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Viele Menschen melden sich freiwillig für ehrenamtliches Engagement. (Foto: Adobestock.com)
Viele Menschen melden sich freiwillig für ehrenamtliches Engagement. (Foto: Adobestock.com)

Pressemitteilung -

Studie | Ehrenamt führt nicht zu höherem Wohlbefinden

Wenn Personen ein Ehrenamt übernehmen oder ihr ehrenamtliches Engagement intensivieren, hat das kaum Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden. Das ist das zentrale Ergebnis zweier aktueller Studien aus Deutschland und Großbritannien, die von einem Forscher und zwei Forscherinnen der Universitäten Vechta und Bochum durchgeführt wurden. Erschienen sind die Studien im Journal of Happiness Studies und in Social Indicators Research. Die Annahme, dass die Übernahme ehrenamtlichen Engagements zu einer Verbesserung des Wohlbefindens beiträgt, wird durch diese Befunde entkräftet.

Ob bei der freiwilligen Feuerwehr, der Tafel, der Obdachlosenhilfe oder in Bürgerinitiativen. Die Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren, sind vielfältig. Die ehrenamtliche Tätigkeit verleiht dem Leben der engagierten Person Struktur und Sinn und macht diese somit zu einem glücklicheren und zufriedeneren Menschen. Das ist zumindest eine weit verbreitete Vorstellung, in der Wissenschaft und in der Bevölkerung. Insbesondere im Alter soll das ehrenamtliche Engagement für das Fehlen einer Erwerbstätigkeit oder familiärer Aufgaben gut kompensieren können. Die Annahme, dass ehrenamtliches Engagement das Wohlbefinden spürbar fördert, können Matthias Lühr, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Vechta, Maria K. Pavlova, Professorin in Vechta, und Maike Luhmann, Professorin an der Universität Bochum, allerdings nicht bestätigen.

Die Forschenden analysierten bereits bestehende Datensätze (SOEP und BHPS mitsamt dessen Fortsetzung, „Understanding Society“ – siehe Infokasten). Lühr, Pavlova und Luhmann untersuchten 17.720 (SOEP) bzw. 18.550 (BHPS) Personen, die Angaben zur Häufigkeit politischer ehrenamtlicher Tätigkeit (z.B. in Parteien, Bürgerinitiativen) und ehrenamtlicher Tätigkeit, die sich nicht dem politischen Bereich zuordnen lässt (z.B. in Kirchen), machten. Ihr Wohlbefinden wurde durch verschiedenste Indikatoren gemessen (z.B. Lebenszufriedenheit, emotionales Wohlbefinden, geringe Einsamkeit, Kontrollüberzeugungen). Die Forschenden versuchten herauszufinden, ob Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studien ein höheres Wohlbefinden in den Jahren berichteten, in welchen sie sich vergleichsweise mehr (oder überhaupt) ehrenamtlich engagierten – im Vergleich zu den Jahren mit geringerem oder keinem Engagement.

Die Antwort war „nein“, mit wenigen Ausnahmen. So fanden sie zwar, dass ältere Erwachsene sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien von einem nichtpolitischen Engagement scheinbar profitierten, da ihre Lebenszufriedenheit in den Jahren mit mehr Engagement erhöht war. Dieser Unterschied war aber geringfügig und erstreckte sich nicht auf andere Maße des Wohlbefindens. Andere Freizeitaktivitäten wie z.B. Geselligkeit mit Freunden und Bekannten zeigten teilweise größere Zusammenhänge mit dem Wohlbefinden, auch im Alter.

Es ist gut möglich, betonen die Forschenden, dass Ehrenamt in bestimmten Kontexten – abhängig von Bedürfnissen der ehrenamtlich tätigen Person, dem Umfeld, in dem die Tätigkeit stattfindet, der Tätigkeit selbst und schließlich der Gesellschaft und Kultur – tatsächlich positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden zeigt. Pauschal scheint das aber nicht zu gelten. Personen, die sich ehrenamtlich engagieren, sollten also nicht erwarten, dass die ehrenamtliche Tätigkeit sie glücklicher macht. Außerdem sollten die vermeintlichen Vorteile des Engagements für Engagierte nicht als zentrale Anreize bei der Rekrutierung Ehrenamtlicher dargestellt werden. Der eigentliche Sinn des Ehrenamtes ist jedoch nach wie vor gegeben: Ehrenamtliche Tätigkeiten sind freiwillige Beiträge zum Gemeinwohl und zu demokratischen Prozessen in der Gesellschaft und haben nur wenig mit Eigennutz zu tun.

