Direkt zum Inhalt springen
Organisiert wurde die Fachtagung im Rahmen des, vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) geförderten Projekts „Zukunftsdiskurse zur Dekonstruktion von Desinformationsstrategien in einer digital geprägten Welt" (ZuDD)
Organisiert wurde die Fachtagung im Rahmen des, vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) geförderten Projekts „Zukunftsdiskurse zur Dekonstruktion von Desinformationsstrategien in einer digital geprägten Welt" (ZuDD)

Pressemitteilung -

Desinformation in digitalen Formaten | Katharina Nocun spricht auf Fachtagung über die Auswirkung rechtsextremer Verschwörungstheorien

Desinformation – also die bewusste Kommunikation von falschen Tatsachen – kann in vielfältigen Erscheinungsformen auftreten. Beispielsweise nutzen rechtsextreme Kräfte digitale Formate für die Konstruktion von Feind- und Fremdbildern. Nun hat Katharina Nocun zum Auftakt der hybrid organisierten Fachtagung „Dekonstruktion digitaler Desinformationsstrategien. Phänomene des Rechtsextremismus“ an der Universität Vechta zum Thema gesprochen. Die in Kooperation mit dem Medienkompetenzzentrum Vechta und dem Landesdemokratiezentrum Niedersachsen durchgeführte Veranstaltung eröffnete vielfältige Impulse zur Beantwortung der von der Bürgerrechtlerin und Publizistin aufgeworfenen Fragen; beispielsweise wie die Entwicklung von Medienkompetenz – auch im Hinblick auf die Lehrkräftebildung – gefördert und Radikalisierungsprävention erfolgen könnte.


Bei der Begrüßung: Prof. Dr. Franco Rau (Mediendidaktik) und Prof.in Dr.in Corinna Onnen, Vizepräsidentin für Forschung Nachwuchsförderung und Wissenstransfer


Ihren Eröffnungsvortrag stellte Nocun – die in zahlreichen Fernsehformaten auftrat, darunter Lanz, Illner, Maischberger und 3nach9, und Beiträge in Medien wie der Süddeutschen Zeitung, FAZ, Zeit und im Handelsblatt veröffentlichte – unter den Titel: „Mobilisierung für den „Tag X“ – Verschwörungsideologien als Radikalisierungsbeschleuniger für die extreme Rechte“. Anhand verschiedener Beispiele wie der Reichsbürgerbewegung um den verhafteten Prinz Heinrich XIII. Reuss zeigte sie, wie ernst solche Gefahren zu nehmen seien. Verschwörungstheorien würden hier zugrunde liegen; bei den genannten Beispielen seien unter anderem Waffen, die Ausbildung zur entsprechenden Nutzung, abhörsichere Telefone oder viel Geld vorhanden gewesen. Man müsse sich klarmachen, dass Verschwörungstheorien so gut wie bei jedem Anschlag aus der rechtsextremen Szene der vergangenen Jahre die entscheidende Rolle gespielt haben, so Nocun.

Katharina Nocun spricht zu den Tagungsteilnehmenden.


Bei Verschwörungsideologien „seien Falschmeldungen ein Teil des gesamten Rezepts“, so Nocun. Aber diese würden teilweise mit wahren Nachrichten vermischt. Es gehe eher darum, die Struktur von solchen Narrativen, wo diese andocken, wie sie instrumentalisiert werden und welche Auswirkungen sie auf Gesellschaften haben, zu erkennen, fasste sie zusammen. „Verschwörungsideologien sind nichts Statisches“. Man könne sie sich eher „wie eine Art Remix-Kultur“ vorstellen. „Es gibt ganz viele unterschiedliche Geschichten und die verbinden sich miteinander“, führte Nocun aus.

