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Future of Mobility: Quo Vadis, Carsharing?

Sharing heißt Caring – und das Carsharing scheint das Paradebeispiel für dieses Motto in der Mobilitätsbranche zu sein. Mobility as a Service (MaaS) ist das unternehmerische Schlagwort dazu in einer Gesellschaft, in der sich Transport vom Autobesitz löst und zum Serviceangebot wandelt. Ein Blick auf die Entwicklung des Carsharings zeigt, warum gerade dieser Mobilitätstrend so erfolgreich ist – und was wir in Zukunft noch erwarten können.

Millennials: Die wahre Triebkraft hinter dem Mobilitätstrend

Flexibel, unkompliziert, günstig und sozial verantwortlich: Das sind nicht wenige Forderungen, die vor allem die junge Generation der Millennials an Transportangebote stellt. Damit geht einher, dass das eigene Auto nicht mehr als erstrebenswert gesehen wird. In der „Automotive Zeitgeist Studie“, die das Zukunftsinstitut im Auftrag von Ford durchgeführt hat, sagten mehr als die Hälfte der befragten Millennials, ein Auto sei zwar nützlich, aber nicht notwendig. Fast 80 Prozent der Millennials ist es auch egal, wie ihr Fahrzeug aussieht und was andere darüber denken – solange es sie von A nach B bringt. „Mobilität: ja; Besitz: nein“, scheint zum Wahlspruch einer ganzen Generation geworden zu sein.

Doch auch wenn die Motive der Millennials einer der Gründe sind, warum Carsharing weltweit boomt, schlagen sich im Carsharing-Boom auch andere Entwicklungen nieder, darunter auch sehr langfristige.

Carsharing: Eine Erfolgsgeschichte

Schon mit den Anfängen des Carsharings, die immerhin auf das Jahr 1948 zurückgehen und damals noch mit Namen wie Selbstfahrergenossenschaft oder StattAuto verbunden waren, zeigte sich, dass das Konzept das Potential zum Megatrend hatte. Mit einer entscheidenden Voraussetzung: Sharing-Modelle, wie eben auch das Carsharing, erfordern eine kritische Masse. So analysierte Katrin Gillwald in einem Working Paper von 1997 für das Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, ob Carsharing in Deutschland eine Zukunft haben könnte. Ihre Schlussfolgerung: Ja, aber nur wenn viele Menschen von seinem Nutzen überzeugt werden können.

Wie konnten potenzielle Nutzer von den positiven Seiten des Carsharings überzeugt werden?

Mehrere Faktoren haben dem Carsharing letztendlich zum Durchbruch verholfen. In ihrer internationalen Vergleichsstudie „Growth in Worldwide Carsharing“ verweisen Susan A. Shaheen und Adam P. Cohen auf zwei Entwicklungen, die das Carsharing weltweit vorangetrieben haben: das Steigen der Öl- und Gaspreise und große Engpässe in der Autoinfratruktur. Es wurde für Autobesitzer also sowohl immer teurer, von A nach B zu kommen, als auch unbequem.

Pendler standen im Stau, und Parkplätze wurden, vor allem in Großstädten, immer knapper und teurer. Dies regte Großstädter, zunächst in Europa, dann aber auch in Nordamerika sowie in asiatischen Metropolen, zum Umdenken und zu Verhaltensänderungen an. Erst mit diesem Switch wurde eine kritische Masse erreicht, die die Vorteile des Carsharings zum Tragen kommen ließ:

  1. Carsharing erhöht die soziale Mobilität: Carsharing-Angebote haben nach Shaheen und Cohen große gesellschaftliche Folgen. Sie ermöglichen es auch Menschen, die sich normalerweise kein eigenes Auto leisten könnten, bei Bedarf mobil zu sein. Eng an die physische Mobilität ist die soziale Mobilität gekoppelt: Neue Jobs liegen plötzlich in Reichweite, Kinder können Freizeitangebote wahrnehmen, und Familien können sich flexibler fortbewegen. Das erhöht die soziale Teilhabe vieler Menschen und im Umkehrschluss auch wieder die Unterstützung für das Carsharing.
  2. Carsharing spart Geld: Ein eigenes Auto ist langfristig teurer als das Carsharing. Neben Anschaffungskosten kommen Kosten für Versicherung und Steuern und im Laufe der Jahre auch Reparaturkosten hinzu. Nach einer aktuellen Studie des Institute of Transportation Studies Berkeley kann ein US-Haushalt durch Carsharing bis zu 435 US-Dollar pro Monat einsparen. In Deutschland hat das Carsharing-Vergleichsportal für private Autobesitzer eine Kosteneinsparung von bis zu 150 Euro im Monat ermittelt. Im Business-Bereich hat das Umweltbundesamt die Kosten für Carsharing mit den Kosten für einen eigenen PKW verglichen und kommt zu dem Schluss, dass ein Kleinwagen im Carsharing für Unternehmen rund 1000 Euro im Jahr einsparen kann.
  3. Carsharing ist gut für die Umwelt: Auch wenn das Umweltbewusstsein nicht der größte Motivator für das Umsteigen auf Carsharing ist: Wenn Verbraucher erstmal den Switch gemacht haben, sehen viele von ihnen die positive CO2-Bilanz als großen Vorteil an. Wie die Studie „The Environmental Impacts of Car-Sharing Use“ vorrechnet, stießen Carsharing-Nutzer in Deutschland im Jahr 2003 148 Gramm CO2 pro gefahrenen Kilometer aus. Im Vergleich dazu lag der CO2-Ausstoß von Neuwagen-Fahrern im gleichen Jahr bei 176 Gramm pro Kilometer. Damit waren die CO2-Emissionen von Carsharing-Teilnehmern um 16% niedriger. Für das Jahr 2009, mit Bezug auf den Anbieter cambio, wurde im Vergleich 21% weniger CO2 emittiert.

Nach der Studie „Growth in Worldwide Carsharing“ liegt dies unter anderem daran, dass Carsharing-Angebote Privatautos zum Teil ersetzen und viele Carsharing-Nutzer entweder den Kauf eines Neuwagens verschieben oder gar ihr altes Auto verkaufen. Laut Studie kann ein einziges Carsharing-Auto in Europa zwischen 4 und 10 Privatautos, in den USA sogar zwischen 6 und 23 Privatautos ersetzen.

So konnte Carsharing vom idealistischen Konzept der informellen Selbstfahrergenossenschaften zum erfolgreichen Geschäftsmodell wachsen. Mobility as a Service war geboren.

Das Carsharing der Zukunft: Wohin geht der Trend?

Nachdem Carsharing sich als beliebtes und wirtschaftlich erfolgreiches Mobilitätsangebot etabliert hat, stellt sich die Frage, wohin der Trend geht.

In einem sind sich alle einig: Carsharing hat großes Wachstumspotential. Experten erwarten sowohl steigende Wachstumsraten in bereits bestehenden Märkten als auch die Expansion in neue Märkte. Vor allem Asien und Südamerika zeigen großes Potential. Die Anbieter werden sich sich darüber hinaus, vor allem im Bereich der Free-Floating-Modelle, weiter konsolidieren, wie unter anderem die Jahresbilanz aus 2015 des Bundesverband CarSharing nahelegt. Aktuelle Entwicklungen in der Branche, wie die Übernahme von Tamyca durch Snappcar oder die geplante Fusion von DirveNow und car2go zeigen, dass dies bereits sowohl im Peer-to-Peer-Bereich als auch im kommerziellen Carsharing geschieht.

Die Meinungen darüber, wer die dominanten Carsharing-Player der Zukunft sein werden, gehen aber auseinander. Einige Experten gehen davon aus, dass sich langfristig in den USA sowie in Europa vor allem Unternehmen aus der Auto- und Mobilitätsbranche durchsetzen werden. Das liegt nach Ansicht dieser Experten daran, dass diese Unternehmen verhältnismäßig früh in den Carsharing-Markt eingestiegen sind und sich schnell große Marktanteile gesichert haben. So haben BMW und Sixt DriveNow ins Leben gerufen, Daimler und Europcar haben gemeinsam car2go gegründet, und der CarsharingService Zipcar gehört zum Autovermieter Avis. Diese Unternehmen dominieren die Carsharing-Märkte, sowohl in Deutschland als auch in den USA. In Deutschland haben car2go und DriveNow und der Carsharing-Dienst der Deutschen Bahn, Flinkster,die meisten Kunden. In den USA kontrollieren Zipcar, car2go, Enterprise CarShare sowie Hertz 24/7 95% des Marktes.