SOEP und BHPS/Understanding Society
Das „Deutsche Sozio-ökonomische Panel“ (SOEP) und das „British Household Panel Survey“ (BHPS) sind repräsentative Bevölkerungsbefragungen, die seit 1984 (SOEP) bzw. 1991 (BHPS) durchgeführt werden. Es handelt sich um Wiederholungsbefragungen: dieselben Personen werden über mehrere Jahre jährlich befragt.

Original-Publikationen
Lühr, M., Pavlova, M. K. & Luhmann, M. They are doing well, but is it by doing good? Pathways from nonpolitical and political volunteering to subjective well-being in age comparison. Journal of Happiness Studies 2021, DOI: 10.1007/s10902-021-00480-4

Lühr, M., Pavlova, M. K. & Luhmann, M. Nonpolitical versus political participation: Longitudinal associations with mental health and social well-being in different age groups. Social Indicators Research 2021, DOI: 10.1007/s11205-021-02777-6

Kontakt
Matthias Lühr
Institut für Gerontologie
Universität Vechta
Driverstr. 23, 49377 Vechta
Tel. 04441 / 15731

E-Mail matthias.luehr@uni-vechta.de

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Study | Civic engagement does not improve well-being

Whether somebody engages civically or not, does not substantially influence their well-being. This is the central finding from two recent studies from Germany and the UK, conducted by researchers from the Universities of Vechta and Bochum. The studies were published in Journal of Happiness Studies and in Social Indicators Research. These results run contrary to the assumption that civic engagement contributes to well-being of engaged persons.

Voluntary fire brigades, food banks, homeless shelters or citizens’ initiatives: The opportunities for civic engagement are manifold. Civic engagement brings structure and meaning to the lives of engaged individuals and hence makes these happier and more satisfied - at least it is a widespread belief among researchers and lay people. In old age in particular, civic engagement is thought to compensate well for lack of paid work or of family responsibilities. However, the assumption that civic engagement appreciably improves well-being cannot be confirmed by their data, say Matthias Lühr, research associate at the University of Vechta, Maria K. Pavlova, a professor in Vechta, and Maike Luhmann, a professor at the University of Bochum.

The researchers analysed already existing datasets (SOEP and BHPS together with its continuation, Understanding Society - see box). Lühr, Pavlova and Luhmann utilised data from 17.720 (SOEP) and 18.550 (BHPS) survey participants, who reported on the frequency of their political (for instance, in political parties or citizens’ initiatives) and non-political (such as church-related) voluntary engagement. Their well-being was assessed via multiple indicators (such as life satisfaction, emotional well-being, low loneliness and control beliefs). The researchers tried to find out whether the participants reported higher well-being in the years when they were comparatively more civically engaged (or engaged at all) than in the years with lower or no civic engagement.

The answer was „no“, with few exceptions. Both in Germany and in the UK, older adults did appear to benefit from non-political engagement because their life satisfaction was higher in the years when they were more frequently engaged. However, this difference was small and not observed for other well-being indicators. Other leisure activities, such as socializing with friends and acquaintances, sometimes showed more pronounced associations with participants’ well-being, also in old age.

It is well possible, admit the researchers, that civic engagement boosts well-being of engaged individuals in certain contexts, depending on their needs, on where the activity takes place, on its content and finally on the society and culture. Such benefits do not appear to be universal, though. Civically engaged individuals should therefore not expect their activity to make them happier. Besides, the alleged benefits of engagement to the engaged should not feature as key incentives in volunteer recruitment messages. The actual purpose of civic engagement remains unchanged: voluntary contributions to the common good and to the democratic processes in the society. They have little to do with self-interest.

SOEP und BHPS/Understanding Society

The German Socio-Economic Panel (SOEP) and the British Household Panel Survey (BHPS) are nationally representative surveys that have been run since 1984 (SOEP) and 1991 (BHPS). These are panel surveys: For many years, the same persons are being surveyed yearly.

Original publications:

Lühr, M., Pavlova, M. K. & Luhmann, M. They are doing well, but is it by doing good? Pathways from nonpolitical and political volunteering to subjective well-being in age comparison. Journal of Happiness Studies 2021, DOI: 10.1007/s10902-021-00480-4

Lühr, M., Pavlova, M. K. & Luhmann, M. Nonpolitical versus political participation: Longitudinal associations with mental health and social well-being in different age groups. Social Indicators Research 2021, DOI: 10.1007/s11205-021-02777-6

Contact:

Matthias Lühr
Institute of Gerontology
University of Vechta
Driverstr. 23, 49377 Vechta
Tel. 04441 / 15731
E-Mail matthias.luehr@uni-vechta.de

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