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Prof. Dr. Kai Koch, Direktor der Zentrums für Lehrer*innenbildung an der Universität Vechta, bei der Begrüßung der Teilnehmenden.
Prof. Dr. Kai Koch, Direktor der Zentrums für Lehrer*innenbildung an der Universität Vechta, bei der Begrüßung der Teilnehmenden.

Pressemitteilung -

6. Pädagogischer Tag | „Schüler*innen mit Migrations- und/oder Fluchterfahrung am Lernort Schule begleiten“

Migrations- und Fluchterfahrungen haben Einfluss auf die Leistung von Schülerinnen und Schülern. Dass diese nicht nur negative Auswirkung haben, sondern auch bereichern können hat der Pädagogische Tag 2023 des Zentrums für Lehrer*innenbildung (ZfLB) an der Universität Vechta gezeigt. Neben Impulsvorträgen von Prof. Dr. Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität Bochum und Oberschuldirektorin Petra Hensen von der Anne-Frank-Schule Molbergen hat es Workshops und Poster-Präsentationen für die rund 250 Teilnehmenden vor Ort gegeben. Weitere 50 Teilnehmende verfolgten den Livestream des diesjährigen Pädagogischen Tages unter dem Titel „Schüler*innen mit Migrations- und/oder Fluchterfahrung am Lernort Schule begleiten“.

Der Pädagogische Tag zeige „Möglichkeiten aber auch Grenzen von Schule auf“, leitete Prof. Dr. Kai Koch ein und dankte der Universitätsgesellschaft Vechta für die finanzielle Unterstützung. Er freue sich darüber, dass der Pädagogische Tag Wissenschaft und Praxis in dem Themenfeld so wunderbar verknüpfe, so der Direktor des ZfLB.

Prof. Dr. Karim Fereidooni

Welchen Einfluss ein Migrationshintergrund aus wissenschaftlicher Perspektive auf die Leistung in der Schule haben kann, legte Prof. Dr. Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität Bochum dar. Dabei gebe es nicht den einen Migrationshintergrund der Auswirkung habe, führte der Professor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung aus. Ein Migrationshintergrund sei gar nicht maßgeblich ausschlaggebend für einen Bildungserfolg. So hätten beispielsweise bei vergleichbarem sozialen Status Kinder mit Migrationshintergrund bessere Chancen auf eine Gymnasialempfehlung als Kinder ohne Migrationshintergrund. Es müssten deswegen andere Variablen betrachtet werden, sagte Fereidooni und brachte Beispiele aus unterschiedlichen Studien: Unter anderem sei die Haltung der Lehrkräfte ausschlaggebend. Der bloße Vorname eines Kindes – in diesem Fall Max oder Murat – führt laut Studien bei gleicher Leistung zu schlechteren Bewertung des Kinders mit dem ausländisch klingenden Namen. Auch trage das Schulsystem zu entsprechenden Lernverläufen bei: Nach der vierten Klasse bedürfe es einer Leistungsbewertung der Schulkinder. Fereidooni bringt ein reales Beispiel: Ali hatte ein sehr gutes Zeugnis in der vierten Klasse. Die Lehrkraft sprach allerdings eine Hauptschulempfehlung aus. Alis Mutter war Hausfrau und sein Vater angelernter Arbeiter. Die Grundschullehrerin befürchtete, dass Ali auf dem Gymnasium überfordert wäre und seine Eltern ihn nicht hätten unterstützen können. Auch das Argument, dass Ali auf andere Schulformen bei entsprechender Leistung hätte wechseln können, stellte Fereidooni als problematisch dar: „Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man auf der Hauptschule starten und sich dann hocharbeiten kann.“ Vielmehr sei der Schulwechsel in die andere Richtung wahrscheinlicher. Das System sei nicht darauf ausgerichtet, dass sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte ihr volles Potenzial an Schulen entfalten könnten, so der Wissenschaftler. „Deswegen adressiere ich mit meiner Arbeit die Politik.“

Oberschuldirektorin Petra Hensen

Wie auf Ebene der Schulen und Lehrkräfte an dem Thema gearbeitet werden kann, zeigte der Vortrag von Petra Hensen. An der Anne-Frank-Schule in Molbergen lernen rund 70 Prozent Schüler*innen mit Migrationshintergrund. Man müsse zwar die Vorgaben des Landes umsetzen, aber zugleich wissen, wie man sich darin bewegen kann, so die Oberschuldirektorin. „Wenn wir Lerngestaltung betreiben, dann im Angesicht der globalen Herausforderungen.“ Durch die Digitalisierung würde beispielsweise die Lern- und Arbeitswelt verändert. Demokratiebildung sowie der Mut, für demokratische Werte einzustehen, gehöre ebenso dazu. Lernen an der Anne-Frank-Schule bedeute, sich etwas zeigen zu lassen, sich selbstständig etwas zu erarbeiten, zu forschen und zu planen, zu experimentieren, zu präsentieren und zu kommunizieren sowie sich zu bewegen und zu entspannen, so die Oberschuldirektorin. Das wiederum erfordere veränderte Strukturen: Die Unterrichtseinheiten sind in Blöcke à 90, 75 und 30 Minuten eingeteilt. Es gibt Lernformate wie das Lernbüro. Dabei handelt es sich um eine Lernzeit, in der die Schüler*innen frei, leistungsdifferenziert und klassenübergreifend arbeiten. Im Lernbüro sollen die Kinder ihrem Lerntempo und Leistungsniveau entsprechend selbständig ausgewählte Unterrichtsinhalte erarbeiten. Das Jahr über begleitet die Schüler*innen ihr Logbuch: Es ist Tagebuch, Hausaufgabenheft, Lernbegleiter, Informationsheft und Kommunikationsmittel in einem. Auch andere Prüfungsformate, veränderte, stets offene Lernräume und Teamarbeit würden bei einer erfolgreichen Umsetzung helfen, so Hensen. Dabei würden sich Lehrkräfte und Schüler*innen gegenseitig unterstützen. Der Umstieg auf die neuen Strukturen hätte viel Zeit und Kraft gekostet, sagte die Oberschuldirektorin, aber es habe sich sehr gelohnt.

Mit dem Pädagogischen Tag greift das ZfLB jährlich aktuelle gesellschaftliche und bildungsbezogene Themen auf. Das Ziel des Studientags ist u.a. die Verzahnung von Studium, Schulpraxis und wissenschaftlicher Forschung. Anschließend an die zwei Impulsvorträge beschäftigen sich die teilnehmenden Studierenden in fachspezifischen oder fachübergreifenden Workshops mit ausgewählten Aspekten des Themenfelds Migration, Flucht und Inklusion. Im Rahmen des Pädagogischen Tages wurden außerdem schul- und unterrichtsbezogene Forschungsarbeiten aus dem Projektband „Forschendes Lernen“ präsentiert und ausgezeichnet. Themen dabei waren unter anderem der Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Schule, das Vorlesen im DaZ-Anfangsunterricht oder die Darstellung marginalisierter Gruppen in Schulbüchern.



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