Andere Branchenkenner wiederum verweisen darauf, dass sowohl car2go als auch DriveNow außerhalb von Deutschland Verluste einfahren. „Das ist ein Zuschussgeschäft. Geld verdient man damit noch nicht“, sagt etwa Autoexperte Stefan Bratzel von der Wirtschaftshochschule in Bergisch-Gladbach gegenüber der WAZ. Im Gegensatz dazu operieren mittelständische Anbieter in vielen Städten in Deutschland seit gut 20 Jahren wirtschaftlich erfolgreich, betont Willi Loose, Geschäftsführer des Bundesverband CarSharing. „Das ist in den letzten Jahren durch den Markteintritt der Automobilkonzerne, der in den Medien viel Aufmerksamkeit erregt hat, etwas in Vergessenheit geraten. Aber die mittelständischen Pioniere des CarSharing haben in vielen Städten bereits sehr starke Angebote mit hoher Versorgungsleistung für die Kunden etabliert.“

So bleibt abzuwarten, welche Unternehmen sich in den nächsten Jahren durchsetzen werden.

Das Interesse der Automobilbranche – Verluste hin oder her – ist aber nicht rein wirtschaftlich zu betrachten. Denn BMW und Daimler sind bereit in Carsharing zu investieren, obwohl die Erträge nicht optimal sind und obwohl es bisher keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass in Deutschland weniger Neuwagen gekauft werden. Ganz im Gegenteil: Für 2017 wird sogar ein Wachstum beim Kauf von Neuwagen erwartet.

Hinter dem Interesse am Carsharing dieser Unternehmen steckt deshalb ein anderer Grund. Die Automobilbranche hat aus Fehlern anderer Branchen im Umgang mit der Digitalisierung gelernt. „Kein Autobauer will Kodak sein“, sagt dazu Scott Le Vine, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Centre for Transport Studies am Imperial College London in einem Interview mit der New York Times. Le Vine spielt auf die Insolvenz des Fotografiekonzerns an, der die Entwicklung der Digitalkameras unterschätzt hatte und daraufhin pleite gegangen war.

Denn Carsharing, vor allem in Kombination mit smarter Technologie wie GPS-Ortung der Autos, Nutzung per Smartphone und Onlineplattformen, hat durchaus das Potential einer disruptiven Mobilitätstechnologie. Hier will die Autoindustrie keinen Trend verschlafen.

Darüber hinaus hoffen die Autobauer, dass die Millennials, die zahlenmäßig aktuell die größten Carsharing-Nutzer sind, in fünf bis zehn Jahren doch noch ein eigenes Auto kaufen und dann möglicherweise den Modellen treu bleiben, die sie schon im Carsharing fuhren.

Doch auch wenn sich vor allem das kommerzielle Carsharing international durchzusetzen scheint, sollte das private Carsharing, bisher eher das Stiefkind im Autoteilen, noch nicht völlig abgeschrieben werden. Zwar werden die Angebote bisher als ungenügend und kompliziert kritisiert, doch gibt es auch hier interessante Entwicklungen. Start-ups wie Getaway oder Turo nutzen moderne Technologien, um privates Carsharing bequem, flexibel, attraktiv und sogar lukrativ zu machen, sowohl für Autobesitzer als auch für Vermieter. Denkbar sind hier auch Bezahlmodelle für das Bereitstellen von Parkplätzen für Carsharing-Autos. Darüber hinaus erwarten die meisten mit Spannung, wie vor allem eine Entwicklung das Carsharing der Zukunft gestalten wird: autonome Fahrzeuge.

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