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„Gleichstellung konkret“ – Warum Vielfalt für KMU ein echter Gewinn ist
Gleichstellung ist kein „Nice-to-have“, sondern ein echter Erfolgsfaktor – gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, die sich im Wettbewerb um Fachkräfte behaupten müssen. Der Workshop „Gleichstellung konkret: Praxisnahes Know-how für HR und Führung in KMU“ zeigt, wie Unternehmen ungenutzte Potenziale aktivieren und eine Unternehmenskultur schaffen, von der alle profitieren.
Wir haben mit Leonie Poos, Expertin für Gleichstellung und Personalentwicklung im Zukunftszentrum MV+, gesprochen – über Chancen, Vorurteile und darüber, warum Gleichstellung kein Extra-Aufwand ist, sondern eine Investition in die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.
Lesen Sie, warum dieser Workshop gerade jetzt so wichtig ist, und lassen Sie sich von praxisnahen Einblicken und Tipps inspirieren.
Hallo Leonie, danke, dass du dir Zeit für dieses Gespräch nimmst! Was hat dich motiviert, den Workshop „Gleichstellung konkret“ zu entwickeln?
Hallo zusammen, und danke für die Einladung. Ich habe vor etwa fünf Jahren aufgrund meiner eigenen Erwerbsbiografie und den gesammelten Erfahrungswerten als junge, ambitionierte Frau in der Berufswelt damit begonnen, mich mit strukturellen Ungleichheiten in der Arbeitswelt auseinander zu setzen, insbesondere was berufliche Chancen für Männer und Frauen angeht. In meiner Masterthesis an der Universität Rostock bin ich dann tief in das Thema „Gleichstellung“ eingetaucht und brenne seither dafür, Wege zu finden, die Arbeitswelt für alle Geschlechter fair und entsprechend individuellen Voraussetzungen zu gestalten.
Wenn du den Workshop in drei Worten beschreiben müsstest – welche wären das und warum?
Interaktiv, informativ und lösungsorientiert.
Warum ist Gleichstellung für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) gerade jetzt ein so wichtiges Thema?
Der Fachkräftemangel ist ein Thema, das insbesondere KMU hart trifft, da sie häufig nicht das Know-How oder die Ressourcen haben, breites und tiefes Recruiting zu betreiben. Sind die Unternehmen dann noch in ländlichen Regionen gelegen, aus denen junge Menschen dem Trend nach eher abwandern, dann gleicht die Suche nach geeignetem Personal einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Was dabei häufig nicht bedacht wird: Familienmanagement, Care Arbeit und Mental Load werden nach wie vor überwiegend von Frauen getragen. Frauen, die häufig sehr gut ausgebildet sind, nach der Geburt eines oder mehrerer Kinder aber unterhalb ihrer Qualifikationen beschäftigt sind oder einer Erwerbstätigkeit in Teilzeit nachgehen, weil sie anders keine Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben tragen können, ohne selbst daran zu zerbrechen.
Arbeitgebende können mittels der Schaffung bestimmter struktureller Rahmenbedingungen im Unternehmen ihren Teil dazu beitragen, dass diese Frauen ihre beruflichen Kompetenzen voll ausschöpfen können und dazu bereit sind, mit einer höheren Stundenzahl in den Beruf zurückzukehren.
Wie es gelingt, Frauen und insbesondere Mütter wieder in einem gesteigerten Stundenumfang in die Erwerbsarbeit zu bringen und dem Fachkräftemangel damit entgegenzuwirken, dazu lernen wir im Workshop einige Tools kennen.
Welche typischen Missverständnisse oder Vorbehalte begegnen dir, wenn du mit Unternehmen über Gleichstellung sprichst?
In der Theorie glauben viele Unternehmer:innen, sie hätten bereits Arbeitsbedingungen geschaffen, die Frauen und Männern dieselben Möglichkeiten bieten. Tatsächlich schließt der Begriff „Gleichstellung“ aber so viel mehr mit ein. Er meint nicht nur, Menschen dieselben Rechte – zum Beispiel auf Gleitzeit – einzuräumen, sondern individuelle Voraussetzungen der (potentiellen) Mitarbeitenden zu prüfen und gemeinsam mit ihnen ein Arbeitsumfeld zu gestalten, das ihrer Lebensrealität entgegenkommt und sie auf diese Weise dabei unterstützt, ihr volles berufliches Potential zu entfalten und zu nutzen.
Eine alleinerziehende Mutter kann noch so hoch qualifiziert sein, wie sie will. Wenn sie keinen Arbeitgebenden findet, der ihr flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Tage einräumt, dann wird sie ohne ausgedehnte Fremdbetreuung niemals dazu in der Lage sein, eine Vollzeitstelle adäquat auszufüllen und den Ansprüchen an ihre Erwerbsarbeitsleistung gerecht zu werden. Weil sie ganz anders belastet ist als ihr gleichqualifizierter Kollege, der in einem sicheren Familienkonstrukt lebt und sich die familiären Aufgaben mit seinem Partner teilt.