Warum aber sind Verschwörungstheorien – so abwegig sie auch seien – für Menschen attraktiv? „Leute können ziemlich krasse Sachen glauben, aus freien Stücken“, fasste die Bürgerrechtlerin zusammen. Repräsentative Studien zeigten beispielsweise, dass rund ein Viertel bis ein Drittel der Menschen in Deutschland eine gewisse Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien hätten. Diese Empfänglichkeit werde deutlich erhöht, wenn Menschen unter anderem Kontrollverlustsituationen erleben würden. Nocun nennt zum Beispiel Jobverlust und Trennung. Es könnten aber auch politische oder wirtschaftliche Unsicherheiten dazuzählen. Falsche, aber leicht verständliche Erklärungen durch Verschwörungstheorien würden den Betroffenen Muster aufzeigen, die es eigentlich gar nicht gäbe. Aber auch die Sündenbockfunktion könne ausschlaggebend sein: Für die negativen Auswirkungen, welche Individuen oder der Gesellschaft wiederfahren, gebe es Verantwortliche, die es nach den Verschwörungserzählungen zu bestrafen gelte; vielleicht sogar durch die eigene Aufwertung in verschwörungstheoretisch verpackten Heldengeschichten. „Verschwörungserzählungen gehen stets mit starken Feindbildern einher, die letztendlich Gewalt legitimieren sollen“ sagte Nocun; insbesondere in der rechtextremen Szene. Aber auch die Gemeinschaft und soziale Anbindung in solchen Gruppen könnte attraktiv für bestimmte Menschen wirken, so Nocun: „Rechtsextreme Akteure setzten das gezielt ein.“ Verschwörungserzählungen und rechtsextreme Einstellungen hätten an vielen Elementen Andockpunkte. „Opfernarrative spielen eine zentrale Rolle. Das führt auch zu einer Verharmlosung der NS-Zeit und Relativierung des Holocausts“, sagte die Publizistin und bringt als Beispiel die Nutzung des Judensterns im Kontext des „Ungeimpft seins“ während der Corona-Pandemie oder den Selbstvergleich einer „Querdenken“-Rednerin, die auf einer Veranstaltung während einer Rede sagte, dass sie sich wie die Widerstandkämpferin Sophie Scholl fühle. Dabei kämen die Menschen, welche für Verschwörungstheorien empfänglich seien, nicht nur aus bildungsfernen Schichten, sondern aus dem breiten gesellschaftlichen Spektrum.

Verschwörungserzählungen seien kein bloßes Phänomen des Internets, ist sich Nocun sicher. Aber Social-Media könne ein „Brandbeschleuniger“ sein. „Die Art und Weise wie Content auf Plattformen moderiert wird und nach welchen Regeln Inhalte vorgeschlagen werden, beeinflusst massiv die Verbreitung von Verschwörungserzählungen und rechtsextremen Narrativen.“ Die „Neue Rechte nutzt die Dynamiken von Plattformen für sich“, sagte Nocun. Über die Kanäle würde Inhalt verbreitet werden, welcher – wenn überhaupt – beiläufig rechtsextremes Gedankengut präsentiert, nur um dann auf andere Plattformen zu locken, auf welchen „andere Töne angeschlagen werden“. Deshalb sei es wichtig die Codes zu verstehen. „Wer kein Update in Sachen rechter Symbolik bekommt, erkennt es nicht“, sagte Nocun. Aus ihrer Perspektive brauche es Politische Aufklärung, Medienkompetenz und Radikalisierungsprävention.

Die Tagung fand im Rahmen des SaferInternetDays 2023 statt.

Organisiert wurde die Fachtagung unter der Leitung von Prof. Dr. Franco Rau, Dr. Dr. Thomas Must und Michael Otten im Rahmen des, vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) geförderten Projekts „Zukunftsdiskurse zur Dekonstruktion von Desinformationsstrategien in einer digital geprägten Welt" (ZuDD). Zentrales Ziel des Projektes Zukunftsdiskurse zur Dekonstruktion von Desinformationsstrategien in einer digital geprägten Welt" ist es, einen interdisziplinären und öffentlichen Diskurs zu ermöglichen. Mit dem vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) geförderten Projekt will das Projektteam wissenschaftliche Erkenntnisse zusammenführen, für die Gestaltung von Bildungsprozessen zugänglich machen und zur öffentlichen Diskussion des Themas einladen. Die nächste Gelegenheit hierfür wird zum bundesweiten Digitaltag am 16. Juni 2023 eröffnet werden.

Mehr Informationen zur Tagung und zum Projekt „ZuDD“: www.uni-vechta.de/zudd

Themen

Kategorien

Regionen

Kontakt

Friedrich Schmidt

Friedrich Schmidt

Pressekontakt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit +49 4441 15577
Katharina Genn-Blümlein

Katharina Genn-Blümlein

Pressekontakt Leitung Marketing & Kommunikation +49. (0) 4441.15 488
Timo Fuchs

Timo Fuchs

Pressekontakt Wissenschaftskommunikation
Philip Kreimer

Philip Kreimer

Pressekontakt Social-Media +49. (0) 4441.15 279

Zugehörige Meldungen

Universität Vechta

www.uni-vechta.de

Universität Vechta
Driverstraße 22
49377 Vechta
Deutschland