Mit Nutzen zum König

Märchen haben einen hohen gesellschaftlichen Nutzen. Neben ihrer Unterhaltungsfunktion treffen sie, teils als Zeitzeugnis zu verstehende, Aussagen über erwünschtes und unerwünschtes Verhalten und sind zudem häufig auch äußerst lehrreich hinsichtlich der Eigenheiten der menschlichen Natur und gesellschaftlicher Mechanismen. „Des Kaisers neue Kleider“ etwa beschreibt, wie die Verleugnung der eigenen Wahrnehmungen unter starkem Konformitätsdruck dazu führen kann, am Ende im wahrsten Sinne des Wortes bloßgestellt zu werden. „Tölpelhans“, ein vermutlich weniger bekanntes Märchen des Dänen Hans Christian Andersen, lobt die Kunst der Schlagfertigkeit und zeigt außerdem an, dass nicht jedes Nutzenversprechen eingehalten werden kann, während vermeintlich unnützes Zeug sich mitunter als wahrer Schatz entpuppt. Ausgelöst wird die Märchenhandlung durch die Suche einer Prinzessin nach einem Bräutigam mit stimulierenden Konversationsfähigkeiten. Die beiden belesenen Brüder des weniger intellektuellen Tölpelhans fühlen sich angesprochen und ziehen, sich des Nutzens ihrer umfangreichen Bildung sicher, frohen Mutes zum Königspalast. Hans, dem von seiner Familie keine Chancen bei der anspruchsvollen Adligen eingeräumt werden, folgt seinen Brüdern auf den Fuß und sammelt unterwegs verschiedene Fundstücke ein, von denen er – und nur er – annimmt, sie könnten ihm später noch einmal von Nutzen sein: Eine tote Krähe, ein beschädigter Holzschuh sowie eine Handvoll Schlamm. Bei der Königstochter angekommen, muss nun ein Bruder nach dem anderen seinen Geistesreichtum beweisen, indem er eine Antwort findet auf die Aussage, zu Hofe würden gerade Hähnchen gebraten. Während die gebildeten Brüder an dieser Aufgabe scheitern, bittet Hans vorwitzig darum, in dem Falle doch seine Krähe gleich mitzubraten und hat auch auf die Nachfrage nach Kochgeschirr und Soße mit seinem Holzschuh und dem Schlamm schnelle Lösungen parat. Beeindruckt von seiner Schlagfertigkeit wählt die Prinzessin Hans umgehend zu ihrem Gemahl und macht ihn damit zum zukünftigen König. Sämtliche Erwartung, die an die drei unterwegs aufgelesenen Produkte gestellt werden konnten, werden somit bei weitem übertroffen, und jedes Nutzenversprechen von Krähe, Schuh und Schlamm wird durch den tatsächlich erlangten Mehrwert, zum Thronfolger erkoren zu werden, deutlich übererfüllt. Nur ob Hansens Erfahrung in letzter Konsequenz dazu führt, dass er später als König den Palast in einen Messi-Haushalt verwandelt ist von Andersen nicht mehr beschrieben und bleibt der Fantasie der Leserinnen und Leser überlassen.

Um mit Produkten oder Dienstleistungen, die einen hohen Nutzen nicht nur versprechen, sondern diesen auch tatsächlich gewähren, zum König gewählt zu werden, müssen jenseits der Märchenwelt übrigens keine Prinzessinnen überzeugt werden, zumal deren Einzelmeinungen auch wenig repräsentativ sind. In unserer aktuellen Untersuchung „Deutschlands Kundenkönige“ mit der Tageszeitung BILD haben wir die Aufgabe der Beurteilung stattdessen an rund 650.000 Verbraucherinnen und Verbraucher übertragen, von denen wir wissen wollten, wie gut oder wie schlecht die jeweiligen Produkte oder Dienstleistungen von ausgewählten Anbietern ihre Nutzenerwartung erfüllen bzw. inwiefern für sie mit dem Erwerb der Produkte oder Leistungen ein wahrnehmbarer Vorteil einhergeht. Unternehmen, die in allen abgegebenen Kundenurteilen deutlich überdurchschnittlich abschneiden, werden zu „Deutschlands Kundenkönigen“ gekrönt und dürfen sich in die Galerie der Ausgezeichneten einreihen. Und wenn sie nicht ihr Sortiment geändert haben, dann verkaufen sie ihre Leistungen noch heute.

Text & Redaktion

Marieke Kötting