Du sprichst im Workshop auch über „Quick Wins“ – also Maßnahmen, die sofort Wirkung zeigen. Kannst du ein Beispiel nennen, das Unternehmen direkt umsetzen könnten?
Die aus meiner Perspektive wichtigste Stellschraube ist Vertrauen in die Arbeitnehmenden hinsichtlich der Arbeitszeiten. Druck von oben ist da wenig hilfreich, und sorgt eher dafür, dass Angestellte weniger leisten. Wo möglich, sollten ein flexibler Arbeitsbeginn und -ende, aber auch Home-Office Optionen geboten werden.
In Handwerksbetrieben ist auch der Aufbau von zeitlichen „Puffern“ denkbar, die die Mitarbeitenden flexibel einsetzen können, wenn familiäre Belange dazwischenkommen oder einfach mal ein halber Tag Erwerbspause im Familientrubel benötigt wird. Ich habe auch schon kleine Betriebe kennengelernt, die Kooperationen mit Tageseltern hatten und diese finanziell bezuschusst haben, sodass die Angestellten sich um die Kinderbetreuung weniger Sorgen machen mussten. Aber auch das tageweise Mitbringen von Kindern an den Arbeitsplatz (z.B. an Brückentagen) kann Eltern sehr entlasten.
Welche Kompetenzen nehmen die Teilnehmenden nach dem Workshop konkret mit in ihren Arbeitsalltag?
Insbesondere Problemlösefähigkeit, Überzeugungsfähigkeit und Motivation für ihr Engagement hinsichtlich Gleichstellungsthemen in ihrem Betrieb. Die Teilnehmenden gehen im Idealfall mit einer Bandbreite an Ideen sowie einem individuellen Handlungsplan aus dem Workshop und haben so bereits das Fundament für Gleichstellungsarbeit in ihrem Unternehmen gelegt.
Warum lohnt es sich gerade für Führungskräfte und HR-Verantwortliche, sich mit Gleichstellung auseinanderzusetzen – auch wenn sie denken, sie hätten „keine Zeit für sowas“?
Zum einen, weil – wie bereits erwähnt – der Fachkräftemangel generell eine große Bedrohung für den wirtschaftlichen Erfolg von KMU darstellt. Zum anderen, weil insbesondere jüngere Arbeitskräfte Wert auf Vereinbarkeit und Gleichstellung legen, und diese nicht mehr als „Goodie“, sondern als obligatorische Voraussetzung für ein gesundes Arbeitsverhältnis sehen. Hier müssen viele KMU noch aus ihrem Winterschlaf à la „das haben wir immer schon so gemacht“ aufwachen, sonst verlieren sie im Wettbewerb um Arbeitskräfte den Anschluss.
Wenn es eine Sache gibt, die jedes Unternehmen über Gleichstellung wissen sollte – was wäre das aus deiner Sicht?
Dass sie de facto noch lange nicht existiert, auch wenn rechtliche Grundlagen geschaffen wurden. Welche Chancen Frauen, aber auch andere marginalisierte Personengruppen auf dem Arbeitsmarkt haben, hängt immer noch vom „good will“ der Unternehmen ab.
Und ganz praktisch: Welche drei Tipps gibst du KMU mit, die jetzt aktiv an Gleichstellung arbeiten wollen?
- Bestandsaufnahme machen: was tun wir tatsächlich schon aktiv für Gleichstellung, was über gesetzliche Pflichten hinaus geht?
- Beratung ins Boot holen: Berater:innen, die sich auf Gleichstellung und Vereinbarkeit spezialisiert haben, erkennen Defizite und Potentiale schnell und können den Finger in die Wunde legen. Außerdem monitoren sie den Erfolg von etablierten Maßnahmen, und können so argumentativ und rechnerisch belegen, inwiefern diese greifen.
- Weiterbilden: Personaler:innen und Führungskräfte sollten regelmäßig zu Gleichstellungsthemen geschult und für strukturelle Ungleichheiten sensibilisiert werden. Denn sie haben die Macht, im Kleinen Dinge zu verändern und so neue Strukturen zu schaffen, die am Ende vielleicht sogar über die eigenen Unternehmensgrenzen hinausgehen.
Danke, Leonie, für die spannenden Einblicke! Eines wird klar: Gleichstellung ist keine abstrakte Idealvorstellung – sondern bietet ganz konkrete Chancen für Unternehmen. Der Workshop „Gleichstellung konkret: Praxisnahes Know-How für HR und Führung in KMU unterstützt KMU in Mecklenburg-Vorpommern dabei, dieses Potenzial zu heben – praxisnah, strategisch und direkt umsetzbar. Der Workshop findet am 6. November von 9 – 13 Uhr digital statt.