußern, womit theoretisch jede Meinung öffentliche Bedeutung erlangen kann. Die User sollten dies nicht als lapidar und gewöhnlich abtun, sondern sich dieser Macht bewusst werden und sich Zeit nehmen, Inhalte auch in Worten darzulegen – immerhin ist die Sprache, nicht der Smiley, eines der höchsten Kulturgüter der Menschheit.

Dr. Christian Salzborn ist unser NIMIRUM-Experte für Kommunikation in den sozialen Medien. 

Links

Themen

  • Geisteswissenschaften

Kategorien

  • kommunikationstrend
  • social media
  • expertennetzwerk

Kontakt

Zugehörige Meldungen

  • Fakten in postfaktischen Zeiten – starker Wachstumskurs von Nimirum setzt sich auch 2016 fort

    Nimirum wächst weiter: Der Wissensmittler zwischen Wissenschaft und Wirtschaft hat gegenüber dem Vorjahreszeitraum seinen Umsatz verdoppelt. 2016 wurden über 30.000 Seiten in Form von Checks, Reports und multidisziplinären Studien erstellt. Mittlerweile arbeiten acht Angestellte und 400 Expertinnen und Experten aus 65 Ländern bei und für Nimirum (Sitz: Leipzig und Bristol).

  • Recherchieren Sie noch oder pitchen Sie schon?

    NIMIRUM beantwortet in kurzer Zeit die wichtigsten Fragen für Ihren Pitch: Was treibt die Branche um? Wer sind die wichtigsten Wettbewerber? Wie wird das Thema kommunikativ bespielt? Was sind wichtige Akteure? Welche Trends sollten Sie keinesfalls übersehen? Das neue Standardpaket für Ihren Pitchsupport steht bereit.

  • NIMIRUM: internationale Einschätzungen zur US-Election 2016

    Es ist Realität. Donald Trump wurde zum Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. Die Reaktionen reichen von zufrieden über überrascht bis zum Rande des Nervenzusammenbruchs. Einen Tag nach der Wahl äußern unsere Experten Erwartungen an die Zukunft und analysieren Reaktionen von Kanada über die Schweiz bis Russland.

  • President Trumps Research

    Die Wahl von Trump zum US-Präsidenten stellt die Welt von Research und Wissen vor zwei wichtige Herausforderungen: 1. Warum hat fast keine Prognose diesen Sieg vorhergesagt und was sagt das über quantitative Vorhersagen generell aus? 2. Wie geht es weiter in einer Welt, in der nun nach dem Brexit zum zweiten Mal eine wichtige Abstimmung zugunsten postfaktischer Politik entschieden wurde?

  • ​Wer schützt meine Daten? Datensicherheit in der Industrie 4.0

    Industrie 4.0 und das Internet of Things, nichts funktioniert ohne Daten. NIMIRUM-Experte Winfried Beyer klärt in unserem Artikel die wichtigsten Fragen zu Datenverlust, Datensicherheit und beantwortet auch die wichtigste Frage: Wie kann ich meine Daten schützen?

  • "Shitstorms sind oft Teil einer größeren Krise"

    Shitstorms beschäftigen Unternehmen, Agenturen und Kunden. Dr. Christian Salzborn hat die erste Dissertation zu diesem Thema geschrieben. Im Interview mit NIMIRUM rät er: Shitstorms ernst nehmen, analysieren -- und Gegenmaßnahmen breit anlegen.

  • Logistik der Zukunft: Die 5 großen Trends

    Von Zeiten der Postkutsche bis heute bleibt die Logistik ein wichtiges Thema, aber auch ein hartes Geschäft. Wie wird in Zukunft zugestellt? Selbst fahrende Autos, Roboter, Drohnen? NIMIRUM stellt die 5 großen Trends vor, die für die Logistik der Gegenwart und der Zukunft

  • ​Keiner kann alles wissen – aber wer weiß es dann?

    Wir wissen mittlerweile alle recht gut, dass wir nie so viel wissen können, wie wir wissen wollen. Privat fragen wir Freunde. Im Berufsleben ist das nicht so einfach. Oft sind Suchmaschinen unser bester Freund. Das muss nicht sein, meint Anja Mutschler, Managing Partner von NIMIRUM. Das Leipziger Unternehmen bildet aus 350 handverlesenen Wissenschaftlern und Experten projektbezogen Wissens-Hubs.

  • NIMIRUM auf der Hub conference: Digital, aber (noch) nicht disruptiv

    Hub conference in Berlin 2016: Experten-Drehscheibe zu ambitionierten technologischen Zukunftsthemen, aber vom Format her hinter den Möglichkeiten eines an sich vorausschauenden Meetings, findet Marko T. Hinz, freier Mitarbeiter bei NIMIRUM, der aus der Hauptstadt berichtet.

  • Bei NIMIRUM hat die Zukunft der Arbeit schon begonnen

    Das Expertennetzwerk von NIMIRUM arbeitet digital, global, schnell und agil. Man könnte meinen alleine das reicht schon um dem Konzept New Work gerecht zu werden. Doch es geht auch um die individuellen Arbeitsweisen, die letztendlich auf der Basis gemeinsamer Werte, durch Technologieeinsatz und ein angenehmes Umfeld unter der Corporate Identity zusammenfinden sollten. Anja Mutschler räsoniert.

  • Journalismus und Gesellschaft - Reflexionen des LSOM-Dozenten Dr. Tobias D. Höhn

    Wer sich heute für den Journalismus entscheidet, hat klare Vorstellungen – aber auch Fragen: an Medienhäuser, an die Öffentlichkeit, an sich selbst. Studierende des intern. Masterstudiengangs New Media Journalism (NMJ) haben sich zum Auftakt an der Leipzig School of Media (LSOM) in einer Übung journalistisch mit dem Thema Journalismus auseinandergesetzt. Dazu Studiengangsleiter Dr. Tobias D. Höhn.